Dies ist eines der Plakate mithilfe derer die Windkraftgegner auf dem Gütschkopf vor Windrädern warnen. Foto: Abwasserverein

Debatte um den Gütschkopf nimmt weiter an Fahrt auf. Abwasserverein, Mathematiker, BUND und Nabu üben Kritik.

Oberwolfach - Noch hat das Regierungspräsidium (RP) Freiburg bezüglich des Gütschkopfs keine Stellung bezogen. Verbände üben nun Druck aufs RP aus, den Standort als Balz-, Brut- und Aufzuchtgebiet des Auerwilds einzustufen. Doch auch Oberwolfachs Forscher setzen sich dafür ein.

Während Bürgermeister Matthias Bauernfeind am Dienstagvormittag die Internationalität des Mathematischen Forschungsinstituts (MFO) lobte (wir haben berichtet), sprachen die Wissenschaftler zum Schluss etwas ganz anderes an: die drei geplanten Windkraftanlagen auf dem Gütschkopf.

Dietmar Kröner, der stellvertretende MFO-Direktor fragte den Bürgermeister, ob die Forscher künftig mit Schattenwurf im Hörsaal rechnen müssten. Dies verneinte Bauernfeind, der Abstand zum Forschungsinstitut würde auf jeden Fall so groß gewählt, dass kein Schattenwurf für das MFO entstünde.

Stephan Klaus, der wissenschaftliche Administrator, kritisierte, dass Windräder auch akustische Störungen hervorrufen könnten. Er habe das selbst schon in Gutach miterlebt, dort hörten die Talbewohner das Gerät, ähnlich störend wie ein tropfender Wasserhahn. Er habe Sorge, dass wegen des Lärms der Windkraftanlagen internationale Forscher nicht mehr herkommen wollten.

Bauernfeind erwiderte: "Leider ist das MFO kein Ausschlusskriterium." Oberwolfach sei verpflichtet, einen "substanziellen Beitrag" zur Energiewende zu leisten. Die drei Standorte Gütschkopf, Hohenlochen und Landeck/Katzenkopf kämen hierfür eben infrage. Die Gemeinderäte würden aber nicht auf allen Standorten Windkraftanlagen für den Flächennutzungsplan einkalkulieren, so Bauernfeind. Dies wurde von Stadträtin Erna Armbruster (Freie Wähler), die bei dem Treffen dabei war, mit einem Nicken bestätigt.

Gleichzeitig geltes es laut Bauernfeind, abzuwägen, in welche Richtung die Stromgewinnung der Gemeinde gehen solle. Schließlich gebe es in Oberwolfach noch ein aktives Bergwerk und die Grube Clara, die jederzeit auch als Lagerstätte für Abfallprodukten in der Zukunft dienen könnte, wenn sie abgewirtschaftet sei. Wenn die Gemeinde aber im verträglichen Maße an der Windenergie partizipiere, könnte solcher Umweltschaden unter Umständen abgewendet werden.

Gegen eine Bagatellisierung des neuen Gutachtens laufen die Verbände derzeit Sturm. Sie wehren sich dagegen, dass das vom FVA erklärte Auerhuhnschutzgebiet der Kategorie 1 "Ausschluss" nicht ernst genommen werde. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie der Naturschutzbund Deutschland Landesverband Baden-Württemberg (Nabu) haben bereits in einem Schreiben an das RP gewandt (wir haben berichtet). Sie plädieren dafür, wegen der Auerhuhn-Funde keine artenschutzrechtliche Ausnahme nach Paragraf 45, Absatz 7 des Bundesnaturschutzgesetzes zuzulassen.

Der Abwasserverein Schwarzenbruch aus Oberwolfach, der sich zusammenschloss, um eine rein ökologisch arbeitende Pflanzenkläranlage zu erstellen und in Betrieb zu nehmen, hat ein Schreiben an den Ersten Landesbeamten Nikolas Stoermer des Landratsamts verfasst. Dieser Brief wurde auch Landrat Frank Scherer, dem Umweltminister des Landes, Franz Untersteller (Grüne) und weiteren Politikern zugeschickt. Der Abwasserverein beklagt darin, dass sich immer mehr die Frage aufdränge, ob es überhaupt noch ein schutzwürdiges, bewahrenswertes Gut gebe, das über den rein wirtschaftlichen Interessen von Badenova und einiger Gemeinden stünde. Der Mensch, die Natur und das Auerwild seien es ja wohl nicht, schlussfolgert der Verein. Dass trotz unabhängiger Datenauswertung durch die FVA das Landratsamt die Möglichkeit einer Ausnaheregelung ins Spiel bringt, stört die Naturschützer. Es scheine nichts zu geben, das dem Raubbau der Energiewirtschaft Einhalt gebiete, und das "für eine jährliche Pachteinnahme von circa 100 000 Euro und einem spekulativen möglicherweise nie zu erreichenden prozentualen Anteil am Ertrag der Windräder", heißt es in dem Papier.

