Schüler der Klasse 9b besuchen eine Gerichtsverhandlung in Rottweil
Oberndorf. Im Gericht. Kurz vor der Urteilsberatung. Die Mutter des Angeklagten stürzt in den Saal und teilt unter Tränen mit, dass sie unbedingt noch etwas zur Sache sagen müsse. Tumult. Sie bleibt "nach einundsechzig Ziffer zwo" als Angehörige unvereidig.
Dass solche Barbara-Salesch-Geschichten nicht der Realität entsprechen, konnte die 9b des Gymnasiums am Rosenberg (GAR) erfahren, als sie gemeinsam mit ihren Lehrern Rüdiger Christ und Anna-Lena Teufel eine Hauptverhandlung des Jugendschöffengerichts Rottweil besuchte. Verhandelt wurde ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Sozialprognose fließt in das Urteil mit ein
Was man sonst aus Fernsehen oder Zeitung kennt, sahen die Schüler im Zuge der Unterrichtseinheit "Recht" nun live.
Einen geständigen Angeklagten, Zeugenbefragungen und Beweisaufnahme, die Jugendgerichtshilfe, den Bewährungshelfer, einen glasklar argumentierenden Staatsanwalt, einen diesem zustimmenden Verteidiger sowie einen Richter, der mit seinen Schöffen sowohl die Tat, als auch die Person des Angeklagten, dessen familiär-persönlichen Hintergrund und eine Sozialprognose in eine Urteilsfindung miteinbezog, bei der – im Unterschied zum Erwachsenenstrafrecht – der Erziehungsgedanke an oberster Stelle steht.
Im Anschluss an die Verhandlung bot sich noch die Möglichkeit eines Gesprächs mit Richter, Staatsanwalt, Jugendgerichtshilfe und Bewährungshelfer. So konnte sich die Klasse ein umfassendes Bild davon machen, was Drogen neben eigentlichen Straftaten wie Besitz und Verkauf an Folgen nach sich ziehen können. Den Schülern bleibt der Eindruck eines Rechtssystems, das versucht, Jugendlichen eine Brücke zu bauen in ein deliktfreies und gutes Leben. Den Weg gehen müssen sie aber selbst, wie der Richter in seiner Urteilsbegründung treffend feststellte.