Altes Haus hat ausgedient: Die Gemeinde will mit dem Ausschreibungsverfahren für ein neues Pflegeheim beginnen. Foto: Archiv

"Pro 4 Ingenieure" präsentiert ersten Entwurf am 31. Januar. Jeder darf Anregungen fürs neue Pflegeheim einbringen.

Oberwolfach - Die Oberwolfacher haben in ihrer Gemeinderatssitzung am Dienstagabend für das Ausschreibungsverfahren gestimmt. Demnach wird bald nach einem externen Bauherrn sowie Betreiber für das neue Pflegeheim gesucht. Bisher führte die Gemeinde den Betrieb in Eigenregie.

Am Ende der Diskussion war das Ergebnis dann klar: Die Kommunalpolitiker haben am Dienstagabend in ihrer Gemeinderatssitzung fast geschlossen für ein Ausschreibungsverfahren votiert. Oberwolfach will also das neue Pflegeheim St. Luitgard in der Friedensstraße nicht weiter betreiben und auch die Aufgabe des Neubaus an einen externen Unternehmen – mit Vorliebe einer kirchlichen Organisation – vergeben.

Ab sofort wird daher Thomas Decker, Inhaber von "Pro 4 Ingenieure" aus Freiburg, mit seinem Team einen ersten Entwurf ausarbeiten, der Vor-aussetzungen für potenzielle Bewerber festhält. Der Anforderungskatalog soll es den Räten dann erleichtern, anhand dessen die genauen Bestandteile der Ausschreibung zu definieren. Diesen Entwurf stellt Decker am Dienstag, 31. Januar, im Rahmen der finalen Haushaltssitzung zur Debatte.

Neben Decker waren der St. Luitgard-Heimsprecher Klaus Schäfle, die St.Luitgard-Pflegedienstleiterin Monika Bächle sowie Markus Harter, der Geschäftsführer der Johannes Brenz Altenpflege aus dem Nachbarort Wolfach anwesend.

Sie saßen im Publikum und Schäfle meldete sich auch zu Wort. "Egal, wer betreibt, die Küche sollte drin bleiben", regte der Experte an, der in ständigem Kontakt mit den Bewohnern und dem Personal des Pflegeheims St. Luitgard in der Friedensstraße ist. Schäfle wusste zu erzählen, dass die Küche abends oftmals genutzt werde, um den älteren Herrschaften bei Bedarf einen Brei zu kochen. Dies lasse viel Raum für Flexibilität zu.

Bürgermeister Matthias Bauernfeind schlug ihm und Bächle vor, schon im Vorfeld des ersten Entwurfs sich einzubringen. Dieses Mitspracherecht räumte er jedem Bürger ein. Interessierte könnten ihre Anregungen bezüglich des neuen Pflegeheims schriftlich per E-Mail an gemeinde@oberwolfach.de senden.

Roland Haas (Freie Wähler) befürwortete diesen Schritt: Je mehr Angebote die Gemeinde durch das Ausschreibungsverfahren hätte, desto mehr Auswahl ergebe sich dadurch auch.

Auch Martin Dieterle (Freie Wähler) war dafür, mit der Suche nach einem Bauherrn sowie neuen Betreiber zu beginnen. Es könne ja inseriert werden und wenn dann festgestellt werde, dass die Kandidaten nur eine "automatisierte Fabrik mit Roboterkräften" im Sinn hätten, könnten sie sich immer noch anders entscheiden. "Dann hätten wir zwar Zeit verloren, aber dann gehen wir den nächsten Schritt, in eine andere Richtung", gab er sich optimistisch.

Weniger rosig sah Rätin Monika Luxem-Fritsch (Freie Wähler) die Angelegenheit. "Das hat rechtliche Konsequenzen, wenn uns das Ergebnis nicht gefällt", warnte sie. "Wir binden uns rechtlich, wenn wir ausschreiben und die Kriterien schon festgelegt haben", gab sie zu bedenken.

Bauernfeind betonte hingegen, dass die Mindeststandards, die die Gemeinde im Anforderungskatalog verankere, von einem Bewerber vielleicht sogar noch übertroffen werden könnten.

Luxem-Fritsch war anderer Ansicht, da sie das bei ihrer Schwester erlebe, die in einem Pflegeheim wohne, das ebenfalls privatisiert wurde. "Mit den Privaten wird das anders werden", gab sie zu bedenken. Diese hätten ganz andere Voraussetzungen.

