Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) weiß, bei wem er sich zu bedanken hat: Bei Aktionen wird das Engagement der Ehrenamtlichen hervorgehoben. Sie fallen (noch) nicht unter den Mindestlohn. Foto: Baumann

Brisant: Gesetz bringt einige Sportvereine in Bedrängnis und macht sie erpressbar. Sind Fußballer Ehrenamtliche?

Oberndorf - Über den Sportvereinen der Nation hängt seit Jahresbeginn ein Damoklesschwert namens "Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns". Denn es enthält mehrere Regelungen, die für die Vereine zur Belastung werden können, oder die so uneindeutig formuliert sind, dass keiner weiß, ob er betroffen ist oder nicht.

"Die Vereine sind noch nicht so richtig sensibilisiert für das Thema", sagt Dieter Meier, langjähriger Vorsitzender beim TV Rheinfelden und seit zehn Jahren Vorsitzender des Markgräfler Hochrhein-Turngaus (MHTG). Und damit liegt er richtig. Zwar sei sein 1000 Mitglieder starker Verein eigentlich nicht betroffen, aber die Zukunft müsse zeigen, was da komme.

Zwei Seiten hat die Mindestlohn-Medaille im Sport. Die eine ist der Verwaltungsaufwand. Die andere ist das Geld. Und da haben Vereine mit den immer beliebteren 250-Euro-Verträgen – zum Beispiel in der dritten Handball-Liga oder in den Fußballligen 3 bis 6 (Verbandsliga) – Probleme. Zwar gilt prinzipiell eine Ausnahmeregel. Die ist aber an "Ehrenamtlichkeit" gebunden, die in einem Protokoll zum Gesetzestext schwammig definiert wurde als "Tätigkeiten mit Vergütungen ohne Gewinnstreben". Dabei geht es um die Frage: "Steht ehrenamtliches Engagement oder Gewinnerzielung im Mittelpunkt?"

"Gesetz passt von der Grundidee her für den Sport überhaupt nicht"

Wenn nun ein Fußballspieler in der Verbandsliga den Verein wechselt, weil er bei seinem neuen Klub 250 Euro erhält – ist das dann noch mit dem Ehrenamtsbegriff zu fassen? "Wir wünschen uns mehr Klarheit", fordert Rolf Knorr, Vorstand Aktive und Spielbetrieb des württembergischen Verbandsliga-Tabellenführers FSV Bissingen. In seinem Team haben einige Spieler 250-Euro-Verträge. Würden die als "Gewinnstreben" gewertet, wäre das Ende der Fahnenstange schnell erreicht. Bei 8,50 Euro pro Stunde hieße das: 29 Arbeitsstunden im Monat. Zur Arbeitszeit zählen dabei auch Fahrten zu Auswärtsspielen, Training, Freundschafts-Matches.

Mit drei Trainingseinheiten in der Woche und einem Spiel am Wochenende kommen die meisten Spieler locker auf das dreifache Pensum. "Wir müssen das alles mal durchrechnen", sagt Ewald Matejka vom Fußball-Regionalligisten SV Heimstetten. Der Ausnahmetatbestand zum Thema Ehrenamt, den die CDU in den Ausschussbericht hat aufnehmen lassen, verkompliziert die ganze Sache überdies. Er definiert, dass Tätigkeiten, die dem Allgemeinwohl dienen, nicht angetastet werden. Beim Platzwart oder dem Übungsleiter, der im Hauptberuf als Lehrer arbeitet, ist das noch verständlich. "Sind aber Fußballer Ehrenamtliche?", fragt sich nicht nur Matejka.

"Das Mindestlohngesetz passt von der Grundidee her für den Sport überhaupt nicht", sagt Dietmar Foth, der als Vorsitzender des HBW Balingen-Weilstetten e.V. auch für die Drittliga-Handballer verantwortlich ist. Viele Akteure haben Verträge, die zwischen 201 und 450 Euro dotiert sind. "Aber das ist ja kein Arbeitslohn, eher eine Aufwandsentschädigung", definiert Foth, der natürlich für seine Akteure die Arbeitsstunden zählt. "Aber die ›Arbeitszeit‹ entsprechend zu begrenzen, ist ein Problem", gibt er zu. Prinzipiell hätten die Vereine nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie erhöhten das Entgeld ein wenig, oder sie schrieben Arbeitszeiten fest. Beides ist wenig praktikabel. Soll etwa ein Handballtorwart in der 45. Minute aus der Halle gehen, weil seine Arbeitszeit ausgeschöpft ist? "Es gibt einfach keine konkrete Linie", kritisiert Foth – und sieht sich dabei in einer Linie mit Bernd Jetter, dem Spieleiter des Fußball-Oberligisten TSG Balingen. Seine Kicker seien zwar allesamt Mini-Jobber, und die Arbeitsstunden würden seit jeher dokumentiert, "aber wir hoffen schon, dass der DFB möglichst schnell Einigkeit über die Anwendung des Gesetzes erzielt".

