Veranstaltungsreihe: Karl Kimmich und Andreas Kussmann-Hochhalter referieren über die Rolle der beiden Konfessionen

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "1517 – 2017" sprachen Karl Kimmich und Andreas Kussmann-Hochhalter im voll besetzten Vortragssaal des Schwedenbaus über "Oberndorfs Kirchen unter dem Nationalsozialismus".

Oberndorf. Karl Kimmich ist stellvertretender Vorsitzender des Geschichts- und Kulturvereins Herrenzimmern und ein ausgewiesener Kenner der Geschichte der Herren von Zimmern und der Regionalgeschichte. Andreas Kussmann-Hochhalter leitet das städtische Archiv Oberndorfs und zeichnet verantwortlich für das Heimat- und Waffenmuseum der Stadt.

In seiner Einleitung ging Andreas Kussmann-Hochhalter auf Grundsätzliches der nationalsozialistischen Kirchenpolitik ein. Er stellte schon anfangs klar: "Eine christlich fundierte Partei war die NSDAP nicht." Eine Macht, die den Menschen ganzheitlich fordere, könne keine andere neben sich dulden, auch wenn es am "Tag vor Potsdam", dem 21. März 1933, hieß, die beiden christlichen Konfessionen seien "die wichtigsten Faktoren zur Erhaltung unseres Volkstums".

Diese anfängliche Umschmeichelung und "Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat" im Parteiprogramm von 1930 waren allerdings in einem kaum wichtig genommenen Nebensatz an das Sittlichkeits- und Moralgefühl der "germanischen Rasse" gekoppelt. Schon die Tatsache, dass das Christentum aus dem Judentum erwachsen war, stellte eine Unvereinbarkeit dar.

Die Strategie des Nationalsozialismus war zwiegespalten: gegenüber dem Katholizismus ein Angriff von außen. Eine Aushöhlung von innen und die "Gleichschaltung" sollte den evangelischen Glauben eliminieren. Hier, so Kussmann-Hochhalter, wurde die "Glaubensbewegung Deutscher Christen" der Wegbereiter zu einer Reichskirche ins Leben gerufen. Der "Pfarrernotbund", der zu einer Wurzel der Bekennenden Kirche wurde, war die evangelische Antwort.

Zwei Beispiele

Karl Kimmich machte seinen Beitrag über die Situation der katholischen Kirche in Oberndorf während der Zeit des NS vor allem an zwei Beispielen fest: Der 1880 geborene Pfarrer Josef Müller kam 1928 nach Oberndorf. In seine Amtszeit fällt 1036 die Ablösung der in Oberndorf sehr beliebten Schwestern aus Untermarchtal durch die "braunen Schwestern" der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt.

Der Oberndorfer Bürgermeister Paul Fritz (1933 bis 1944) verzögerte zwar den Schwesternwechsel, aber verhindern konnte er ihn nicht. Auch 1457 Unterschriften für den Verbleib der Schwestern haben nichts genützt.

Die Wirren um Bischof Joannes Baptist Sproll entzündeten sich 1938 an der Abstimmung darüber, ob die Volksgenossen mit der am 13. März vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit Deutschland einverstanden seien und ob sie für die Liste des Führers stimmen würden. Bischof Sproll verweigerte, das Kreuz zu machen. Schmähungen, Beleidigungen, tätliche Angriffe auf das Haus und ihn selbst waren die Folgen. Der Bischof verließ Rottenburg und suchte Zuflucht in Heiligenbronn, das zum Oberamt Oberndorf gehörte.

Nach der Pause fasste Andreas Kussmann-Hochhalter die Geschichte der evangelischen Gemeinde Oberndorfs während der NS-Zeit zusammen. Der damalige evangelische Stadtpfarrer Christian Fürchtegott Straub bat im Dezember 1933 um Versetzung. Noch im November hielt er anlässlich des 450. Geburtstages von Martin Luther einen Vortrag "Luther und Hitler", in dem er Hitler in jeder Hinsicht Luther gleichwertig an die Seite stellte.

Der Nachfolger war Eugen Knebel, der 1934 sein Amt angetreten hat und zunächst den "Deutschen Christen" nahe stand, aber "seinen Irrtum" schon bald einsah. Vikar Walcher, welcher vor allem in Boll tätig war, bezog im Kirchenkampf eindeutig Position gegen die nationalsozialistische Kirchenpolitik. Knapp entging Walcher einer Verhaftung, wurde aber strafversetzt.

Pfarrer Knebel verweigerte das Treuegelöbnis auf den Führer und durfte an öffentlichen Schulen keinen Religionsunterricht mehr halten. Fast klingt Verzweiflung aus seiner Analyse des Oberndorfer Gemeindelebens: "In dieser geistigen Atmosphäre ist jeder Gottesdienstbesuch ein Bekenntnis. Viele bringen den Mut zu diesem Bekenntnis nicht mehr auf." Im Dezember 1938 wechselt Eugen Knebel in eine kleine oberschwäbische Gemeinde. Sein Nachfolger wird im Dezember 1939 Theodor Vöhringer. Die Not des Krieges brachte für den evangelischen Pfarrer in Oberndorf auch neue Möglichkeiten. An zusätzlichen Gottesdiensten wurden Gedenkfeiern für die Gefallenen eingeführt.

Die Betreuung "Fremdvölkischer", die in Oberndorf durch die große Zahl Zwangsarbeiter sehr wichtig war, zeigte verbindende Aspekte: Evangelische und katholische Geistliche unterstützen sich in ihrer Arbeit so gut sie konnten.

Einem Keulenschlag gleich muss es Pfarrer Theodor Vöhringer vorgekommen sein, als er von einer "neuen frevelartigen Aktion des NS-Regimes" erfahren musste – der Euthanasie. Er war unmittelbar betroffen, denn die Familie eines Kirchengemeinderatsmitgliedes bat ihn um eine möglichst unauffällige Urnenbeisetzung; "eine plötzliche Krankheit" habe den Tod des behinderten Sohnes herbeigeführt.

Unendliches Leid

Als der Schrecken des NS vorüber war, bekannte der Rat der neugegründeten Evangelischen Kirche in Deutschland 1945 in Stuttgart: "Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden."

Pfarrer Vöhringer hat im Oktober 1947 selbstkritisch Rückschau gehalten. Seine Worte können sicher auch für die katholische Gemeinde stehen: "Was konnte der einzelne dabei tun, wenn er davon erfuhr? Und das kann nun auch niemand – mindestens wenn er im öffentlichen Leben stand – leugnen, dass er irgendwann davon erfuhr und zu einem Mitschuldigen wurde."