Wataru Hisasue zaubert am Piano. Foto: Weber Foto: Schwarzwälder-Bote

Meisterkonzert: Klavierabend mit Schwerpunkt Romantik begeistert Besucher in ehemaliger Klosterkirche

Das zweite Meisterkonzert in der aktuellen Reihe in der ehemaligen Augustinerklosterkirche in Oberndorf war ein reiner Klavierabend mit dem Schwerpunkt Romantik.

Oberndorf. Wer noch nie etwas vom Solisten des Abends, Wataru Hisasue gehört hat, lebt nicht hinter dem Mond. Denn der künstlerische Werdegang des jetzt 23-Jährigen, in Kyoto Geborenen, ist verblüffend steil.

An den Anfang des Konzertes hatte Wataru Hisasue die Klaviersonate h-Moll Hob.XVI:32 von Joseph Haydn (1732 bis 1809) gestellt. Nach dem für Joseph Haydn etwas befremdlichen Anfang des Allegro moderato und erstem Einhören zeichnete sich das Hauptthema immer klarer ab, und es konnte erahnt werden, warum der Pianist im vergangenen Jahr eine Reihe bedeutender Preise errungen hat.

Das Menuetto, mit total anderem Charakter, wesentlich schmiegsamer, wurde klar abgesetzt. Schon dabei fiel auf, dass Wataur Hisasue Musik offenbar innig liebt, denn ganz ungezwungen begleitete er jede Phrase auch körperlich, ganz ohne starr-steife Pianisten-Attitüde.

Eine Freude war zu hören, wie in der linken Hand pochender Bass und in der rechten kürzeste staccato gespielte Figuren verschmolzen wurden.

Das Presto-Finale ließ gewaltig aufhorchen. Reine Romantik verströmten "Drei Lieder ohne Worte" von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 bis 1847).

Die Leidenschaftliche

Das erste der Lieder in As-Dur strahlte eine große Ruhe aus, wurde über weite Strecken mit Dämpfer gespielt. Auch dem in fis-Moll geschriebenen, wesentlich lebhafteren und dem in G-Dur stehenden Lied ist gleich, dass sie alle Melodien haben, die sich auch sehr gut singen ließen.

Die Klaviersonate Nr. 23 f-Moll op.57 von Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827), genannt Appassionata, verdient ihren Namen – die Leidenschaftliche – zu Recht.

Nach einem verhaltenen Anfang im Allegro assai kündigt sich nach dem ersten Lauf mit Fortissimo-Ende Ungeheueres an. Wataru Hisasue ließ sich auf diese Herausforderung ein und brachte sein eminentes Können zum Klingen. Feinstes Piano, rauschende Klangkaskaden im Forte, Steigerungen, wo Steigerungen kaum noch möglich schienen, machten diese Musik reinster Subjektivität und überwältigender Gefühle zu einem bewegenden Hörerlebnis.

Der Beginn des zweiten Satzes wurde voll Ruhe und tiefem Gefühl gestaltet. Diese ruhig fließenden Passagen packend zu gestalten ist sicher nicht leicht – Wataru Hisasue konnte es. Alles schien spielerisch und unaufgeregt; er gestaltete, so konnte man glauben, jeden einzelnen Ton.

Wahnsinnige Spieltechnik

Im Allegro ma non troppo dann wieder der große Kontrast; atemberaubende Zweiunddreißigstel-Läufe, wieder ein Rausch der Töne, den sich der "Titan" in dieser Huldigung an die künstlerische Freiheit von der Seele geschrieben hat. Welch wahnsinnige Spieltechnik, mentale und physische Leistung hat hier der Solist vollbracht. Der riesige Beifall war nach dieser Leistung angebracht.

Nach der Pause, als allein Werke von Franz Liszt (1811 bis 1886) auf dem Programm standen, schonte Wataru Hisasue weder sich noch den Bechstein-Flügel in der Klosterkirche. Er hatte zwei gegensätzliche Werke ins Programm genommen.

"Drei Petrarca Sonette" standen am Anfang. Diese Kompositionen, in denen das äußerst komplizierte Reimschema der Gedichte von Francesco Petrarca (1304 bis 1374) musikalisch zu Grunde gelegt ist, laden fast zum Mitsingen ein; vor allem das erste, sehr zurückhaltende, "Pace non trovo" (Frieden finde ich nicht).

Wenn auch das zweite Sonett "Benedetto sia ’l giorno" (Gepriesen sei der Tag) etwas bewegter ist, stellenweise mit 16tel unterlegt, der Grund ist doch eher verhalten wie auch das dritte Gedicht "I vidi in terra" (Ich sah auf Erden) eine gänzlich neue Art Musik – im Gegensatz zu Beethoven – bietet. Hier konnte der Solist zeigen, welches Können erforderlich ist, um bei so subtilen Stücken die innere Spannung aufrecht zu erhalten.

Nach dem bisher Gebotenen auch noch die "Rigoletto-Paraphrase", ebenfalls von Franz Liszt, ins Programm zu nehmen, ist sehr großzügig.

Im Vorspiel erklingt die Melodie des Herzogs aus dem Quartett des dritten Aktes "Bella figlia dell’ amore" worauf Maddalena in frivoler Weise dem Herzog antwortet. Dieses Spiel, teilweise mit den kleinsten Notenwerten komponiert, erfasst die Charaktere der beiden Rollen genial und begrenzt sie doch auf die Möglichkeiten des Klaviers. Eine Glanzleistung von Franz Liszt, aber ebenso von Wataru Hisasue, der die "Stimmen" des Herzogs und Maddalenas genial gestaltete.

Jubelnder Applaus bewog den strahlenden jungen Pianisten trotz vorangegangener Schwerstarbeit zu einer Zugabe: eine Sonate von Domenico Scarlatti (1685 bis 1757) erklang, ein wahres Geschenk.