Die Abrissarbeiten sind bald beendet. Foto: Strittmatter

80 Meter langer Stollen konnte 200 Menschen aufnehmen. Jetzt entsteht Baugebiet "Dorfanger".

Oberndorf - Im Baugebiet "Dorfanger" auf dem alten Lindenhof tut sich was – ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg wird abgebrochen.

In Vergessenheit geratener Splitterschutzbunker wurde im Dezember 2015 auf dem alten Lindenhof, unweit des Kindergartens entdeckt, berichtet der Oberndorfer Höhlenforscher Wolfgang Strittmatter. Nebenan auf dem Gelände stand früher auch das Kirchenprovisorium der katholischen Gemeinde.

Ein Baggerführer schürfte an einem Hügel und stieß völlig überraschend dicht unter der Oberfläche auf ein langes Betongewölbe mit mehrfach abgewinkeltem Verlauf. Nach einem Durchstoß ins Gewölbe fand man einen längst vergessenen Bunker des Zweiten Weltkriegs, dessen Eingang zugemauert und mit Abfällen zugeschüttet war.

Bei der Begehung der dunklen, verwinkelten Gewölbegänge tat Strittmatter einen Blick zurück in die Geschichte. Ob verrostete Blechbüchsen, Flaschenreste mit Glasaufschriften, ein Stacheldrahtrest, modrige Holzteile, ein verbeulter Blecheimer oder eine zerrissene Gasmaske und herumliegende leere Patronenhülsen – alles machte nachdenklich und erzählte aus dem damaligen Leben im Bunker.

Nach den ersten Untersuchungen wurde der Bunker neu vermessen und fotodokumentiert.

Strittmatter hat sich auch mit Zeitzeugen unterhalten. Der Erinnerung Erich Rottlers zufolge, wurde der Bunker 1944 für die Anwohner der damaligen Adolf-Hitler-Siedlung gebaut. Dazu wurden jeden Tag per Lastkraftwagen Häftlinge des Arbeitserziehungslagers Aistaig antransportiert und abends zurückgefahren.

Die meist hungrigen Zwangsarbeiter wurden auffallend streng zur Arbeit angehalten. Der Zeitzeuge erinnert sich, wie er und andere Kinder den ausgemergelten Männern ab und zu etwas zum Essen zugesteckt haben. "Erwachsene durften das nicht, aber gegen uns Kinder konnten die Wachposten nichts unternehmen."

Im Seitenstollen kleine Bettchen für Kinder aufgestellt

Unvergesslich bleibt ihm auch das Erlebnis, wie er als kleiner Junge bei Fliegeralarm mit vielen Leuten im Bunker Schutz suchen musste. In kurzen Seitenstollen waren einige kleine Bettchen für Kinder aufgestellt, mit etwas Gepäck. Außerdem gab es einen Not-Abort mit einem Kübel.

Laut Planunterlagen konnte der 80 Meter lange Stollen 200 Menschen aufnehmen. Nach dem Krieg war der verlassenen Bunker noch ein beliebtes Ziel jugendlicher Abenteurer. Nun werden die langen Betongewölbe für eine Neubebauung beseitigt. Die Kosten des Abbruchs trägt die Stadt Oberndorf.