Der Vorsitzende der Bürgerinitiative, Oliver Schmucker, klärte über die Ausmaße des Projekts auf. Foto: Stöß

Bei Würzbach soll Anlage in in nie dagewesener Höhe entstehen. Iniative spricht über Vorhaben.

Oberreichenbach-Würzbach - Noch stehen keine Windräder in Würzbach. Aber eines scheint jetzt schon klar: Egal wie die Sache ausgeht, der Name Oberreichenbach, beziehungsweise der des Teilortes Würzbach/Naislach, wird überregional Bekanntheit erlangen.

Bei Würzbach soll eine Windkraftanlage in nie dagewesener Höhe erbaut werden. Doch es gibt zunehmend Gegenwind. Die erst wenige Tage alte "Bürgerinitiative gegen Windkraft (BI) – für Mensch und Natur Würzbach" informierte bei einer Veranstaltung in der Würzbacher Sporthalle, was gegen das Vorhaben spreche, berichtete über den aktuellen Sachstand und entwarf ein Szenario für die nächsten Monate.

In diesem Kontext sind zwei aktuelle, politische Ereignisse brisant. Zum einen die zu diskutierende deutsche Energie-Ausrichtung beim Weltklimagipfel in Bonn. Zum anderen – noch spannender – die derzeit stattfindenden Sondierungsgespräche zur Jamaika-Koalition. Denn: Das Ergebnis des Jamaika-Handels wird überall dort, wo Windkraftanlagen (WKA) gebaut werden sollen, aufschlagen. Es dreht sich um nicht mehr oder weniger als um die Grundsatzfragen, aus welchen Ressourcen und zu welchem Preis zukünftig Strom erzeugt werden soll.

Täglicher Zuwachs

Auf jeden Fall ist das Thema bei den meisten der annähernd 800 Einwohner Würzbachs angekommen. Ein Indiz dafür war eine gut gefüllte Sport- und Mehrzweckhalle. Ein anderer Hinweis ist der tägliche Zuwachs an neuen Mitgliedern, der vom BI-Vorsitzenden, Oliver Schmucker, festgestellt wird. Binnen weniger Tage wurden schon 41 Mitglieder gezählt.

BI-Beisitzer Dieter Hübner war befremdet, dass eine der schönsten Landschaften im Nordschwarzwald so verunstaltet werden solle. Ein Zitat eines der EnBW nahestehenden Bekannten – "wenn wir 2013 dieses Projekt verlassen haben, müssten bei euch doch alle Alarmglocken läuten" – sorgt für das Resümee: "Anscheinend ist bei den hiesigen Verantwortlichen dieses Alarmsystem ausgefallen." Doch erkannte Hübner den Bürgermeister Karlheinz Kistner im Saal. Er wertet dessen Interesse an der Veranstaltung als Hoffnungsschimmer dafür, dass letztlich die "richtigen Argumente" für ein gutes Ende sorgen würden.

Armin Mattes, ebenfalls im BI-Vorstand, traf den Nerv vieler. "Diese Informationsveranstaltung hätte im Vorfeld die Gemeinde machen müssen."

Die stellvertretenden Vorsitzenden Angela Nun und Raik Dittrich äußerten die Furcht, dass "jeder Fünfte" (160 der 800 Einwohner aus Würzbach und Naislach) mit gesundheitlichen Auswirkungen zu kämpfen haben könnte.

Wegen der Komplexität des Themas hat die Würzbacher Initiative, ein eingetragener Verein, eine Homepage im Internet geschaffen (www.raikdittrich.de), die Interessierten Informationen bietet.

Die Themenpalette bei der zweistündigen Veranstaltung erstreckte sich über die Bereiche der technischen Ausgestaltung und die Eingriffe in die Natur bis hin zu möglichen gesundheitlichen Gefahren für die Anwohner. Gerade beim Lärm könne die Diskussion nicht ausführlich genug sein. So gebe es neben dem hörbaren Lärm auch den sogenannten Infraschall.

