Um rechtswidrige Abhebungen vom Konto des Freundes geht es vor dem Oberndorfer Amtsgericht. Foto: dpa

Alkoholkrank oder verwirrt? Betrugsverfahren wird wegen schwammiger Aussagen eingestellt.

Oberndorf - Zwei Freunde mit Alkoholproblem, ein vermeintlicher Betrugsfall und eine hanebüchene Erklärung nach der anderen – was sich Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer kürzlich vor Gericht bot, war das Paradebeispiel für gescheiterte Existenzen.

Verwirrung als Folge von jahrelangem Alkoholkonsum, psychische Einschränkung oder Groll gegen den Freund? Ein 58-jähriger Oberndorfer hatte seinen 40-jährigen Saufkumpanen beschuldigt, mit der EC-Karte mehrmalig Geld abgehoben, es ihm aber nicht ausgehändigt zu haben. Die Karte habe er ihm samt PIN gegeben, als er nach einer Operation das Haus nicht verlassen konnte.

Insgesamt rund 2700 Euro soll der 40-Jährige bei 16 Handlungen abgehoben und sich damit einen "rechtswidrigen Vermögensvorteil" verschafft haben. Zudem habe er die Karte des Freundes einbehalten. Als er schließlich im Juni 2017 noch einmal Geld abheben wollte, war die Karte eingezogen worden, so die Staatsanwältin bei der Verlesung der Anklageschrift.

Dem widersprach der Angeklagte nicht, wohl aber der Anklage, der Geschädigte habe von dem Geld nichts gesehen. "Damit habe ich Essen und Trinken gekauft, von dem er auch profitiert hat", sagte der 40-Jährige vor Gericht. Zudem habe er die Karte immer wieder zurückgegeben.

Ein Anruf überführt den Täter

Überführt wurde der Angeklagte durch eine Handyaufladung vom Konto des Geschädigten aus. "Als wir dort angerufen haben, ging der Angeklagte dran", berichtete der zuständige Polizeibeamte vor Gericht. Er bestätigte auch, dass der 40-Jährige zur Vernehmung betrunken erschienen sei. "Er hatte ›Standgas‹, wie man so schön sagt. Aber ich kenne ihn nicht anders als betrunken", schilderte der Polizist den Zustand des sozial schwachen Oberndorfers.

Dass dieser ein Alkoholproblem hat, bestätigte sich folglich recht schnell. Letztlich gab er zu, täglich "ein paar Bier" zu konsumieren sowie rund 1,5 Liter Wein – das alles aber häufig mit dem Geschädigten zusammen. Alkohol habe er von dessen Geld aber nicht erworben, betonte der Angeklagte vehement. "Der ist ohnehin durcheinander und jeden Tag besoffen. Ich kann auch mal drei Wochen ohne Alkohol", beteuerte der 40-Jährige.

Hartz-IV-Empfänger hat zwei Wohnungen

Interessant wurde es, als es um die Einkommensverhältnisse des Angeklagten ging. So erhalte dieser rund 400 Euro Hartz IV sowie eine vom Sozialamt bezahlte Wohnung. Bei der Befragung stellte sich jedoch heraus, dass er wohl noch eine Wohnung für rund 200 Euro im Haus seines Freundes, dem 58-Jährigen, angemietet hatte, um im Nachbarort die Nächte nach dem Suff verbringen zu können. "Wenn das Sozialamt nicht von der zweiten Wohnung weiß, wird das zu einem neuen Betrugsverfahren führen", kündigte Richter Heuer dem Angeklagten an, der sich wenig gerührt zeigte.

Es war schon ein merkwürdiges Szenario, das sich vor Gericht bot. Noch seltsamer wurde es bei der Befragung des Geschädigten, der die Anzeige überraschend zurückzog. Zwar glaube er immer noch, dass sein Freund ihm Geld vorenthalten habe, doch sie seien seit 15 Jahren befreundet, "und das Geld kriege ich eh nicht wieder", sagte der 58-jährige Oberndorfer.

Anders als der Polizei geschildert, sagte er auch aus, er habe teilweise doch Geldbeträge vom Angeklagten erhalten, wenn auch nicht alles. Befreundet seien sie immer noch, hätten erst vor zwei Tagen Kaffee getrunken, hieß es außerdem. Der Geschädigte machte insgesamt einen verwirrten Eindruck und verstrickte sich teils in widersprüchliche Aussagen.

Angesichts der schwammigen Angaben schlug Richter Heuer vor, das Verfahren einzustellen. Zwar war der Angeklagte schon mehrmals aktenkundig geworden, unter anderem durch eine Vergewaltigung und Eigentumsdelikte, jedoch gebe es "keine Basis für ein Urteil in diesem Fall", sagte Heuer.

Auch die Anordnung einer Therapie halte er nicht für sinnvoll, meinte Heuer. Man habe es mit einer "menschlichen Tragödie" und "gebremstem intellektuellen Leistungsvermögen" zu tun. Geprüft werde aber trotzdem die Tatsache, dass der Angeklagte offensichtlich zwei Wohnungen habe.