Erstaunen, Erschrecken und Unverständnis über Rechtsextremismus ruft der Vortrag von Ellen Esen hervor. Fotos: Holzer-Rohrer Foto: Schwarzwälder-Bote

Eröffnung: Politikwissenschaftlerin Ellen Esen referiert darüber, wie Rechtsextremismus bekämpft und die Demokratie gestärkt wird

"Alltagsrassismus geht uns alle an", so die Karlsruher Politikwissenschaftlerin Ellen Esen, die an den Beruflichen Schulen Oberndorf über Facetten des Rechtsextremismus referierte.

Oberndorf. Esen arbeitet als Referentin und Autorin in der Friedrich-Ebert-Stiftung. So kam sie nach Oberndorf, um die Ausstellung "Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen" zu eröffnen. Die Initiative ging von Gemeinschaftskundelehrerin Ulrike Schmidt aus. Sie wollte mit dem Projekt eine Vertiefung des Unterrichtsinhalts erreichen, mehr noch die Erziehung zur Übernahme von Verantwortung, für die "Freiheit des Menschen" einzustehen. Die Exposition, bestehend aus 15 Ausstellungstafeln, leistet Aufklärungsarbeit über die Entwicklung der rechten Szene, die ideologischen Grundlagen, über Einflüsse, Auswirkungen, Zielsetzungen; sie sensibilisiert zum genauen Hinsehen und fordert zum ganz persönlichen Handeln auf.

Bislang haben rund 100 Schulen in Baden-Württemberg die Ausstellung ausgeliehen, da die Schulen doch die Hauptkeimzelle bilden für das Erlernen von Demokratie, dem wirksamsten Gegenmittel gegen Rechtsextremismus, wie die FES (Friedrich-Ebert-Stiftung) meint. Einhergehend mit dem Ausleihen der Schautafeln ist die Interaktivität. Ulrike Schmidt entschied sich für den zweitägigen Workshop mit einem Teamer der FES. 20 Schüler ließen sich zu Guides ausbilden, zwei Drittel der Klasse. Sie werden bis zum 5. Mai angemeldete Gruppen und interessierte Einzelpersonen durch die Ausstellung führen.

Klischees sind überholt

"Demokratie ist ein wertvolles Gut, das wir weitertragen müssen" – so die Schulleiterin Susanne Galla. Wichtig sei das vor allem in einer Zeit, "in der so viele politische Strömungen aufeinandertreffen und die Welt verändern". Ohne Engagement bringe die Ausstellung aber nichts. Anja Dargatz, Leiterin des Fritz-Erler-Forums, rief dazu auf, an den Grundlagen eines menschenverträglichen Miteinanders zu arbeiten.

Esen klärte nicht nur mit Daten, Bildern, Recherchen und Deutungen auf. Sie steckt seit nunmehr 25 Jahren tief in der Materie und kennt Menschen der rechten Szene ganz persönlich. Am zehnten Jahrestag des Mordfalls Kiesewetter stieg Esen mit einer rechtsextrem motivierter Gewalttat ein. An Beate Zschäpe und deren Umfeld machte sie deutlich, dass kein Weg auszumachen sei, der zwangsläufig in dieses Gesinnungsmilieu führe. Es seien keine "Bildungsverlierer".

Auch spreche die rechtsextremistische Bewegung nicht nur junge Menschen an. Man finde alle Altersstufen, alle Bildungsschichten und eine hohe Anzahl an Studenten vertreten. Vom Skinhead über die Punks bis zum Nipster (Nazi-Hipster) sei die Szene moderner geworden, die Klischees seien überholt. Diese neue Unauffälligkeit biete dem Rechtsextremismus mehr Aktionsraum und erschwere die Erkenntnis, mit wem man es zu tun habe. So werden Berufe angestrebt – speziell im erzieherischen Bereich – welche die Möglichkeit der Instrumentalisierung der Schutzbefohlenen eröffnen.

Rechtsextremes Denken sei bei rund 20 Prozent der gesamten Bevölkerung anzutreffen, Islamfeindlichkeit bei 50 bis 70 Prozent. "Doch eine bestimme Einstellung äußert sich nicht notwendigerweise im Verhalten" – so die Referentin, die auch auf Wahlergebnisse verwies.

In der AfD jedoch hätten viele Menschen tatsächlich eine Alternative gefunden, ihr Kreuz zu machen. Die konkrete Einordnung dieser Partei in das Gefüge von rechtsradikal, rechtspopulistisch und rechtsextrem sei strittig. Allen drei Richtungen liege jedoch im Denken und Handeln die "Deutsche Volksgemeinschaft" zugrunde, was sich in folgenden Feindbildern dokumentiere: Lehrer, Andersdenkende, Behinderte, Menschen mit Migrationshintergrund, Schwule, Lesben, sozial Schwache, Obdachlose, die Presse und Karrierefrauen.

Parolen werden zu Taten

Die Finanzierbarkeit über Webshops mit einer Unzahl an Produktkategorien – allesamt mit versteckter, doch eindeutiger Botschaft – kam ebenso zur Sprache wie die Mechanismen, den "Hass ohne Grenzen" auszuleben. Was nicht ins Schema passt, werde als "Lügenpresse" abgetan, gezielte Fake-News sorgen für aufgeheizte Stimmung und Parolen werden zu Taten.

Modern, aktuell, fetzig – so gelinge "Menschenverachtung mit Unterhaltungswert". Eine rechte Koch-Show im Fernsehen und musikalische Szene-Stars, pfiffig die Werbung, die durch die Entwicklung einer eigenen Sprache knapp unter die Schwelle des Verbots fällt – so das funktionierende Konzept.

Wer für eine liberale Gesellschaft und friedliche Koexistenz eintrete, der mache sich schuldig, die Rassenreinheit zu vernichten. Eindringlich mahnte Esen, das gefährliche Gedankengut abzulehnen, Personen mit einer "rechten Gesinnung" aber ernst zu nehmen und sie als Mensch zu respektieren.

Weitere Informationen: Die Ausstellung ist bis einschließlich 5. Mai an den Unterrichtstagen von 7.35 bis 16 Uhr für alle geöffnet.