Blick zum Podium mit Ortsvorsteher Thomas Hartmann, Nicole Saile ("Offene Hände"), Bürgermeister Hermann Acker, Sozialamtsleiter Peter Sickinger, dem Flüchtlingsbeauftragten Mohamed Esmat sowie Sozialdezernent Bernd Hamann (von links) Fotos: Fahrland Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge: Bürger sind ganz Ohr beim ausführlichen Informationsabend in Hochmössingen / Viele Fragen

Von Sylvia Fahrland

Die Bürgerinformation in der Turnhalle zur Erst- und Anschlussunterbringung von Flüchtlingen lieferte am Mittwochabend 90 Minuten geballte Fakten über die Flüchtlingssituation im Landkreis, im Stadtgebiet Oberndorf und für den Ortsteil.

Oberndorf-Hochmössingen. Weit über 100 Personen kamen und hörten höchst aufmerksam zu. Eine fast einstündige Fragerunde schloss sich an. Ausländerrecht und die politische Bewertung waren nicht Gegenstand der Diskussion. Nur am Rande kam das Gebäude "Wald 3" zur Sprache. Einwohner brachten Kritik und Bedenken weitgehend sachlich zum Ausdruck. Möglicherweise nahmen ihnen die umfangreichen Informationen auch schon etwas den Wind aus den Segeln.

Ortsvorsteher Thomas Hartmann betonte, wie notwendig die Informationen für Hochmössingen seien und wertete das große Interesse als Indiz dafür. Bisher habe man die Lage aus der Ferne verfolgt, nun werde sich "das Leben im Ort etwas verändern".

Über die Erstunterbringung durch den Landkreis Rottweil informierte Sozialdezernent Bernd Hamann. Er schilderte im Detail seine Arbeit und die Entwicklung im Kreis. Seien im April 2016 noch 160 Flüchtlinge gekommen, kämen im Mai nur noch sieben. Vorrang habe die dezentrale Unterbringung.

Bürgermeister Hermann Acker folgte mit Informationen zur Unterbringung aus gesamtstädtischer Sicht. Der Amtsleiter für Soziales, Peter Sickinger, teilte mit, wo die insgesamt 206 Personen in Oberndorf untergebracht sind (wir berichteten). Für die Unterbringung in Hochmössingen in der ehemaligen Volksbank sei wegen des sozialen Umfelds mit Kindergarten und Turnhalle eine Familie wünschenswert, die "Linde" habe Kapazität für die Erstunterbringung von weiteren 30 Personen. Laut Hamann könnten es auch weniger sein, versprechen könne er aber nichts.

Nicole Saile stellte die Arbeit des Netzwerks "Offene Hände" vor. Im Stadtgebiet sind über 100 Ehrenamtliche engagiert, auch 15 bis 20 Menschen aus Hochmössingen. Die Einwohner hätten nun die Möglichkeit, ihren Heimatort mitzugestalten. Das Orga-Team stand im Anschluss mit Informationsmaterial zum Meinungsaustausch bereit.

Allerdings war die Halle zehn Minuten nach Veranstaltungsende um halb elf so gut wie leer und das Angebot wurde kaum genutzt.

In der E-Mail-Verteilerliste der "Offenen Hände" stand einzig der Name des neuen Flüchtlingsbeauftragten Mohamed Esmat, der mit auf dem Podium saß.

Den Vorwurf mangelnder oder zu spät erfolgter Information für die Hochmössinger Bürger ließ Bürgermeister Hermann Acker nicht gelten. Information sei nicht nur Bringschuld, sondern auch eine kontinuierliche Holpflicht und nicht erst bei eigenem Bedarf. Möglichkeiten und Veröffentlichungen, auch in der Presse, habe es genug gegeben: Beim Jahresabschluss in Bochingen hatte Landrat Wolf-Rüdiger Michel zur Flüchtlingssituation im Kreis referiert. Man habe über die Mitteilungsblätter öffentlich eingeladen, jedoch Teilnehmer aus anderen Ortsteilen vermisst. Die Haushaltsreden – im Haushalt 2016 sind 500 000 Euro eingestellt – seien im Internet zugänglich gewesen. Er stehe bei den Bürgerfragestunden zur Verfügung.

Viele Fragen hatte Christian Bauer. Er konnte die von ihm errechnete geringe Maximalflüchtlingszahl für den Ort und die anfallenden Kosten nicht in Einklang bringen mit den Zahlen aus den Vorträgen. Im Vorfeld hatte er einen offenen Brief an die Stadtverwaltung und den Bürgermeister gerichtet, der auch unserer Zeitung vorliegt. Er fasste mehrfach nach, wer die Kosten laut SGB II trägt und zweifelte die Armut mancher Neuankömmlinge an. Im Prinzip erstatte das Land die Kosten, letztlich stammten aber alle Gelder aus Steuern und somit von den deutschen Bürgern, hieß es.

Viel Beifall gab es für die "Offenen Hände", auch als Eva Scherer sagte, niemand müsse verhungern. Das Geld bleibe im Wirtschaftskreislauf und verpuffe nicht sinnlos. Bauer musste sich vorläufig zufrieden geben. Erika Wirth hingegen sah all ihre schriftlich gestellten Fragen beantwortet, wie sich Acker rückversicherte. Ein Redner lobte zunächst die Ehrenamtlichen und mutmaßte, die AfD hätte nicht 26 Prozent (Anmerkung der Redaktion: es waren 22,7 Prozent) in Hochmössingen erzielt, wäre die Öffentlichkeit früher informiert worden. Die Angst vor Integrationsproblemen habe die Leute zur AfD getrieben, und das ärgere ihn.

Eine Handvoll weiterer Bürger fragte nach psychologischer Betreuung, befürchtete eine "Scheibchentaktik" oder "Durchgangsverkehr" bei den Unterzubringenden und geschlechterspezifische Aversionen gegenüber den Helfern.

Weitere Informationen: Die nächste Infoveranstaltung findet am Mittwoch, 11. Mai, ab 19 Uhr im Kronesaal in Bochingen statt, unter anderem zur Flüchtlingsunterbringung im "Rankäcker". Mit dabei sind wiederum Bürgermeister Hermann Acker, Sozialdezernent Bernd Hamann sowie die "Offenen Hände".