"Warum soll Oberndorf ein Sorgenkind sein?", fragt sich der HGV-Vorsitzende Rüdiger Kirn. "Das erschließt sich mir nicht!" Foto: Keiper

IHK-Vertreter in der Hauptversammlung im "Wasserfall" anwesend. Versäumnisse eingeräumt. Mit Kommentar

Oberndorf - IHK-Vertretern schwappte am Montagabend im "Wasserfall" bei der Hauptversammlung des Handels- und Gewerbevereins (HGV) eine Welle der Kritik entgegen.

Als "Standortvernichtung", "schallende Ohrfeige" und "öffentliche Hinrichtung des Oberndorfer Handels" wurden die Aussagen von Barbara Sand, Projektleiterin bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, gewertet, die sie in einem Gespräch mit unserer Zeitung äußerte. Sie habe sich wie der "Elefant im Porzellanladen" aufgeführt.
Die Idee von Sand, in der Oberstadt einen Outdoor-Laden zu verwirklichen, nannte Kirn "lächerlich". "Dafür fehlt die Fläche." Im Wunsch nach einheitlichen Öffnungszeiten sieht der Vorsitzende ein "unlösbares Problem". Zu unterschiedlich seien die Branchen. Die Leerstände in der Oberstadt würden seit 2012 zurückgehen. "Warum soll Oberndorf ein Sorgenkind sein? Das erschließt sich mir nicht."

Sowohl beim HGV-Vorsitzenden Rüdiger Kirn als auch bei Bürgermeister Hermann Acker war die Verärgerung noch deutlich zu spüren. Und die HGV-Mitglieder fühlten Barbara Sand und Thomas Albiez, Hauptgeschäftsführer der IHK, kräftig auf den Zahn: Wie konnte es zu solchen Vorwürfen kommen? War das Vorgehen von Sand intern abgesprochen?

Albiez erläuterte zunächst, dass die IHK bei verschiedenen Kommunen vorstellig geworden sei, um auf Grundlage einer neuen Einzelhandelsbroschüre ins Gespräch zu kommen. In allen anderen Fällen hätten diese Treffen zusammen mit der Stadtverwaltung, dem HGV und der Presse stattgefunden. "Wir haben es versäumt, HGV und Stadt zu diesem Treffen einzuladen", sagte Albietz. Es sei nie Absicht der IHK gewesen, die Arbeit des HGV zu kritisieren. Der Begriff 'Sorgenkind' sei falsch. "Richtig ist, dass sich die IHK Sorgen um die Entwicklung im ländlichen Raum macht", interpretierte Albiez das Statement seiner Mitarbeiterin. Auch Sand selbst entschuldigte sich für die Vorgehensweise. Sie appellierte an die Versammlung, "Emotionalität außen vor zu lassen und sich jetzt darauf zu konzentrieren, den Handelsstandort weiterzuentwickeln".

"Wie will die IHK diesen Imageschaden wieder gut machen?" fragte ein Mitglied. Die IHK wolle dem HGV als Partner zur Seite stehen, helfen Investoren zu finden, stehe für Gespräche zur Verfügung.

So gesehen: Wie nah darf’s denn sein?

Von Karin Zeger

In schlechten Zeiten rückt man zusammen, stärkt sich gegenseitig den Rücken. Dies war auch bei der HGV-Versammlung am Montagabend deutlich zu spüren. Die IHK-Vertreterin wollte mit ihren Aussagen und Ideen den Weg bereiten, um mit dem Handel ins Gespräch zu kommen. Dies ist ihr gelungen. Allerdings anders als gedacht. Bislang gab es kein Miteinander, im Gegenteil. HGV und Stadt nehmen der IHK ihre »Besserwisserei« übel, sprechen von Imageschaden und fragen sich: »Wer will jetzt noch in Oberndorf investieren?«

Aber mal ehrlich: Investoren fehlen der Stadt doch nicht erst seit dem Auftauchen von Frau Sand.

Und Hand aufs Herz: Wer hat sich nicht schon ein lauschiges Café am Schuhmarkplatz gewünscht? Ein paar Geschäfte mehr, damit nicht nur die Lindenhöfler mal wieder in die Kirchtorstraße biegen und im Städtle vorbeischauen? Es muss ja nicht gleich nach dem Motto »einmal hin, alles drin« sein.

Die IHK-HGV-Debatte der vergangenen Tage zeigt, dass den Oberndorfern ihre Stadt am Herzen liegt. Sie leiden mit, wenn jemand ihr Nest beschmutzt. Sie schimpfen aber auch, weil die »Perle am Neckar« nicht mehr so glänzt, wie dies in vergangenen Zeiten einmal der Fall war.

»Kritiker gibt’s genug«, sagte Bürgermeister Hermann Acker im »Wasserfall«. Von ihm stammt aber auch der Satz: »Die Stadtverwaltung lebt von der Kritik.«

Die Bewertung der IHK ging den Oberndorfern offensichtlich einen Schritt zu weit. Und doch: Die IHK-Fachfrau hat das Potenzial der (Ober)-Stadt erkannt.

Oberndorf zeigt seinen Charme erst beim zweiten Mal Hinschauen. Zugegeben, in manche Ecken muss man derzeit noch dreimal blicken. Manche Plätze und Stellen sind aber mittlerweile schmuck und stehen Oberndorf wirklich gut. Der Kinderspielplatz in der Oberstadt ist ein schönes Beispiel.

Bei den jüngsten Diskussionen sind gute Vorschläge dabei – sowohl in den Gesprächen an den Stammtischen, als auch auf Facebook und im Internet. Ehemalige Oberndorfer melden sich zu Wort, die mittlerweile in Berlin oder München leben, und sorgen sich um »ihre« Stadt. Die teils umfangreichen Abhandlungen wären eine extra Geschichte wert. Und da geht es nicht nur um Unterwäsche. Ein Laden für solche brachte nämlich die IHK ins Spiel.

Die Verantwortlichen sollten sich die Chance nicht entgehen lassen, um auf diesem Wege die »Stimme des Volkes« zu hören, vielleicht auch zu erhören und zu respektieren. Gerade im Hinblick auf die anstehende Talplatz-Sanierung. Dafür sollen bis zum Jahresende die ersten Pläne vorliegen, derzeit bereite die Stadt einen Investorenwettbewerb vor, informierte Hermann Acker in der HGV-Sitzung. Die Verbindungstreppe zwischen Ober- und Talstadt werde abgebaut, der Kanal darunter müsse saniert werden, und zeitweise stehe den Fußgängern dann nur der Rosenbuckel als Verbindungsweg zur Verfügung, kündigte der Bürgermeister die ersten Auswirkungen der Sanierung an.

Oberndorf steht weiter vor großen Herausforderungen, keine Frage. Es wäre wünschenswert, wenn man das Zusammenrücken der HGV-Mitglieder auf die IHK ausdehnen könnte.

Und wer weiß: Vielleicht trifft man sich in ein paar Jahren einmal nach dem Einkaufsbummel in der Oberstadt bei einem heißen Espresso im lauschigen Café auf dem Schuhmarktplatz – und Barbara Sand blickt wunderfitzig in die Einkaufstüte aus dem Dessous-Ladens...