Alexander Bonde weiß, dass Politik nicht gemütlich ist. Den Problemen und den Bürgern des Landes will sich der Agrarminister trotzdem stellen. Foto: Fritsch

Landwirtschaftsminister im Redaktionsgespräch über Fahrradfahren im Wald und einen Nationalpark in den Kinderschuhen.

Oberndorf - Direkt aus dem Urlaub, dunklerer Teint, rote Backen, entspannter Gesichtsausdruck – Alexander Bondes Weg zurück in den politischen Alltag führte gestern nach Oberndorf zum Redaktionsgespräch. Der Sommer 2014 gibt dem grünen Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz nach seinem Familienurlaub an der Nordsee Hausaufgaben auf.

Mountainbiker gegen Wanderer, Forstwirtschaft gegen Kartellamt und ein Nationalpark in den Kinderschuhen – zu tun gibt es genug. Die Opposition macht derweil schon Lärm – 2016 entscheidet der Wähler, wer in Zukunft am oppositionellen Katzentisch im Landesparlament Platz nehmen muss. Mit Kritik an der Opposition spart aber auch der Minister nicht.

Die nordischen Winde von vergangener Woche hinterlassen Spuren in den gegelten Haaren des Baiersbronners. Der Trachten-Janker sitzt – wie fast immer. An der Brust haftet daumennagelgroß das Wappen des Landes Baden-Württemberg. Nichts erinnert mehr an das angespannte Lächeln eines Ministers, der im vergangenen Jahr regelmäßig auf riesige Anti-Nationalparkbanner starren musste. Der Streit um den Nationalpark Schwarzwald: eine Kommunikationsschlacht epischen Ausmaßes. Der monatelange Stress – davon ist im Konferenzraum unserer Zeitung nichts mehr zu sehen.

Biker gegen Wanderer

Dennoch bietet die Debatte um Mountainbike-Strecken in Südwest-Wäldern einen Sommer-Aufreger. 58 200 Mountainbiker hatten per Online-Petition verlangt, die sogenannte Zwei-Meter-Regel für Waldwege zu streichen – ein bundesweit einzigartiges Gesetz, das es den Sportlern verbietet, auf Strecken zu fahren, die schmaler sind als zwei Meter. Für die Biker ein nicht erträglicher Verlust an Nervenkitzel und sportlicher Herausforderung.

Bonde hatte angedeutet, den Freizeitsportlern entgegenzukommen. Das wiederum löste Entrüstung bei Wanderern und einigen unserer Leser aus. Bonde gestern im Gespräch: "Weil es verschiedene Interessen gibt, hat sich die Zwei-Meter-Regel bewährt." Dennoch gebe es Raum für Ausnahmen. Am besten gehe man auf die Situation der Mountainbiker ein, indem man vor Ort aktiv werde und neue Strecken ausweise. Dafür brauche es aber auch Engagement. Bonde: "Es ist wie bei einem neuen Sportplatz für den Fußballverein. Wenn man will, dass sich etwas ändert, muss man selbst vor Ort Engagement zeigen." Das Ministerium weise keine Wege aus, "das machen die Forstämter". Reicht also klingeln beim jeweiligen Förster, um neue Single-Trails – also schmale Bikerpfade – zu deklarieren? So einfach ist es nicht. Der Prozessablauf zur Ausweisung neuer Strecken wird aber in einem Handbuch für Mountainbiker der beiden Naturparks im Schwarzwald detailliert beschrieben.

So weit die Theorie. Dass aber gerade einige Forstleute eher reserviert gegenüber den adrenalinsüchtigen Down-Hill-Akrobaten sind – so der Eindruck manches Wanderers – bemerkt auch Bonde. Er kritisiert die Art der Kontroverse, die teilweise von "Schreibtischpositionen" geprägt ist, die nur "schwarz und weiß sehen".

Dass die Zusammenarbeit zwischen Sportlern und anderen Interessengruppen funktioniert, zeigt der Albtrauf bei Balingen (Zollernalbkreis), der zu einem wahren Biker-Paradies umgebaut wurde. Bonde schickt noch einen Aufruf an die Biker: "Die Möglichkeit ist da, jeder kann sich engagieren."

Nationalpark

1. Mai 2014: feierliche Eröffnung des Nationalparks Schwarzwald. Wie geht es dem grünen Jüngling? Und wie ist die Stimmung derzeit im Herzen des Widerstands gegen das Projekt, hat Baiersbronn resigniert? "Das Interesse am Nationalpark ist groß. Die Verwaltung macht sich fantastisch. Der Park hat einen guten Start hingelegt", erklärt Bonde zufrieden. Zur Stimmung in Baiersbronn: "Die teilweise gezielt gestreuten Befürchtungen wurden durch Fakten widerlegt." Er schiebt lächelnd hinterher: "Wir haben keinen NATO-Draht um das Areal gespannt." Vielen sei jetzt erst klar geworden, dass die Einrichtung des Parks den eigenen Wald wirklich nicht betrifft. Ein "Mission erfüllt"-Gefühl gibt es beim Minister aber nicht. "Die Letzten zu überzeugen, wird noch dauern."