Doch danach sieht es nicht aus. Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) weiß man nämlich sehr genau, dass die Regelung nicht eindeutig ist, Forderungen nach einer trennschärferen Formulierung seien aber eventuell kontraproduktiv. "Die Oppositionsparteien kritisieren das Gesetz, weil es ihnen nicht weit genug geht. Insofern war es das Ziel der Gespräche von DOSB und DFB, für die Vereine und das Ehrenamt zumindest Gestaltungsspielräume zu schaffen, um sachfremde Konsequenzen zu vermeiden", drückt es DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel aus, der als CDU-Bundestagsmitglied selbst am neuen Gesetz mitgewirkt hat. In Kauf nimmt der Gesetzgeber damit, dass Arbeitsrichter "in jedem konkreten Einzelfall zu entscheiden haben, ob von einem ›ehrenamtlich Tätigen‹ auszugehen ist", gibt Grindel zu.

Die Vertragsspielergewerkschaft VDV steht jedenfalls schon Gewehr bei Fuß. "Die Spieler sollten jeden Tag schriftliche Arbeitsaufzeichnungen machen", rät VDV-Justitiar Frank Rybak. Selbst in den Kreisligen gibt es Kicker, die ein Arbeitspapier unterschrieben haben und gegen Bezahlung ihr Hobby ausüben. "Für sie gilt der Mindestlohn", sagt Ulf Baranowsky, der VDV-Geschäftsführer. Einem Verein, der dann nicht den Mindestlohn zahlt, droht eine Klage des Spielers. Angesichts des Strafrahmens mit Geldbußen mit bis zu 500.000 Euro könnte der ein oder andere Verein auch erpressbar werden.

"Das Gesetz trifft uns mit voller Härte", sagt Geschäftsführer Daniel Mey vom Volleyball-Bundesligisten TV Rottenburg. Ein Viertel der Verträge mussten beim TVR angepasst werden, betroffen ist vor allem die Jugend. "Da geht es um deutsche Talente, denen wir neben ihrem Studium durch professionelles Training und regelmäßige Spielanteile eine gute Perspektive bieten wollen." Sollte das Gesetz in der jetzigen Form bestehen bleiben, wäre der finanzielle Rahmen für die Bezahlung solcher Talente in den nächsten Jahren sehr eingeschränkt. "Wo sollen die Nationalspieler denn herkommen?", fragt Mey.

Klubs in den unteren Ligen bisher vor hohen Lohnkosten geschützt

Der Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) hat deshalb eine Ausnahmeregelung für den Vereinssport gefordert. "Das Gesetz hat erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Bezahlung von Übungsleitern, Trainern und Mitarbeitern im Sport sowie auf den Vertragsamateurbereich", sagte LSV-Präsident Dieter Schmidt-Volkmar.

Viele Klubs sähen finanzielle Probleme auf sich zukommen. Zudem steige der Verwaltungsaufwand für die ehrenamtlich geführten Vereine und Verbände deutlich. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Mindestlohn kürzlich eine Erleichterung für Unternehmen in Aussicht gestellt habe, fordere der LSV dies auch für den gesamten organisierten Sport. Die Politik weise stets darauf hin, dass die Gesellschaft von der ehrenamtlich geführten Arbeit in Vereinen und Sportverbänden profitiere und das Land ohne sie ärmer wäre. "Mit dem Mindestlohngesetz wird jedoch die Grundlage dafür geschaffen, dass die Sportorganisation ärmer und die Politik in dieser Beziehung an Unglaubwürdigkeit reicher wird", erklärte der LSV-Chef.

"Es gab bisher keine Rückmeldungen seitens der Vereine. Aber wenn nach den Richtlinien gezahlt werden muss, wird das ein heißes Eisen", sagt Edgar Pakai, der Vorsitzende des Fußballbezirks Nördlicher Schwarzwald, und verweist auf den Landesverband. Dessen Pressesprecher Heiner Baumeister spricht davon, dass es "ein ganz großes Thema" sei. "Wir bekommen viele Anfragen. Das Thema ist aber recht einfach zu fassen, denn gerade in den unteren Ligen, also im Amateurbereich, arbeiten die meisten ehrenamtlich", und die Vereine seien so vor womöglichen explodierenden Lohnkosten geschützt. Baumeister räumt ein, dass es weiteren Gesprächsbedarf zwischen Sport und Politik, etwa dem DOSB und dem Bundestag, gäbe, der Ausgang bleibe abzuwarten.

