Nach Treffen mit Rüdiger Grube: Sorgen um Fortschritt bei der Rheintalstrecke / Eidgenossen denken bereits über Alternativen nach

Von Ralf Deckert und Mark Alexander

Berlin/Freiburg. Die Schweiz drückt beim Ausbau der Rheintalbahn in Südbaden auf die Tube: Nach einem Treffen mit Bahnchef Rüdiger Grube in Berlin sorgen sich Schweizer Politiker, dass Deutschland den Vertrag von Lugano von 1996 nicht einhalten kann.

Peter Füglistaler, Direktor des schweizerischen Bundesamtes für Verkehr, und der Schweizer Bahnchef Andreas Meyer hatten sich am Mittwoch mit Grube und Klaus-Dieter Scheurle vom Bundesverkehrsministerium getroffen. Die Deutschen hätten keine konkreten Zusagen machen können, ob der Ausbau der Rheintalbahn wie in dem Vertrag vereinbart "im Gleichschritt" mit der Schweiz realisiert werden könne. Gleichzeitig sei klar, dass die Schweiz ihre Streckenabschnitte der Nord-Süd-Transversale bis 2019 fertig habe. Der Durchstoß in der Oströhre am Gotthardtunnel erfolgte im vergangenen Oktober.

Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) durch die Schweiz soll den Eisenbahnverkehr in Nord-Süd- Richtung verbessern und dabei helfen, mehr Schwerverkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Sinn macht die NEAT aber nur, wenn auch auf deutscher Seite die viergleisig ausgebaute Rheintalbahn kommt. Laut einem Bericht der Neuen Zürcher Zeitung NZZ vom Donnerstag glaubt man auf schweizerischer Seite nicht mehr, dass die Deutschen ihre Gleise zwischen Offenburg und Basel noch rechtzeitig fertig bekommen. Derzeit gibt es rund 100 000 Einsprüche von Anwohnern der Strecke.

Nun soll ein bilateraler Lenkungsausschuss eingesetzt werden, der bis zum Sommer "Fassbares erarbeiten" soll. Klar ist laut NZZ jedenfalls, dass die Schweiz eine finanzielle Unterstützung Berlins für die Rheintalbahn ablehnt. Andreas Meyer sagte in der Schweizer Tagesschau, Grube und Scheurle hätten eine Lösung bis 2013 zugesichert. Bis dahin seien "alle Beschwerden abgearbeitet", hätten die deutschen Eisenbahner zugesichert. "Dieses Projekt ist eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste überhaupt für die Deutsche Bahn", so Grube im Schweizer Fernsehen. Die Finanzierung sei gesichert.

Doch daran bestehen auf deutscher Seite schon länger Zweifel, wie zum Beispiel Roland Diehl von der Bahnlärm-Bürgerintiative MUT im Markgräflerland betont: "Wo soll das Geld denn plötzlich herkommen, das da versprochen wird?" Dass die Schweiz nun den Druck auf Bund und Bahn erhöhe, sei von Vorteil für die Forderungen der Region nach mehr Lärmschutz, so Diehl: "Der Druck auf die Bahn wächst von allen Seiten, und wer so viel Druck verspürt, muss Kompromissbereitschaft zeigen."

In der Schweiz wird bereits über Alternativen nachgedacht: Es gebe Überlegungen, bis Basel Fracht auf Schiffe zu verlagern und erst dort wieder auf die Schiene zu setzen. Schweizer Parlamentarier hatten kürzlich damit gedroht, den Transitverkehr per Lkw in Basel zwangsweise auf die Bahn zu verladen, falls der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn nicht mit Eröffnung der Alpentransversale fertiggestellt sei.

Das Thema ist auch eine Steilvorlage für die Grünen. Die Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae aus Schramberg im Kreis Rottweil erneuerte am Donnerstag die Forderung, das Projekt Stuttgart 21 zu streichen: "Wenn die Rheintalbahn schneller fertig sein soll, dann muss man im Haushalt endlich klare Prioritäten setzen und die benötigten Gelder einstellen." Bis 2020 würden noch vier Milliarden Euro zur Finanzierung der Rheintalbahn fehlen. Das Projekt soll bis zu 5,7 Milliarden Euro teuer werden. Eine glaubhafte Finanzierung hätten Bund und Bahn aber bisher nicht zu bieten, kritisierte die Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Freiburg.