Desweiteren kritisierte Luxem-Fritsch, dass keine Baukosten für das neue "Großprojekt" in den Haushaltsentwurf für 2017 eingepflegt wurden. Bauernfeind erwiderte: "Wir haben vom Gemeinderat am 13. Dezember den Auftrag bekommen, ein Ausschreibungsverfahren einzuleiten." Daher sei keine Kalkulation von rund sechs Millionen Euro in den aktuellen Haushaltsentwurf notwendig. Sollte sich kein passender Betreiber und Bauherr finden, dann müssten diese Kosten ohnehin im Nachtragshaushalt eingeplant werden. Vorerst sei dies aber nicht relevant, äußerte sich auch Kämmerer Thomas Springmann. Mögliche Förderszenarien konterte Springmann mit: "Da erkauft man sich sehr hohe Standards für betreutes Wohnen, zum Beispiel energetische." Dies könnte die gesamte Einrichtung finanziell belasten.

Erna Armbruster (Freie Wähler) wollte von Decker wissen, was denn ins "Wunschprogramm" (dem Anforderungskatalog) geschrieben werde. Decker bezog sich auf die intensiven Interessensbekundungen bei einem Workshop der Gemeinderäte sowie den Gemeinderatssitzungen, aus denen sich ein "größtmöglicher Blumenstrauß" ergeben werde. Daraus könnten sich die Räte dann eine Blume herausnehmen oder eine einfügen. Das heißt, wenn Decker am 31. Januar diesen ersten Entwurf präsentieren wird, können die Kommunalpolitiker ihn nach Belieben ergänzen und erweitern. Danach will Decker ihn nochmals überarbeiten und am 21. Februar zum abschließenden Beschluss auf den Weg bringen.

Ferner wollte Armbruster in Erfahrung bringen, was geschehe, wenn sich auf das Inserat keine regionalen Anbieter melden würden. Bauernfeind teilte daher mit, dass bereits drei Projektentwickler, die es wie "Sand am Meer" gäbe, bei ihm angerufen hätten. Aber natürlich könne dies trotzdem passieren, gab er zu.

Das Heim solle für Pflegebedürftige da sein und nicht für diejenigen, die am meisten bezahlen könnten, so Bauernfeind. Auch hofffe er auf weiterhin zahlreiche Ehrenamtliche sowie einen kirchlichen Träger. Decker berichtete von zehn diakonischen Einrichtungen im Raum Karlsruhe bis Basel, die diesen Weg schon gegangen wären. Auf Martina Armbrusters (Freie Wähler) Einwand – sie sehe es problematisch, wenn das Pflegeheim zu groß wäre – konterte Decker, bei diesen Heimen funktioniere es mit einer Bettenzahl zwischen 36 und 45 ganz hervorragend. Und so eine Ausschreibung könne auch ganz legal dezent plaziert werden, sodass lokale Anbieter es einfacher hätten, sich zu bewerben.

Kommentar: Diktat der Wünsche

Von Melanie Steitz

Auf Veränderungen müssen sich die Heimbewohner und das Personal des St. Luitgard Pflegeheims zwangsläufig einstellen. Wenn das neue Heim nicht mehr von der Gemeinde, sondern einem Externen geführt ist, dürfte sich vieles ändern. So viel steht fest. Umso mehr verwundert es, dass einigen Ratsmitgliedern die Tragweite ihrer Entscheidung am Dienstagabend in ihrer Sitzung offensichtlich noch nicht ganz bewusst war. Sie wollen zwar das Ausschreibungsverfahren auf den Weg bringen, damit sich ein Betreiber sowie Bauherr findet und die Gemeinde mit dem Millionenbetrag, der durch die neue Heimbauverordnung sowie die Brandschutzauflagen entstünde, entlastet. Gleichzeitig soll ein ordentlicher Kriterienkatalog angelegt werden – das Diktat der eigenen Wünsche. Inhalte könnten beispielsweise die Mindestanzahl von 32 Betten sowie der fortgeführte Einsatz von Ehrenamtlichen sein. Das ist klug, denn die Qualität der Pflege und der familiäre Charakter des Heims sollen in der Friedensstraße erhalten bleiben. Es zeigt aber, dass die Gemeinde eigentlich nicht für Veränderungen bereit ist. Die Kosten werden ausgelagert, die Inhalte hingegen selbst bestimmt. Wo bleibt da das Vertrauen? Ob mit den Mindestanforderungen im Ausschreibungsverfahren gepunktet werden kann, bleibt abzuwarten. Das hängt sicherlich von der Anzahl der Anliegen ab und wie wirtschaftlich sie für einen – auch kirchlichen – Träger sind. Es darf nicht vergessen werden, dass potenzielle Bewerber selbst gern kreativ sind, über eigene Konzepte und Visionen verfügen und oftmals reichlich Erfahrung mitbringen, was sie sicher einbringen möchten. Knebel-Bedingungen werden sie nicht anlocken. Auch die Vergabe von Bauaufträgen wollen sie bestimmt allein regeln. Ob die Firma nun aus Oberwolfach oder Frankfurt kommt, entscheidet im Zweifelsfall der Bauherr - sonst lohnt es sich für ihn ja gar nicht und ihm bleiben nur die Pflichten und das Risiko. Dann könnte die Gemeinde ja auch gleich selbst neu bauen.