Die zusammenfassende Bezeichnung von Karl Günther vom "blinkenden, lärmenden, gesundheitsschädlichen, die schöne Landschaft verunstaltenden Ungetüms" drückt das herrschende Gefühl vieler Bürger aus. Dass manche einen Kaufkraftverlust ihrer Immobilien "von 50 Prozent bis unverkäuflich" fürchten, daraus machen die Bürger Würzbachs keinen Hehl. Möglich seien aber auch ganz andere ökonomische Gefahren. Wer zahle zum Beispiel, wenn eine Betreiberfirma (wie schon andernorts geschehen) nicht mehr rentabel arbeitet und die Anlage zurück gebaut werden muss? Die Gemeinde etwa?

Abgesehen davon, dass Würzbach bereits durch Biogas und Fotovoltaik eine positive Ökobilanz aufweise, sehen manche die Gefahr, dass in Zukunft die Erholungsgebiete in und um Oberreichenbach von Touristen gemieden werden.

Großer Beifall

Das Ausmaß des Gegenwinds, der der Betreiberfirma und auch den Verantwortlichen in der Gemeinde (Verwaltung und Gemeinderäte) ins Gesicht blasen wird, war spätestens dann klar, als Schmucker, den Blick auf den im Saal sitzenden Bürgermeister Karlheinz Kistner gerichtet, ruhig und klar strukturiert verdeutlichte: "Wir werden unsere Haltung zur Windkraftanlage konsequent und sachlich vertreten. Wir lehnen diese Anlage komplett ab." Der Beifall der Zuhörer war groß.

Walter Müller vom Landesverband Baden-Württemberg gegen Windkraft in Natur- und Kulturlandschaften warb dafür, dass nun möglichst viele Menschen dem Würzbacher Verein durch ihren Beitritt helfen können.

Müller war es, der auf die Brisanz bei den Sondierungsgesprächen in Berlin hinwies und herauskristallisierte, was hinter den verschiedenen politischen Richtungen zu verstehen sei. Letztendlich wirke sich, je nachdem, welche politische Farbe sich durchsetze, alles im Geldbeutel der Bürger aus. Und nicht nur dort. Auch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) schlage immer mehr auf. Zeitweise werde zum Beispiel Strom im Überfluss produziert, der dann an Nachbarländer wie die Schweiz verschenkt werde, was sogar noch eine Gebühr koste. Wenn Mangel herrsche, werde dagegen für teures Geld Strom eingekauft.

Auch er, Müller, sei nicht gegen Windstrom generell. Er stehe für sinnvollen Windstrom. Strom in windarmen Regionen Deutschlands zu produzieren, diene nicht der Bevölkerung, sondern nur den Subventionsabschöpfern in Deutschland.

Müller machte den Windkraftgegnern Mut mit Erfahrungen und ersten Teilerfolgen in anderen Bereichen Baden-Württembergs, in denen sich ebenfalls Widerstand rege.

Müller ging auch auf die Frage ein, wie nun der weitere Verlauf aussehen wird. Mittlerweile sei der Pachtvertrag zwischen der Gemeinde Oberreichenbach und der Betreiberfirma unterschrieben. Müller: "Noch ist nichts verloren." Nun sei es wichtig, diesen Vertrag genau zu prüfen. Auch vom Rechtsbeistand der BI. Das Genehmigungsverfahren werde folgen. Daran beteiligt seien das Landratsamt und gegebenenfalls später das Regierungspräsidium. Danach gebe es noch Einspruchsrechte und Klagemöglichkeiten.

Gutachten überprüfen

Bis es soweit sei, würden aber noch Monate hingehen. Denn nun müssten verschiedene Gutachten im Detail ausgewertet werden. Schon allein bei der Akzeptanz von Gutachten scheiden sich die Geister. Konkret sieht Müller Anlass, die derzeitigen Gutachten zu überprüfen, nicht zuletzt hinsichtlich der Höhe von 239 Metern. So groß sollen die vier Würzbacher Anlagen werden. Zum Vergleich: Der Stuttgarter Fernsehturm ist 217 Meter hoch, die Simmersfelder Windräder bis zu 170 Meter. Die Rotoren werden länger als ein Fußballfeld lang sein. Würzbach würde somit zeitweise Rekordhalter werden.

Müller wie Schmucker warben, den Verein zu unterstützen, damit dieser noch mehr Schlagkraft erhalte. Die Beiträge seien bewusst niedrig angesetzt worden (zehn Euro pro Jahr). Ebenso würden Spenden helfen. Mit den Geldern sollen weitere Informationsveranstaltungen finanziert werden.