Foto: Schwarzwälder-Bote

Landwirt vom Hapbach regt sich auf Bezirksjägermeister schildert Plage

Hubert Heitzmann regt sich auf. Wildschweine haben schon wieder seine Weide verwüstet. Wie ein braunes Band klafft die aufgerissene Grasnarben entlang eines aufgeforsteten Streifens. Die gegrabenen Löcher sind an manchen Stellen einen halben Meter tief.

"Das ist eine Sauerei, dort bekommen meine Tiere das ganze Jahr kein Futter", schimpft Heitzmann. Der 61-jährige Nebenerwerbslandwirt und Rentner, der im Hapbach hoch über Wolfach und Oberwolfach noch fünf Mutterkühen, deren Kälbern und einen Bullen für die Offenhaltung hält. Nun ist allerdings die Hälfte von der etwa einen Hektar großen Viehweide verwüstet. Als Landwirt hat Heitzmann viele Maschinen. Doch in diesem Fall meint er, dass man den Schaden nur mit dem Mulcher beseitigen kann. Mit seinem Traktor komme er zwar das stark abschüssige Gelände hinunter, aber nicht wieder hinauf.

Und der Steilhang ist nicht die einzige Stelle auf Heitzmanns Grund, die die Sauen umgegraben haben. "Das war eine ganze Horde da unten, das hier oben war es ein Keiler", berichtet er und deutet auf eine weitere Fläche. Auch eine dritte, weniger steile Wiese oberhalb seines Hofs zeigt noch Spuren der Wildschweine. Die Schäden hat Heitzmann hier schon mit seinem Traktor und einer Weisenegge etwas plätten können. Doch neben der unnötigen Arbeit wird auch diese Verwüstung nicht ohne Folgen bleiben.

"Wenn man die Wiese im Sommer mäht, hat man das ganze Futter voller Dreck", weiß der Landwirt. Den Jagdpächter habe er schon verständigt. Aber der sage auch: Wenn die Schäden beseitigt sind, kommen die Sauen zurück und machen wieder alles kaputt. Heitzmann findet: Das seien keine Wildschweinschäden mehr, sondern das sei eine richtige Wildschweinplage. Doch er weiß auch, dass die Wildschweine nicht so leicht zu kriegen sind.

Das bestätigt der Bezirksjägermeister Hans-Jürgen Schneider, der als Präsidiumsmitglied im Landesjagdverband mit der Wildschwein-Problematik in allen Facetten vertraut ist. Auch in seinem Revier haben die Tiere schon Schäden angerichtet.

"Wildschweine sind ein richtiges Problem, nicht nur in Baden-Württemberg und Deutschland, sondern europaweit", so Schneider. Der Klimawandel erschwere den Jägern im Winter, den Tieren nachzustellen. Denn ohne Schnee lassen sich deren Spuren schlecht verfolgen. Hinzu komme, dass von den zum Jahresbeginn geborenen Frischlingen fast alle durch die milden Winter kommen. Außerdem wachsen die Tiere unter solchen Bedingungen auch schneller, sodass sie früher geschlechtsreif werden und deshalb bereits im Herbst wieder Junge haben können.

"Wildschweine haben durch den Klimawandel überhaupt keinen Nahrungsmangel", weiß der Jagdexperte. Als Allesfresser wühlen sie auf Wiesen, weil sie eiweißhaltige Nahrung wie Egerlinge, Käferlarven, Würmer suchen. Larven wiederum entwickeln sich vorzugsweise unter Kuhfladen, was wohl Weiden für das sogenannte Schwarzwild zum gedeckten Tisch macht. Doch satt werden die Sauen vor allem durch Bucheckern, Eicheln und Kartoffeln. Und da beispielsweise Buchen nicht mehr nur jedes achte, sondern mittlerweile jedes vierte Jahr ein Mastjahr haben und Bucheckern abwerfen, haben Wildschweine noch besser Bedingungen.

"Wildschweine haben 300 Prozent Wachstumsrate", berichtet Schneider, der aber vor einem Vorgehen mit Gift oder Medizin wie in Pillenködern warnt: "Es war noch nie gut, wenn wir etwas aus der Apotheke in den Wald tragen, selbst bei der Tollwut hatte das extreme Nachteile."

Was ist die Lösung für das Wildschwein-Problem? "Es gibt keine Lösung, wir bleiben dran", meint Schneider. Gemäß dem neuen Jagdgesetz ist Schwarzwild im März und April nur noch in Ausnahmefälle und infolge Schäden jagbar. Doch dran bleiben an den Wildschweinen ist ebenfalls nicht so einfach. Schneider berichtet: "Das Schwarzwild hat sich aufgrund von Störung und seiner Intelligenz zu einem nachtaktiven Wild entwickelt." In der Nacht dürfen Jäger allerdings keine Taschenlampen oder Nachtsichtgeräte verwenden. Deshalb können sie nur im Licht eines vollen Mondes gut auf die Pirsch gehen. Mit Kirrungen, wo Futter wie Maiskörner verstreut werden, versuchen die Jäger die schlauen Tiere an bestimmte Orte zu locken.

Doch laut Schneider hat das Schwarzwild bereits gelernt, dass es dort bei Mondlicht besonders gefährlich ist und bleiben fern. Ähnliche Befürchtungen hegt er auch für die Jagd mit Lampen. Vom Fangen in großen Fallen hält Schneider auch wenig, denn in diesen zu schießen sei quasi Mord.

Ein weiteres Problem stellt sich, wenn der Jagdpacht-Vertrag ausläuft. Denn die Pächter sind bislang dazu verpflichtet, die Schäden zu beheben. Schneider gibt zu bedenken: Sollte da mit den Verpächtern nicht eine gemeinsame Lösung finden, wird künftig kaum ein Jäger eine Pacht übernehmen wollen.

Was also tun? Pflanzungen kann man laut Schneider mit einem dreidrähtigen Zaun und Strom schützen. Bei Wiesen sei das wegen der Rehe schwierig. Die würden sonst im Wald ihr Futter suchen. Verbiss wäre die Folge. Verstänkerte Lappen wie beispielsweise Säckchen mit Menschenhaar, Tücher mit billigem Parfüm oder auch Blinklampen würden helfen. Er selbst hat ein bei Bewegung losdudelndes Radio aufgestellt. Doch das wurde geklaut.

"Ohne gemeinsame jagdliche Anstrengungen wird’s nicht gehen", ist er sich sicher. Jäger müssten revierübergreifend zusammen jagen: mit sehr guten Schützen, ausgebildeten Hunden und auch mit verschiedenen Jagdmethoden. Doch er räumt ein: Im Sommer hören die Wildschweine auf, auf Wiesen nach Eiweisen zu suchen. Für Heitzmann wird das kaum ein Trost sein. Der Frühling hat gerade erst begonnen. Arwen Möller