Mit kreischender Säge zerlegt Erwin Keppler den Baum in Irmgard Albrechts Garten. Foto: Klormann Foto: Schwarzwälder-Bote

Soziales: Zeitbankplus in Gemeinde Oberreichenbach ist nicht nur ein abstraktes Prinzip – sondern ganz konkrete Unterstützung

Sich gegenseitig helfen und dafür Stunden sammeln, die man gegen Leistungen eintauscht – das ist das Prinzip des Vereins Zeitbankplus Oberreichenbach. Klingt abstrakt? Vielleicht ein wenig. Es kann aber ganz konkret sein. Wir zeigen ein Beispiel.

Oberreichenbach. 9 Uhr morgens, im Garten von Irmgard Albrecht in Oberreichenbach. Es nieselt leicht, der Himmel ist grau. Und die Motorsäge brummt. Erwin Keppler ist an diesem Morgen zu Gast bei Albrecht. Oder vielmehr: zur Hilfe angerückt. Denn hinter dem Haus der Vorsitzenden des Vereins Zeitbankplus in der Gemeinde Oberreichenbach steht ein kleiner Baum, der gefällt werden muss.

Albrecht selbst kann das nicht. Keppler schon. Und beide sind Mitglieder der Zeitbankplus, haben sich also der wechselseitigen Hilfe verschrieben. Nicht für Geld, sondern für Stunden, mit denen "bezahlt" wird, wenn man selbst mal Hilfe braucht.

Rund 15 Stunden mittlerweile gesammelt

Keppler selbst hat schon einige Male verschiedenen Mitglieder geholfen. Indem er seinen Anhänger zur Verfügung stellte und Gartenabfälle zur Deponie fuhr. Eigentlich ist der Oberkollbacher Feinmechaniker. Doch er hat auch ein Baumgrundstück, auf dem er gerne selbst arbeitet; ist mit der Landwirtschaft aufgewachsen – und weiß, wie man Hand anlegt.

Rund 15 Stunden habe er mittlerweile gesammelt, erzählt er. Doch hat der Feinmechaniker selbst schon Hilfe gebraucht? "Herr Keppler braucht zurzeit niemanden", schmunzelt Albrecht. Auch der Oberkollbacher lacht. "Bis jetzt nicht", sagt er. Und fügt nachdenklich hinzu: "So was kann sich aber sehr schnell ändern." Ein guter Grund, um einem Verein wie Zeitbankplus beizutreten.

Gemeinsam Stamm herausgerissen

Im Garten geht es mittlerweile zur Sache: Mit kreischender Säge zerlegt Keppler den kleinen Baum in seine Einzelteile. Und reißt den Stamm gemeinsam mit Albrecht und mittels einer Axt so weit es geht aus der Erde. "Der könnte trotzdem noch Mal austreiben", meint der Feinmechaniker.

Worüber Albrecht sich aber keine Sorgen machen muss. Sie weiß: Sollte sie wieder Hilfe brauchen, wird sie sie bekommen. Auch dank der Zeitbankplus, bei der jeder seine Fähigkeiten einbringen und Fähigkeiten abrufen kann.

Wer in den Verein eintritt, gibt bekannt, was er kann und leisten möchte. Bei Stammtischen lernen sich Mitglieder kennen und tauschen sich aus. Die getauschten Stunden werden mit Zeitschecks verwaltet, die nicht nur für den Eigenbedarf gedacht sind, sondern auch als Geschenk an pflegende Angehörige weitergegeben werden können.

Ein Prinzip, das zu funktionieren scheint. Das zeigt nicht zuletzt das Beispiel aus dem Garten von Irmgard Albrecht.