Claudia Schmidt und ihr Lebensgefährte Werner Güntert sind bisher vergeblich auf der Suche nach einer neuen Wohung. Die Absagen – alleine von einer Woche – bedecken bereits den Küchentisch. Foto: Danner

Für Otto-Normalverdiener ist es beinahe unmöglich, Unterkunft zu finden. Bezahlbarer Wohnraum Fehlanzeige.

Oberndorf - Wer eine Wohnung in der Neckarstadt zu vermieten hat, der bekommt auf sein Inserat meist Dutzende von Anfragen. Bezahlbarer Wohnraum ist in Oberndorf Mangelware geworden.

Die Neckarstadt steht mit diesem Problem nicht alleine da. In vielen Kommunen ist es mittlerweile schwer, eine Unterkunft zu finden, die sich Otto-Normalverdiener auch leisten kann. Den Wohnungssuchenden in Oberndorf ist das jedoch nur ein schwacher Trost.

Claudia Schmidt kann ein Lied davon singen. Seit mehr als 30 Jahren wohnt sie auf dem Lindenhof in der Albstraße. Das Mehrfamilienhaus, in dem ihre Wohnung ist, wurde vergangenes Jahr von der Oberndorfer Wohnungsbaugesellschaft (OWO) an einen Privatinvestor verkauft. Jahrelang habe man ihr und den anderen Mietern versprochen, das marode Gebäude werde saniert. Bis auf neue Fenster und ein paar kosmetische Reparaturen habe sich aber nichts getan. Sie wurde sogar bei Bürgermeister Hermann Acker in dessen Bürgersprechstunde vorstellig. Der habe sich ihr Anliegen zwar angehört, dann aber erklärt, mit einer alten Wohnung sei es wie mit einem alten Auto – da stecke man ja auch nicht mehr viel rein, bevor man es verkaufe.

Die alten Elektroheizkörper in Schmidts Wohnung machen Krach, wenn sie eingeschaltet werden. Das Steuerungsrelais sei kaputt, in der Küche der Souterrainwohnung hat sich der Boden abgesenkt, sodass die Kacheln darauf wackeln. Am schlimmsten aber sei der Schimmelbefall. Der ziehe sich durch die ganze Wohnung. Besonders arg ist es ausgerechnet im Schlafzimmer. "Und das hat nicht damit zu tun, dass ich nicht richtig lüfte", betont die 58-jährige Frührentnerin.

"Die OWO saniert, das ist richtig. Aber sie saniert sich selbst", meint Schmidts Lebensgefährte Werner Güntert lakonisch im Hinblick auf den Verkauf des Mietshauses. Mit dem neuen Eigentümer befindet sich Claudia Schmidt mittlerweile in einem Rechtsstreit. Sie hat einen Anwalt eingeschaltet und eine Mietminderung vorgenommen. "Und ich zahle meine Miete seit 30 Jahren pünktlich – immer zum Monatsende. So ist es im Vertrag festgehalten."

Schmidt ist inzwischen die Kündigung ins Haus geflattert. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten sucht sie deshalb eine neue Wohnung in Oberndorf oder Umgebung. Und das sei gar nicht so einfach. Kürzlich hat Güntert auf eine Anzeige hin bei einem Vermieter angerufen. Da war er der 61. auf der Liste. Durch eine starke Sehbehinderung ist der Mann auf einen Assistenzhund angewiesen. Sein bisheriger treuer Begleiter musste erst kürzlich eingeschläfert werden. Er wird sich aber auf jeden Fall einen neuen anschaffen. Das stelle oftmals ein Hindernis für potenzielle Vermieter dar, berichtet er.

Mieterverein weiß Bescheid

Für den Vorsitzenden des Oberndorfer Mietervereins Reinhard Schlüter ist diese Geschichte kein Einzelfall. Auch ihm sei bekannt, dass es an bezahlbarem Wohnraum in Oberndorf und Umgebung fehle. In ihrer Verzweiflung unterschrieben die Menschen manchmal Verträge für Wohnungen, die sich bei Tageslicht als völlig marode herausstellten. Diese Mieter kommen dann zu ihm in die Sprechstunde und bitten um Hilfe. Für den Wohnungsmangel in Oberndorf hat Schlüter auch eine Erklärung parat: "Das liegt unter anderem daran, dass die OWO seit Jahren nichts mehr gebaut hat. In der Vergangenheit wurde doch nur noch verwaltet."

Und nicht nur Frührentner mit vergleichsweise niedrigem Einkommen trifft das Problem. Meike Stockmann ist eine 26-jährige, angehende Medienfachwirtin. Sie steht in Lohn und Brot, hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Auch sie sucht nun schon seit Monaten nach eine neuen Bleibe. Ihre bisherige Mietwohnung soll den Besitzer wechseln, und sie weiß nicht, wie lange sie dann noch dort wohnen bleiben kann. Auch sie kann die Absagen mittlerweile stapeln. "Und 700 oder 800 Euro warm, das ist beim besten Willen nicht drin."  Claudia Schmidt und Werner Güntert sind unter Telefon 07423/8 68 26 40 oder 0157/37 49 28 54 zu erreichen.  Meike Stockmann hat die Mobilnummer 0176/ 24354860.

Info

Die Situation aus Sicht der Stadtverwaltung

In Oberndorf gibt es insgesamt 46 öffentlich geförderte Wohnungen (sozialer Wohnungsbau) – bei der OWO und im privaten Bereich. Das teilt der Erste Beigeordnete Lothar Kopf auf Anfrage unserer Zeitung mit. Hinzu kommen 50 Wohnungen der Stadt und der OWO, deren Mietpreis unter 4,50 Euro pro Quadratmeter und somit im bezahlbaren Bereich liege. Die Wohnungen der OWO seien alle vermietet. Zurzeit gebe es jedoch bei der Stadt und der OWO keine verstärkten Nachfragen, so Kopf.

Die Oberndorfer Wohungsbaugesellschaft investiere zudem in die Modernisierung und Instandsetzung ihres Wohnungsbestands. So wurde im vergangenen Jahr das Wohngebäude Hörnleweg 2 modernisiert. Dieses Jahr erfolge die Modernisierung des Wohngebäudes Hörnleweg 6. Die Planung des Neubaus eines Neun-Familien.Hauses auf dem Grundstück Lembergstraße 3 soll dieses Jahr abgeschlossen, der Neubau voraussichtlich 2018 realisiert werden.

Durch den Verkauf von Grundstücken der Stadt Oberndorf in Aistaig und auf dem Lindenhof an gewerbliche Bauträger entstünden in absehbarem Zeitraum weitere Wohnungen.