Aus dem Wunderkind ist eine Meisterin am Flügel geworden: Henriette Gärtner. Foto: Sikeler Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Pianistin Henriette Gärtner beweist in der Klosterkirche Gespür für musikalische Preziosen

Von Jens Sikeler

Oberndorf. "Carnaval", Robert Schumans szenische Annäherung an eben diesen, hatte die Pianistin Henriette Gärtner als Hauptwerk für ihren ordentlich besuchten Auftritt in der Fasnetsmetropolole Oberndorf ausgesucht.

Bei ihrem Konzert am Montag in der Klosterkirche hinterließ sie tief beeindruckte Zuhörer. Wer von sich selbst in seinem Programm als "Wunderkind" spricht, der hat diesen Status schon längst hinter sich gelassen. Bei Gärtner haben sich die Hoffnungen, die sie als Kind geweckt hat, erfüllt. Aus dem Wunderkind ist eine Meisterin am Flügel geworden – und eine attraktive Frau mit einem großen Gespür für musikalische Preziosen noch dazu. Es gibt sicher Werke, die häufiger gespielt werden als "Carnaval" von Robert Schumann.

Musikalischer Rundumschlag

Über die Gründe kann man nur mutmaßen. Der wesentliche Grund dürfte aber der immens hohe Anspruch sein, den Schumanns musikalischer Rundumschlag an den Pianisten stellt. Schumans Verlobte, als das Stück entsteht, kommt aus dem kleinen Ort Asch. Das übersetzte Schumann in die Noten A, ES, C, H und stellte die ins Zentrum seines Stückes, das aus 21 Szenen besteht. Jede einzelne dieser Szenen stellte Gärtner vor. Der Pianistin ist es wichtig, mit ihrem Publikum nicht nur über die Musik ins Gespräch zu kommen. 21 Szenen bedeuteten für die Pianistin, sich 21 Mal auf neue Stimmungen einstellen zu müssen. Gärtner gelang das meisterhaft. "Eusebius" und "Florestan", zwei der Miniaturen, stehen für Schumanns verschiedene Persönlichkeiten. Sie machte für das Publikum Schumans Melancholie spürbar, aber auch seine unbändige Lebensfreude.

Ein Zeugnis von Gärtners Kunstfertigkeit war auch "Paganini", die musikalische Würdigung des Teufelsgeigers. Gärtners Spiel ist geprägt von einer Mühelosigkeit, aber auch von einer großen Direktheit. Als "größten Komponisten Skandinaviens seiner Zeit" stellte Gärtner Carl Nielsen vor, dessen "Sechs lustige Bagatellen" ihren Weg in ihr Programm gefunden haben. Sie beschreibt das Stück selbst als "Kinderzimmer, in dem das Spielzeug in Bewegung gerät". In Bewegung gerät auch ihr Spiel bei diesem Stück. Es ist geprägt von einem imponierenden Variantenreichtum. Ihr Konzert eröffnete Gärtner mit dem "Suite II" in F-Dur von Georg Friedrich Händel. Die Suite, die für die Pianistin eine Sonate ist, passt gut in das große Thema des etwa anderthalb stündigen Konzerts. Gärtner zelebriert auch hier die Heiterkeit, ohne sich jemals der Beliebigkeit preiszugeben.