Wird ein Rehkitz aus der Wiese getragen, muss es in Gras "eingepackt" werden, damit es keine menschliche Witterung annimmt. Foto: DJV/Zeger

Kein Spielzeug für Tierfreunde: Kreisjägermeister Otmar Riedmüller über Umgang mit Jungtieren.

Oberndorf/Schramberg - Schon kleinen Kindern bringt man bei: Geschaut wird mit den Augen, nicht mit den Händen. Erwachsene halten sich allerdings auch nicht immer dran. Besonders Rehkitze scheinen es ihnen angetan zu haben.

Im Frühjahr werden Wald und Wiese zur Kinderstube. Rehkitze, Hasen, Füchse und auch Frischlinge werden geboren. In der Regel kann sich der Nachwuchs gut verbergen, nur selten bekommen Spaziergänger die Kleinen zu Gesicht. "Und wenn, dann heißt die oberste Regel: Streicheln streng verboten", erläutert Kreisjägermeister Otmar Riedmüller. Jedes Jahr aufs Neue beobachten er und seine Jagdkollegen "Tierfreunde", die einfach die Finger nicht von den kleinen Wildtieren lassen können.

Besonders den Rehkitzen kostet dieser Fehler mitunter das Leben, sagt Armin Liese, Sprecher des baden-württembergischen Landesjagdverbands. Rehkitze oder Junghasen werden abgelegt, während das Muttertier auf Nahrungssuche geht. Es kommt regelmäßig zu Besuch und versorgt den Nachwuchs. Die Elterntiere verstoßen die Kleinen aber, wenn menschliche Witterung an ihnen haftet. Wer also ein kleines, geflecktes braunes Wesen in der Wiese entdeckt, das sich an den Boden presst und vor Angst zu zittern beginnt, sollte schleunigst das Weite suchen, um keinen Schaden anzurichten. Aktuell wurden bei der Kreisjägervereinigung Rottweil wieder zwei Fälle bekannt, über die Riedmüller nur den Kopf schütteln kann. Fall eins: Ein Spaziergänger entdeckte ein Rehkitz in der Wiese. Weil keine Geiß in der Nähe war, begann er das süße Tierchen zu streicheln und letzendlich nahm er es auf den Arm und mit nach Hause.

Wilderei

Da er nicht genau wusste, welche Nahrung die richtige ist, wandte er sich an einen Jäger. Dieser erläuterte dem Spaziergänger, dass er Wildererei begangen habe. Da half es auch nicht, dass er das Tier wieder in die Natur zurückbringen wollte. Kurios: Der Spaziergänger ist aktives Mitglied einer Tierschutzorganisation und "hätte es besser wissen müssen", meint Riedmüller.

Rechtlich ist die Sache nämlich eindeutig: Wer ein neugeborgenes oder erwachsenes Wildtier mitnimmt, begeht laut Paragraf 292 Strafgesetzbuch (StGB) Jagdwilderei, so Liese. Und er ergänzt: "Das gilt auch, wenn er die Absicht hat, es wieder freizulassen."

Fall zwei: Eine Postbotin sieht, wie ein Fuchs einem Rehkitz hinterher jagd. Sie verscheucht ihn, "rettet" das Kitz und nimmt es mit nach Hause. "Sie wollte es im Garten aufziehen." Hier musste sogar ein Anwalt tätig werden, um die Frau von ihrem Fehlverhalten zu überzeugen. "Sie wollte das Wildtier einfach nicht mehr hergeben", erzählt Riedmüller.

Der Kreisjägermeister appelliert außerdem an die Hundebesitzer, während der Aufzuchtzeit von Jungwild, die noch bis etwa Mitte Juli dauert, beim Spaziergang in Wald und Flur sicherheitshalber auch folgsame Hunde an die Leine zu nehmen. Denn auch beim braven Stubenhund kann spontan der Jagdtrieb durchbrechen.