Mohammad, Maisam und Schulleiterin Margaretha Pehlke vor der Tafel, an welcher der Wochenplan angebracht ist. Die beiden syrischen Flüchtlingskinder haben eine lange Reise hinter sich und in Obernheim eine neue Heimat gefunden. Dort besuchen die Beiden die Grundschule. Foto: Holbein Foto: Schwarzwälder-Bote

Syrische Familie findet eine neue Heimat in Deutschland / Mohammad und Maisam besuchen die Grundschule / Vor den Bomben geflohen

Von Christoph Holbein

Obernheim. Flugzeuge fliegen über die Stadt, werfen Bomben ab und schießen mit Raketen, in direkter Nähe gibt es Einschüsse und Explosionen: Mohammad und Maisam haben viel erlebt, gehört und gesehen, etwa Panzer. Ein Onkel, der Bruder ihres Vaters, ist bei einem Bombenangriff umgekommen, als ein Flugzeug in der Nacht abgestürzt ist, ein anderer Onkel ist vermisst, niemand weiß, ob er noch lebt. Der elfjährige Junge und das zehnjährige Mädchen – Bruder und Schwester – sind mit ihrer Familie, die in der Nähe von Damaskus gewohnt hat, vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen. Ihre gefahrvolle Odyssee fand ihr Ende in Obernheim, dort besuchen sie die Grundschule.

Fast ein Jahr ist die syrische Familie, zu der noch zwei jüngere Kinder – zwei Jungen – gehören, einer ist erst fünf Monate alt und hier zur Welt gekommen, in Deutschland. Seit Ende Oktober leben die anerkannten Flüchtlinge in Obernheim. Eigentlich hatte die Familie vor, woanders hinzuziehen, aber Mohammad und Maisam wollten beide in Obernheim bleiben. Jetzt ist die Familie auf der Suche nach einer neuen Wohnung vor Ort.

Flucht mit dem Taxi, dem Bus und Flugzeug

Zahlreiche Stationen und eine Reise mit vielen Gefahren liegen hinter den Flüchtlingen: Von Damaskus ging es zunächst mit dem Taxi in einen Ort in der Nähe. Aber dort war die Familie nicht sicher: Von einem Flugzeug aus wurde auf das Haus geschossen. Mit dem Bus fuhren sie deshalb zu einem Bahnhof, um mit dem Zug in den Libanon zu fliehen. Dort kam die Familie bei einem Freund des Vaters für zwei Monate unter, dann flogen die Syrer nach Libyen, um dort ein Jahr zu leben. Aber bleiben konnte die Familie nicht. So war Ägypten die nächste Station, um dann mit einem Schiff übers Mittelmeer nach Italien überzusetzen – auch das nicht ohne Probleme: Das Boot so groß wie ein Klassenzimmer, auf dem 300 Menschen eingepfercht waren, erlitt auf der Überfahrt einen Schaden, den der Vater von Mohammad und Maisam, gelernter Automechaniker, der in seiner Heimat eine eigene Werkstatt betrieb, reparierte. Schließlich entdeckte ein Helikopter das havarierte Schiff und schickte Hilfe: Ein großes Kriegsschiff nahm die Menschen auf und brachte sie sicher nach Italien, wo die Familie vier Tage in einem Auffanglager untergebracht war, ehe die Syrer nach Deutschland flogen und über Stuttgart zunächst für fünf Monate nach Hechingen in ein Wohnheim und schließlich nach Obernheim gelangten.

Dort hieß sie die Kommune willkommen: Bürgermeister Josef Ungermann besprach mit der Leiterin der Grundschule, Margaretha Pehlke, dass Mohammad und Maisam nach den Herbstferien den Unterricht besuchen. Die Schulleiterin nahm die Kinder nach einem Gespräch mit den Eltern regulär auf. "Wir haben an unserer Grundschule ein Sprachförderprogramm, da sind die beiden integriert, und ich bin begeistert, wie schnell alle beide gut Deutsch gelernt haben", sagt Pehlke. Maisam wollte bald den gleichen Lehrplan wie ihre Mitschüler. Mittlerweile lernen beide auch noch Englisch.

"Sie sind in ihren Klassen akzeptiert", betont die Schulleiterin. Mohammad in der Jahrgangsstufe vier geht mit ins Schullandheim – finanziert über Fördergelder vom Landratsamt – und besucht im nächsten Schuljahr die Klasse fünf an der Burgschule in Meßstetten. Maisam kommt in die dritte Klasse. "Das funktioniert ganz toll, sie haben Freunde, besuchen diese und bekommen Besuch zu Hause", erzählt Pehlke, die mit den schulischen Leistungen ihrer zwei Schützlinge zufrieden ist: "Es ist kein besonderes Programm für die Beiden notwendig."

Alle Freunde mussten sie zurücklassen

Dem Elfjährigen und der Zehnjährigen gefällt es in Deutschland gut, nach Syrien wollen sie nicht zurück: "Wir haben dort den Krieg mitbekommen." Sie stellen sich vor, in Deutschland die Schule fertig zu machen und eine Berufsausbildung zu absolvieren: Maisam möchte Lehrerin werden, Mohammad Polizist oder vielleicht doch lieber Musiker, derzeit lernt er Gitarre in der Gitarren-AG. Dennoch sind sie "sehr traurig", dass sie fliehen und Syrien verlassen mussten: "Wir haben alle unsere Freunde zurückgelassen." Maisam möchte deshalb irgendwann einmal Urlaub in Syrien machen, "wenn kein Krieg mehr ist".

Für Margaretha Pehlke ist es keine Frage, sollte Bedarf bestehen, wieder eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen: "Die Obernheimer Bevölkerung ist sehr offen, die Menschen hier helfen und unterstützen." Derweil wünscht sich Mohammad, dass in Syrien Frieden einkehrt, es den Menschen dort gut geht und sie glücklich sind – so wie er und seine Schwester in Deutschland.

Für die Zukunft der Familie sieht die Schulleiterin keine Probleme: "Die Eltern sind unheimlich offen und wissbegierig, freundlich und gehen toll mit der schwierigen Situation um. Ich bewundere die gesamte Familie."