Große "Machtfülle"

Dass Andreas Markowsky vom Antragsteller Ökostrom Consulting Freiburg gegenüber dem Schwarzwälder Boten am 3. März äußerte, er wolle die Interessen seines Unternehmens weiterhin durchsetzen und der Protest der Umweltschützer sei ein "Störfeuer", schockiere die Oberwolfacher Vereinsmitglieder. Markowskys Verhalten sei "unverblümt" und zeige wie groß dessen "Machtfülle" sei.

Auch die Landtagsabgeordnete Sandra Boser (Grüne), die bei einem kürzlichen Pressegespräch mit Untersteller im Rathaus gesagt hatte, Gespräche mit den "Gegnern" der Pläne der Ökostrom Consulting seien entgegen ihres Angebotes oft nicht erwünscht seien, wird kritisiert. Die Vorstandsmitglieder des Abwasservereins hätten sich mehr als ein halbes Jahr um einen Gesprächstermin bei Boser bemühen müssen.

Boser wird attackiert

"Am 1. August letzten Jahrs hat der Termin dann endlich statt gefunden", so der Vereinsvorsitzende Thomas Kind. Gleich zu Beginn des Gesprächs stellte Boser klar, dass sie sich grundsätzlich nicht in die Kommunalpolitik einmische. Auf die Bitte des Vereins hin, sagte sie am Ende des Gesprächs, sie wolle sich kundig machen, was unter dem "substanziellen Beitrag" genau zu verstehen sei und dies umgehend mitteilen, was bisher laut Kind nicht erfolgt sei.

Boser hält die Vorwürfe für ungerechtfertigt. "Wie auch im Gespräch mit den Bürgermeistern im Rathaus in Wolfach und Umweltminister Untersteller klar wurde," sagt sie, "gibt es keine Definition zu dem ›substanziellen Beitrag‹ den die Gemeinden nach dem Bundesrecht erfüllen müssen." Daher sei es Boser bisher nicht möglich gewesen, dazu eine Stellungnahme zu formulieren, da ihr schlichtweg die Informationen fehlten.

Ein wichtiger Vorschlag aus dem Gespräch sei das Forum Energiedialog gewesen, bei dem unabhängige Experten die Bürger informieren und beteiligen würden. Das Forum ist ein Angebot der Landesregierung, um mehr Transparenz zu ermöglichen.

Weshalb der Abwasserverein Schwarzenbruch einen Vorwurf zurückweist, der gar nicht gemacht wurde, erschließe sich Boser nicht. "Im Gespräch im Rathaus Wolfach wurde lediglich angesprochen, dass ein Austausch mit Windkraftgegnern oftmals schwierig sei und scheinbar auch nicht immer erwünscht", erklärt sie. Keiner der Anwesenden habe gesagt, dass dieser nicht stattfinde.

Es brodelt also gewaltig unter der Oberfläche. Wann genau die Bombe platzt und das RP seine fachliche Einschätzung zum Gütschkopf abgibt, steht noch nicht konkret fest. Nur so viel kann der RP-Pressesprecher Markus Adler gegenüber dem Schwabo betonen: Es wird weiterhin daran festgehalten, Ende März Stellung zu beziehen. Wie das Verfahren dann weiter läuft, sei Sache des Landratsamts.

Info: Chronologie der Ereignisse

Im Juni 2016 wurden auf dem Gütschkopf ein Nachweis über das Lebensgebiet der Auerhühner gefunden. Die Forstliche Versuchsanstalt (FVA) Baden-Württemberg hatte am 26. Oktober belegt, dass es sich dabei tatsächlich um Federb des Auerwilds handelt.

Die Höhere Naturschutzbehörde des RPs hatte diese Hinterlassenschaften allerdings als einen nicht sicheren Reproduktionsnachweis eingestuft. Die endgültige Entscheidung, ob aus arten- und naturschutzrechtlichen Gründen auf dem Gütschkopf keine Windräder errichtet werden dürfen, obliegt dem Landratsamt.

Nun hat die FVA am 9. Februar ein neues Gutachten erstellt, das den Fund als sicheren Reproduktionsnachweis einstuft. Der Bereich Gütschkopf gelte als durchgehend besiedelt, ein Manipulationsverdacht könne laut den Experten Rudi Suchant und Stefan Bächle ausgeschlossen werden.

Das RP will Ende März eine Empfehlung für das Landratsamt aussprechen. Trotz dieser Funde könnten unter Umständen Windräder gebaut werden, insofern sie besser zum Gemeinwohl beitragen.