Beim Fußball-Oberligisten FC 08 Villingen hat man die Entwicklung zuletzt genau verfolgt. "Für uns Vereine ist dies alles kaum zu fassen, denn es gibt in Sachen Mindestlohn noch keine genauen Vorschriften", so Vorstandsmitglied und Cheftrainer Martin Braun. "Im Fall der Vertragsamateure, die wir ja auch in unseren Reihen haben, muss die jetzige Bezahlung wohl genau in sogenannte Arbeitsstunden aufgeschlüsselt werden. Es könnte noch für viele Vereine recht kompliziert werden", befürchtet Braun.

Den Spagat zwischen Trainerberuf und gleichzeitigem Ehrenamt versucht der ASV Horb zu bewerkstelligen. "Wir bezahlen schon mehr als der Mindestlohn vorschreibt", deswegen tangiere den Verein das Thema gar nicht, sagt die Vorsitzende Manuela Schittenhelm. Das Problem dabei: Besser bezahlte Trainer schlagen auf die Mitgliedsbeiträge durch, "und genau die Mitglieder wollen wir halten".

"Ein Mehraufwand sind die jetzt geforderten Stundenzettel schon"

Den frisch in die Verbandsliga aufgestiegenen Tischtennis-Verein TTC Mühringen ficht der Mindestlohn nicht an. "Alle lizenzierten Trainer arbeiten ehrenamtlich", versichert dessen Vorsitzender Jan Schmidt. Und Spieler wie beispielsweise Mühringens Aushängeschild Norbert Kallai würden nicht vom Verein bezahlt. Schmidt macht allerdings auf den Mangel an Profitrainern im Bezirk aufmerksam. "Im kompletten Spielbezirk gibt es nur einen Berufstrainer, daran fehlt es uns." Die Mindestlohn-Regelung macht diese Situation nicht einfacher.

Eine nicht zu unterschätzende Folge des neuen Gesetzes ist die Dokumentationspflicht, die auf den Arbeitgeber, also den Verein, zukommt. Jede Stunde und jede Tätigkeit muss haargenau aufgeschrieben und nachvollziehbar gemacht werden. Das betrifft auch die ehrenamtlich Tätigen.

"Richtige Probleme haben wir nicht, aber ein Mehraufwand sind die jetzt geforderten Stundenzettel schon", sagt Harald Türk, erster Vorsitzender des TSV Freudenstadt. Die meisten der im Verein tätigen Trainer werden über die Übungsleiter-Pauschale vergütet und seien daher nicht versicherungspflichtig, dürfen die entsprechende Stundenanzahl aber nicht überschreiten.

Auch Claus Haberecht, den Präsidenten des Fußball-Oberligisten Kehler FV, stört der Verwaltungs-Aufwand. "Denn gegebenenfalls müssen alle Akteure genau nachweisen, wann sie wie lange für uns gearbeitet haben. Und wir müssen prüfen, ob das stimmt. Mit dem Gesetz hat die Politik nicht alle Folgen berücksichtigt. Es ist gut gemeint, aber eben nicht zu Ende gedacht. Gerade das Ehrenamt wird gegängelt. Die politischen Entscheider hätten die Betroffenen frühzeitig einbinden sollen."

"Es ist hingepfuscht worden und bedroht die Existenz vieler Vereine massiv", sagt Holger Stenger, Sprecher des Vorstands beim Fußball-Bayernligisten Viktoria Aschaffenburg, "je mehr wir uns mit diesem Thema beschäftigen, desto undurchsichtiger und weniger verständlich wird es." Mit dieser Meinung steht Stenger nicht allein.

Info: Mindestlohn in Sportvereinen

Bekommt ein Jugendleiter als Minijobber 450 Euro, kann er infolge des Mindestlohngesetzes maximal 52,9 Stunden pro Monat arbeiten. Wenn er aber viel trainiert und dann noch das eine oder andere Turnier hat, könnte schnell mehr Arbeitszeit anfallen. Nun gibt es auch eine steuerbefreite Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschale, doch gelten auch hier Grenzen. Diskutiert wird, diese zu lockern.