Familie Ibrahimi ließ es sich nicht nehmen, sich bei den zahlreichen Helfern selbst zu bedanken. Foto: Stocker Foto: Schwarzwälder-Bote

Soziales: Familie Ibrahimi aus Afghanistan erzählt bei einem VdK-Informationsabend über ihre Flucht

Fatima und Hassan Ibrahimi sind vor 18 Monaten mit ihren vier Kindern nach Deutschland gekommen. In Würzbach erzählten sie über das Leben, das sie hinter sich gelassen haben sowie 7000 Kilometer Flucht – geprägt von Hunger und Angst.

Oberreichenbach-Würzbach. "Unsere größte Sorge war, wie wir unsere Kinder unbeschadet und unversehrt nach Deutschland bringen", gab Hermann Eitel, Vorsitzender des gastgebenden Sozialverbandes VdK in der Mehrzweckhalle wieder, was die afghanische Familie Ibrahimi im Vorfeld erzählt hatte. Das Ehepaar hat in Mazhar-e Sharif den eigenen Teppichhandel und die Schneiderei aufgegeben, um mit dem Verkaufserlös die Kosten der Flucht bezahlen zu können. "Fatima nähte in die Kleidung Blindtaschen, in denen wir unser restliches Geld verstecken konnten", hatte der Familienvater berichtet. Zudem schnitten sie den Mädchen die Haare ab und zogen ihnen Jungen-Kleidung an, um zu verhindern, von den Schleppern belästigt zu werden. Das erwies sich als weise Entscheidung, wie grausame Beobachtungen während der Flucht ihnen bestätigten.

Kinder spielen schon ein Musikinstrument

Zu Fuß, auf Ladepritschen, in Schlauchbooten oder mit dem Bus legten sie die Entfernung bis zu ihrem auserkorenen Ziel zurück. Schießende Polizisten in den verschiedenen Ländern machte ihnen Angst, da diese nicht unterschieden zwischen Schmugglern, Terroristen oder den Flüchtlingen. "Es war eine sehr gefährliche Lage. Wir kauerten und schliefen bei Tage in einem Versteck unter Büschen, liefen dann in der Nacht", berichten sie weiter. Der Gedanke, dass sie Deutschland immer näher kamen, gab ihnen die notwendige Kraft, durchzuhalten.

Es sollte gut zwei Monate dauern, bis das gelungen war. Erstaunt waren sie dann aber über den freundlichen Empfang in Österreich. Über das Aufnahmelager in München und die Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Karlsruhe kam die Familie in die Gemeinschaftsunterkunft in Bad Liebenzell. Heute wohnt sie in Würzbach. "Wir leben gerne hier, die Landschaft gefällt uns und der Kontakt zu unseren Nachbarn könnte nicht besser sein", unterstreichen Fatima und Hassan Ibrahimi, die bereits Arbeit gefunden haben. Sie wollen in Deutschland bleiben. Sohn Mustabha (14 Jahre) sowie die Töchter Mohadisa (14), Mariam (10) und die fünfjährige Marsa besuchen Kindergarten und Schule. Auch sie haben Anschluss gefunden und inzwischen sogar ein Musikinstrument erlernt.

Die Flüchtlingsströme sind abgeebbt, und in den Gemeinden engagieren sich Bürger für die Integration von Asylbewerbern. Für ein vorbehaltloses Miteinander wirbt auch der VdK-Sozialverband. "Die Bevölkerung muss erfahren, warum Menschen, beispielsweise aus Afghanistan zu uns kommen", bekräftigte Eitel. Einerseits bewegten ihn die Erzählungen der Familie Ibrahimi über ihre Strapazen und Ängste um Leib und Leben. Andererseits sah er sich in Gesprächen immer wieder ablehnenden Haltungen von allen erdenklichen Altersgruppen ausgesetzt.

Dennoch herrsche in Deutschland insgesamt eine Willkommenskultur, die Bürger engagierten sich mit großer Hilfsbereitschaft für die aus Krisenregionen geflüchteten Personen. "Als Sozialverband sorgt der VdK für eine starke Lobby und setzt sich in vielfältiger Weise auch für die Flüchtlinge ein", bekräftigte der Vorsitzende.

Das großartige Engagement einer immensen Bürgerbewegung würdigte deshalb auch der Landtagsabgeordnete Thomas Blenke. "Ohne Ihre Hilfe hätten wir das in dieser Situation nicht geschafft", rief er allen ehrenamtlichen Helfern zu. Darüber hinaus lobte er das Management des Landkreises, durch das es gelungen war, auf Turnhallen oder Zelte für die Unterbringung zu verzichten. "Das Bekenntnis, Menschen, die in Lebensgefahr sind, Schutz zu bieten, ist in Deutschland unverrückbar", betonte Blenke.

Helfer zeigen warme Seite Deutschlands

Zudem betonte er, dass Menschen ohne diese Fluchtgründe zurück in ihre Heimat geschickt würden. "Offen und ehrlich müssen beide Seiten dieser Medaille ihre Berechtigung haben", meinte er. Die Helfer vor Ort lebten mit ihrem Wirken eindrucksvoll die warme und herzliche Seite Deutschlands vor.

"Wir müssen allen vertrauensvoll und offen begegnen, ihnen das Ankommen ermöglichen und dabei unterstützen, in die deutsche Kultur hineinzufinden", sagte Sieghard Lawrenz, Koordinator für Asylbewerberangelegenheiten in Oberreichenbach. "Ohne das Ehrenamt wären wir kläglich untergegangen. Ihre Bereitschaft ist beispielhaft und wir sind mehr als dankbar für ihr Mitwirken", fügte Norbert Weiser, Sozialdezernent des Landkreises Calw hinzu.

Nicht ohne Stolz habe man doch erst jüngst einer polnischen Delegation gezeigt, wie das gelingen kann. "Es ist der Geist von Oberreichenbach, unterschiedliche Gegebenheiten miteinander zu gestalten", würdigte auch Bürgermeister Karlheinz Kistner die Unterstützer an den verschiedenen Stellen. "Ich finde es stark, dass es in Deutschland Menschen gibt, die da sind, wenn Menschen in Not Hilfe brauchen", freute sich Pfarrer Andreas Haller. Er verglich den Aufbruch in ein neues Leben mit einer modernen Arche Noah, in der Menschen verschiedener Nationen sitzen.