Manfred Schmider aus Oberwolfach überlegt sich, ob er seine letzten drei Kühe zum Winter weggibt. Doch noch ringt er mit dem Entschluss. Allein die Vorstellung schmerzen den Bauernsohn. Foto: sb

Bauer überlegt, die letzten Tiere wegzugeben. Reparaturen am Hof seien zu umfangreich.

Oberwolfach - Viele einst im Vollbetrieb bewirtschafteten Schwarzwaldhöfe werden heutzutage von ihren Besitzern nebenberuflich oder gar nicht mehr betrieben. Auch Manfred Schmider aus Oberwolfach ist im Brotberuf Postbote und hält drei Kühe auf dem elterlichen Jochemshof an der L  96 – noch.

Auch wenn Lara, Jule und Laura fast niemand bei ihrem Namen kennt, die drei letzten Kühe von Manfred Schmider sind berühmt: Sie sind die badenden Kühe von Oberwolfach. Wenn ihnen zu heiß ist, gehen sie gerne in die Wolf, die sich neben ihrer Sommerweide vor einer kleinen Steinfurt staut. Autofahrer, die sonst auf der L  96 am Jochemshof vorbei brettern, bremsen dann ab und zücken das Handy für ein Foto vom tierischen Paradies.

"Ich überleg’ mir, die Kühe wegzugeben", berichtet der 51-jährige Manfred Schmider. Im Stall würden größere Investitionen anstehen, und der Schritt würde der fünfköpfigen Familie normale Urlaube ermöglichen. Leben tun die Schmiders sowieso von den zwei Teilzeitgehältern der Eltern: Vater Manfred arbeitet als Postbote, Mutter Birgitt bei der AOK. Viel Geld in die Hand nehmen kann Schmider für die anstehenden Reparaturen auf dem Jochemshof in Oberwolfach nicht. Auch alle seine Maschinen sind mittlerweile rund 40 Jahre alt – "noch laufen sie".

Die sind wichtig, denn der Jochemshof in Oberwolfach zählt auf 49 Hektar einen Waldanteil von 90 Prozent. Ohne die Kühe und die Arbeit mit den Maschinen würden Bäume und Sträucher über die wenigen Wiesen und irgendwann bis vor der Haustüre der Schmiders wachsen. Gelingt so Offenhaltung? "Und mit viel Handarbeit", betont Birgitt Schmider und schaut ihre Tochter an: "Gell Julia?" Die lacht und meint "Ja". Denn auch wenn sich vieles auf dem Hof der Familie geändert hat, dass alle mit anpacken, das ist auch heute noch so.

Der Jochemshof wurde 1784 infolge der Teilung des Nachbarhofs erbaut. Die Vorväter von Manfred Schmider ernährten mit ihrer Vollerwerbslandwirtschaft wie so viele Schwarzwaldbauern einst ihre Familien – die Frau und fünf bis zehn Kinder, die Eltern und Altbauern, Geschwister sowie Knechte und Mägde – von den Erträgen des Hofes. Noch der Vater von Manfred Schmider betrieb den Jochemshof im Vollerwerb. Den Steilhang hinterm Haus mit 40 Prozent Gefälle beackerte er in Drei-Felder-Wirtschaft und erntete Kartoffeln, Weizen und Hafer – die Lebensgrundlage für seine Eltern, Frau und die zwei kleinen Kinder.

Schmider erinnert sich an seine Kindheit: "Der Stall war mit zwölf Milchkühen voll." Mit 16 Jahren begann er dann seine Ausbildung zum Kaufmann. Den Jochemshof übernahm er im Alter von 32 Jahren und stellte die Viehwirtschaft auf Kälberhaltung um.

"Deutschland ist kein Ernährungsland, sondern ein Industrieland"

"Der Fleischpreis ist heute noch der gleiche wie damals", bilanziert Schmider. Dabei verdiene der Warmmetzger, an den er seine Rinder liefere, auch nicht mehr als früher. Umgekehrt könne er bei stagnierenden Preisen "nicht billiger produzieren". Als der Vater nach der Hofübernahme noch mit anpackte, konnte – obwohl Schmider schon als Postbote in Teilzeit arbeitete – zunächst die Zahl der Kühe auf dem Hof gehalten werden. Doch über die Jahre nahm diese dann immer mehr ab.

Heute besteht die Nebenerwerbslandwirtschaft der Schmiders nur noch aus drei Kühen, dem Bauerngarten mit Gemüse von Mutter Birgitt, ein paar Obstbäumen und einem Topinambur-Acker fürs Schnaps-Brennen und natürlich dem Wald. Sein Steuerberater schüttele immer den Kopf, wenn er den Bereich Landwirtschaft des Hofbetriebs bilanziere: "Das lohnt sich nicht", weiß Schmider auch selbst. Eine schwarze Null schreibt der gesamte Nebenerwerb nur wegen des Holzverkaufs aus dem Wald.

Schmider ist froh, dass er, seit er den Hof übernommen hat, noch zehn Hektar Fläche zukaufen konnte mit 95 Prozent Waldanteil. "Wiese hätte ich nicht gekauft, die hält die Landwirtschaft hier nur gegen Geld offen", berichtet er. Erst ab einer Fläche von 100 Hektar lohne sich ein Vollerwerbsbetrieb im mittleren Schwarzwald. Pacht werde für landwirtschaftliche Flächen erst ab den Talauen rund um Gengenbach gezahlt.

"Deutschland ist kein Ernährungsland, sondern ein Industrieland", sagt Schmider. Seine Frau macht die einfache Rechnung auf, die vielen Bauern die Entscheidung vom Vollerwerb zum Nebenerwerb oder von Nebenerwerb zu noch weniger Landwirtschaft leicht macht: "Sieben Tage Stall oder fünf Tage arbeiten." Die 44-Jährige stellt fest: "Heute ist der Luxus da." Und die zig Auflagen in allen Bereichen der Landwirtschaft machen diese Arbeit immer noch unrentabler und komplizierter. Doch die Familie hat immer Essen aus eigenem Garten oder Fleisch von den Kälbern der eigenen drei Kühe auf dem Tisch und kann sich so rund ums Jahr halbautark ernähren.

Trotzdem, die Schmiders wissen noch um ein anderes Bauernhof-Kriterium: "Die Kinder sagen immer: ›Wir sind kein richtiger Hof mehr, weil wir gar nicht mehr so viele Tiere haben.‹" Nun könnten bald auch die letzten drei Kühe den Hof verlassen. Trotz der vielen Gründe für die Weggabe der Tiere, Schmider weiß: "Ich wein’ der letzten Kuh nach."