Holzwirtschaft

Zu den glühendsten Nationalparkgegnern gehörte die heimische Holzwirtschaft. Diese muss jetzt bangen, wie sie in Zukunft ihre Ware an den Mann bringt. Das Bundeskartellamt sagt: Die Vermarktungspraxis von ForstBW ist wettbewerbsschädigend. Die Einrichtung, die das Holz aus Staats-, Kommunal- und Privatwäldern bisher auf den Markt gebracht hat, muss sich spalten. Was heißt das für die Waldbesitzer? Bonde macht deutlich, dass ihm die Entscheidung des Bundeskartellamts "nicht schmeckt", dennoch kann er entwarnen: "Die größte Veränderung gibt es auf staatlicher Seite." Auf 76 Prozent der Waldfläche – den Privat- und Kommunalwäldern – soll alles weitestgehend so bleiben, wie es ist. Die restlichen 24 Prozent – der Staatswald – sollen dann getrennt organisiert werden. Allerdings gibt es auch personelle Umschichtungen bei Land und Kreisen: Es könne vorkommen, dass sich bei manchen Förstern die Trägerschaft zwischen Land und Kreisen ändert.

Bürgerbeteiligung

Das Land braucht eine Justizvollzugsanstalt, und niemand will sie haben. Bürgerbeteiligung kann lästig sein, oder? "Das macht die Politik nicht gemütlicher", sagt Bonde. Dennoch halte er die Hürden für die Beteiligung der Bürger an Politik weiterhin für zu hoch. Also warum dann nicht auf die Bürger vor Ort hören, die ein Problem mit einem Nationalpark vor der Haustür haben? Dass diese Entscheidung beim Landtag liegt, war von Anfang an klar, gibt der Minister noch einmal zu verstehen. Dafür gebe es Gesetze, die das regeln. Aber schockiert es ihn nicht auch, wenn sich Bürgerbeteiligung als NPD-Demonstration gegen Asylbewerber-Einrichtungen zeigt – so wie gestern Abend in Meßstetten (Zollernalbkreis)? "Natürlich können bei Beteiligungsprozessen auch radikale Positionen auftauchen. Wichtig ist, dass sich die politische Mitte bemerkbar macht und für unsere Grundwerte eintritt."

Bezüglich der Erstaufnahmeeinrichtung in Meßstetten mahnt Bonde zur Eile: Die Zeit drängt. Die bisher einzige Einrichtung in Karlsruhe sei hoffnungslos überlastet. Nun brauche es eine "schnell verfügbare Zwischenlösung".

Windräder

Wenn man große Windkraftfirmen auf Baden-Württemberg anspricht, sieht man rollende Augen. Das Land hinkt hinterher. Wird sich daran etwas ändern? Bonde schiebt die Schuld teilweise auf den Bund und die Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz, die viele Investoren abschreckten. Teilweise liege es aber auch am Realisierungsprozess. Es gebe keine detaillierten Windkarten in Baden-Württemberg. Viele Investoren müssten langwierige Messungen veranlassen, um sicherzugehen, dass sich ein Standort lohne.

Doch es gibt Hoffnung: Die Anzahl der Anträge für Windkraftanlagen steigt. Dass er als Naturschutzverantwortlicher oft der Buhmann für Windkraftbefürworter ist, lässt Bonde nicht gelten. Der überwiegende Teil der Einschränkungen ergebe sich aus Siedlungen und Infrastruktur.

Wahlkampf

Das war’s. Angenehmes Gespräch, Herr Bonde. Aber Halt, wollen Sie nicht noch etwas zum Wahlkampf sagen? "Für Wahlkampf ist es viel zu früh. Wir sind noch gut beschäftigt mit Regieren." Dann teilt er doch kräftig aus: Die Opposition habe konzeptionell nichts vorzuweisen. Nirgends würden Gegenentwürfe erstellt. Von den Ideen des CDU-Führungsduos ist er freilich wenig begeistert: "Guido Wolf sagt, er wolle die kalte Progression abbauen. Was er nicht sagt, ist, woher er die 500 Millionen Euro nehmen will, die dann alleine in Baden-Württemberg jährlich fehlen." Zum Vorhaben, das Bildungssystem "umzukrempeln", meint Bonde: "Jetzt wollen sie wieder zurück zu G9. Das würde eine dreistellige Millionensumme kosten." Wenn man die Vorstellungen von Wolf und Strobl zusammenfassen würde, könne man auf das aktuelle strukturelle Defizit von 1,5 Milliarden Euro noch einmal 1,5 Milliarden drauflegen. "Die CDU kommt mir derzeit vor wie die Linkspartei des Südwestens." Sie sollte eher anfangen, "Oppositionsarbeit zu leisten, die der Rede wert und wenigstens mathematisch möglich ist".