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Historisches über Pflege- und Altersheim St. Luitgard. Rolle der Gemeinde schon immer strittig. Räte diskutieren über "Fortentwicklung".

Oberwolfach - Eine der vordringlichst anstehenden, politischen Entscheidungen im neuen Jahr wird die Neuplanung eines Senioren- und Pflegeheims für Oberwolfach sein. Ein kleiner Abriss soll die bisherige Geschichte des Hauses zusammen fassen.

Beim Informationsabend durch die Gemeindeverwaltung ging Kämmerer Thomas Springmann als kaufmännischer Leiter der Einrichtung kurz auf die Historie des Hauses ein.

Bevor das heutige Alters- und Pflegeheim St. Luitgard um 1970 erbaut worden ist, diente das Geschäftshaus Fritsch/Groß an der Wolftalstraße der Gemeinde Oberwolfach als Altersheim.

1898 war das Gebäude als eines der größten seiner Art als Zigarrenfabrik errichtet worden, Bauherr war die Firma Krämer aus Haslach. Sie spekulierte beim Bau der Einrichtung auf die billigen Arbeitskräfte – vor allem die jungen Mädchen aus den Arbeiterfamilien vom Grünach und diejenigen, die rund um die Dorfkirche wohnten.

In der Ortschronik von 1958 wird erwähnt, dass die Zigarrenfabrik 1933 von der Gemeinde gekauft und zum Altersheim umgebaut worden ist. Das Haus diente fortan der Unterbringung alter, gebrechlicher Leute, die zuvor auf Kosten der Gemeinde in der Kreispflegeanstalt in Fußbach versorgt werden mussten.

Die anfangs 25 Personen wurden von vier bis sieben Ordensschwestern betreut. In einer Bilanzierung 1952/53 ist von 15 Bewohnern die Rede. Von diesen werden zwei als Selbstzahler und 13 als Fürsorgeempfänger genannt. Ein beträchtlicher jährlicher Zuschuss seitens der Gemeinde war damals notwendig.

In früheren Zeiten halfen die älteren Leute des Dorfes bis ins hohe Alter bei der häuslichen Arbeit mit, zum Beispiel beim Aufpassen der Kinder und bei Feld- und Gartenarbeiten im Familienverband.

War eine Versorgung oder Pflege von Älteren und Schwerkranken im eigenen Haus oder auf dem "Libding" nicht möglich, konnte die Gemeinde durch die Unterbringung im Armenhaus oder Spital Fürsorge leisten. Die Gemeinde war 1843 offiziell von politischen Behörden dazu aufgefordert worden. Über Jahre gab es politischen Streit um die Bereitstellung eines sogenannten "Spitals" durch die Gemeinde.

1874 wurde ein Haus hinter der Kirche, angrenzend an das Objekt der Familien Scherer, Keller und Schmid, auch schon als Schulräume für die Kinder des Ortsteils Kirche genutzt. 1875 beherbergte das Haus acht Frauen, so die Feststellung in der Gemeindechronik. Seitens der Bewohnerinnen wurde immer wieder über den schlechten baulichen Zustand und die miserable Beheizung geklagt. 1908 wohnten in zehn Wohnräumen – in der Regel in recht primitiven Kammern – sehr beengt 13 Personen.

Als die Gemeinde von der Witwe von Roman Waidele, des letzten Besitzers des Hofbauernhofs (das heutige Mineralien- und Mathematikmuseum Oberwolfach) dieses Gebäude 1897 gekauft hatte, konnte auch hier Wohnraum für Familien und alleinstehende, ältere Personen geschaffen werden. Beim Umbau 1951 wurden laut Niederschrift des Maurers Martin Herrmann, des legendären "Murermarti", sechs gemeindliche Familienwohnungen eingerichtet. Als damals 82-Jähriger spricht er von einer Meisterleistung seiner Handwerkskollegen: dem Zimmermeister Christian Spinner (Planfertiger und Bauleiter), dem Zimmermeister Tobias Winterer, dem Maurermeister Christian Haas und Karl Dieterle und dem Gipsermeister Hermann Zambelli. Miteinbezogen wurden auch die Schreiner Johannes Fritsch sowie die Brüder Lorenz und Otto Echle.

Über das recht enge, bescheidene Zusammenleben in den vorausgehenden Jahren gibt eine Mietvertragsvorlage der Gemeinde beredte Auskunft. Darin ist zu erfahren, dass beispielsweise die Küche von vier Bewohnern jeweils zu einem Viertel genutzt wurde. Beim Keller und Garten sah es nicht anders aus. Während des Zweiten Weltkriegs waren einige Bewohner osteuropäische Zwangsarbeiter.

Vom damaligen Altersheim an der Landstraße schrieb Martin Herrmann in seinen Chronik-Texten: "Dieses Gebäude ist eine Wohltat für uns alte Leute. Ich selbst befinde mich darin und fühle mich unter der Betreuung der barmherzigen Schwestern sehr wohl."

60 Jahre lang, von 1933 bis 1993, haben Schwestern vom Heiligen Kreuz in Bingen das Altersheim in Oberwolfach geleitet und betreut. Mitunter waren sie nebenher auch in der Krankenpflege im Einsatz.

Der älteren Generation ist besonders Schwester Kordula in Erinnerung geblieben. Mit ihrem Kabinenroller war sie in der ganzen weitläufigen Gemeinde unterwegs. Später hat sie sich noch einen grasgrünen VW-Käfer zugelegt, den sie eigenhändig mit dem Wasserschlauch abspritzte und anschließend mit Politur auf Hochglanz brachte. Für ihr jahrzehntelanges Engagement für die Bevölkerung ist sie sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden, ehe sie nach 1993 in den Ruhestand ins Mutterhaus in Bingen heimkehrte.

Weitere Informationen:

Bei der heutigen Gemeinderatssitzung steht die "Fortentwicklung des Pflegeheimstandorts Oberwolfach" auf der Agenda. Beginn ist um 18 Uhr im Bürgersaal des Rathauses