Kommunalpolitiker nutzen Regionalkonferenz der Landtags-Grünen in Oberndorf zur Konfrontation / Bildungspolitik bleibt umstritten

Von Armin Schulz

Oberndorf. Raus aus Stuttgart, hinein in den ländlichen Raum: Die Landtagsfraktion der Grünen hat in Oberndorf eine Regionalkonferenz abgehalten. Mit dabei war Minister Alexander Bonde. Und siehe da: Auch hier gibt es Proteste.

Es klappt. Hermann Maier nutzt die Chance und drückt Bonde den Brief in die Hand. Darin geigt der ebenso streitbare wie sture Landwirt aus Balingen-Ostdorf (Zollernalbkreis) dem genauso streitbaren und sturen Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Meinung.

Beide Männer tragen seit längerer Zeit einen Konflikt untereinander aus. Es geht um Ohrmarken zur Kennzeichnung von Nutztieren. Maier lehnt es ab, seinen Rindern die Marken in die Ohren einzustanzen. Das sei sehr schmerzhaft und führe zu einem gestörten Vertrauensverhältnis der Tiere zur Betreuungsperson, sagt der Landwirt. Maier setzt den Tieren daher Chips ein.

Die beiden Männer treffen diese Woche in der grün illuminierten ehemaligen Augustiner-Klosterkirche in Oberndorf (Kreis Rottweil) aufeinander. Die Landtagsfraktion der Grünen hält eine Regionalkonferenz ab. Neben Minister Bonde sind die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sandra Boser und Gisela Splett, Staatssekretärin im Verkehrsministerium, da. Sie wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen, darüber reden, was den Leuten im ländlichen Raum unter den Nägeln brennt. Das Motto des Abends: "Im Grünen daheim".

Freilich nutzen sie den Abend, um Werbung in eigener Sache zu machen. Credo: Die Grünen, die seit drei Jahren erstmals den Ministerpräsidenten stellen und in Regierungsverantwortung stehen, hätten einiges zum Guten bewegt. Bonde verweist auf die Erhöhung der EU-Zuschüsse für den baden-württembergischen Agrarmarkt bei insgesamt rückgängigen Fördermitteln, Boser auf die Entwicklung in der Bildungspolitik und die Investitionen in die Kinderbetreuung, rund 300 Millionen Euro.

Dass die Grünen überhaupt in Oberndorf Station machen und sich dabei auch noch sichtlich wohl fühlen, ist bemerkenswert. In ihren Anfangsjahren, als die Partei rigoros pazifistische Ziele verfolgte, wäre der Besuch in der Stadt am Neckar, in der viele Arbeitsplätze an der Wehrtechnik hängen, so wohl nicht vorstellbar gewesen. Der Hausherr, Bürgermeister Hermann Acker, geht mit diesem Thema offensiv um. Die Unternehmen Heckler&Koch sowie Rheinmetall seien verantwortungsbewusste und zuverlässige Arbeitgeber. Man verwahre sich gegen regelmäßige Angriffe. Man habe, so Acker, kein Verständnis für die Bundespolitik, die Arbeitsplätze hier in Deutschland in Gefahr bringe und mit ansehe, wie Bundeswehr und NATO-Verbände mit Waffen aus anderen Ländern ausgerüstet würden.

In Abwehrhaltung befindet sich auch die Kreisjägerschaft an diesem Abend. Ludwig Schrägle und Markus Götze nehmen den Minister in der Vorhalle in Empfang und überreichen einen sogenannten Bruch. Symbolhaft fragen sie: "Bricht die Landesregierung mit den Jägern?"

Das Land wird ein neues Jagdgesetz verabschieden. Die Jäger sehen dadurch die Jagd im Land in Gefahr. Doch Bonde macht Schrägle und Götze deutlich, wie er über ihre Einwände denkt: Jetzt habe man genug miteinander geschwätzt. Jetzt sei auch mal der Tierschutz dran, jetzt entscheide eben der Landtag. Immerhin nimmt sich der Minister für die Jäger ein paar Minuten Zeit, dann geht er hinein in die frühere Kloster-kirche.

Nach den Begrüßungsworten verteilen sich die 60 Gäste an runden Tischen. Dort sprechen die Landespolitiker über unterschiedliche Themen wie Mobilität und Verkehr, Soziales und Flüchtlinge, Umwelt und Energie oder eben auch Bildungspolitik.

Dabei machen die Grünen die Erfahrung, dass man zu unterschiedlichen Bewertungen in der Bildungspolitik kommen kann. Der Oberndorfer Bürgermeister beispielsweise bemängelt, dass die Landesregierung ein Konzept – die Gemeinschaftsschule – auf den Weg bringt, ohne ihren Landesbeamten – den Lehrern – die Order zu geben, dass sie dieses auch umzusetzen hätten. In Oberndorf, so Acker, habe sich das Personal geweigert, die vom Gemeinderat angestrebte Gemeinschaftsschule anzugehen.

Wie sehr sich vor allem kleinere Gemeinden von der Landespolitik im Stich gelassen fühlen, äußert der Bürgermeister von Aichhalden, Ekhard Sekinger. Seine Kommune sei in Vorleistung gegangen und fühle sich von den Vorschriften im Bereich der Ganztagsschule gegängelt. Das bedeute den schleichenden Tod dieser Schulen, sagt er.

Die Begegnung zwischen Bonde und Maier übrigens geht glimpflich aus.