In dieser Gewerbehalle in Hochmössingen sollen Flüchtlinge untergebracht werden. Nun will sich eine Genossenschaft gründen, die das Gebäude kaufen und anders nutzen möchte. Von der Versammlung selbst gibt es kein Foto. Die Initiatoren der Zusammenkunft untersagten der Vertreterin der Presse, Bilder zu machen. Foto: Danner

Flüchtlinge: Geplante Genossenschaftsgründung wird zum inoffiziellen Bürgertreff. Verärgert über Stadt. Mit Kommentar

Oberndorf-Hochmössingen - Es sollte eine Zusammenkunft werden, um die Gründung einer Genossenschaft zum Kauf des Gebäudes "Am Wald 3" vorzubereiten. Eingeladen wurde mit anonymen Flugblättern. Das Treffen geriet zu einer Art inoffiziellen Bürgerversammlung.

Rund 100 Hochmössinger waren der Einladung gefolgt. Vor der Gewerbehalle der Firma Wolff hatten sie sich versammelt. Diese soll an einen Investor verkauft werden, der plant, sie zur Unterbringung von rund 60 Flüchtlingen an den Landkreis zu vermieten. Und auch wenn die Wortführer Angelko Sekutor und Tobias Söll betonten, man wolle die Halle kaufen, um im Dorf eine Möglichkeit für Vereine und Privatpersonen zu haben, um Veranstaltungen abhalten zu können, dauerte es nicht lange, bis einer der Zuhörer aus der Menge rief: "Wir wissen doch alle, warum wir heute hier sind." Neben den Anliegern der Gewerbehalle stand auch Ortsvorsteher Thomas Hartmann mit auf der Rampe vor der Halle.

Man wolle heute herausfinden, ob Interesse an der Gründung einer Genossenschaft bestehe, so Sekutor. 250.000 Euro solle die Halle kosten. Der Besitzer wolle bis Ende April Bescheid haben. Man habe bereits Interessenten, die im unteren Bereich Abstellflächen mieten wollten. Kleiner Produktionsbetriebe hätten ebenfalls Interesse bekundet, einen Teil zu mieten. Der Rest solle zu einem Veranstaltungsraum ausgebaut werden.

Eine Lücke im Ort wolle man schließen. Zumal die Idee, die ehemalige Volksbank für Vereine umzubauen, nicht verwirklicht werden konnte, sagte der Ortsvorsteher. Auch dort sollen Flüchtlinge untergebracht werden. Die "Linde" falle ebenfalls als Veranstaltungsraum weg, warf Sekutor ein. Sie wird gleichfalls mit Asylbewerbern belegt. Nun habe man es in der Hand, die Halle selbst zu kaufen, oder sie einem Investor zu überlassen. Dann käme sie einer anderen Nutzung zu, die man "vielleicht nicht unbedingt will".

"Man muss doch das Kind beim Namen nennen", war von einem Besucher der Versammlung zu hören. Aber keiner wolle es aussprechen, denn dann werde man ja gleich dumm angeguckt, sagte er weiter. Natürlich bräuchten die Flüchtlinge einen Platz. Aber ob in Hochmössingen so viele einen Platz bräuchten das sei mal dahin gestellt.

Schnell entsponn sich unter den Anwesenden eine Diskussion darüber, warum die Verteilung der Asylbewerber auf die einzelnen Ortsteile so ungleich sei. Es sei doch ein Unterschied, ob man 50 oder 150 Menschen in einem Dorf integrieren müsse. Außerdem wurde moniert, dass sich niemand von der Stadtverwaltung blicken liesse. Diese habe man zu einer Besichtigung der Halle eingeladen. Jedoch sei ein bereits vereinbarter Termin wieder abgesagt worden, sagte Ortsvorsteher Hartmann. Von dort könne man nicht viel erwarten.

Unter den Besuchern war auch der SPD-Stadtrat Andreas Bronner. Er klärte die Menschen darüber auf, dass Verwaltung und Gemeinderat keinen Einfluss auf die Entscheidung des Landkreises hätten, welche Gebäude er zur Flüchtlingsunterbringung erwerbe. Dennoch, so wurde aus der Menge eingeworfen, seien die Leute verunsichert.

Teilnehmer wünschen sich mehr Transparenz

Sie wünschten sich mehr Transparenz und Informationen darüber, was auf die Bürgerschaft zukäme. "Es kann doch nicht sei, dass man alles hinnehmen muss." Dafür gab es Beifall. Die Anlieger, deren Häuser in direkter Nachbarschaft zur Gewerbehalle stehen, hätten von der geplanten Flüchtlingsunterbringung lediglich durch ein Schreiben erfahren, in dem ihnen die Nutzungsänderung des Nachbargebäudes mitgeteilt worden sei. Das sei eine systematische Unterdrückung des Bürgerwillens. Und die fange doch schon im Rathaus an – wieder gab’s Beifall.

Die Initiatoren wollen nun eine Gründungsversammlung für eine Genossenschaft einberufen. Sekutor: "Und dann mit Absender und Namen von denen, die euch einladen."

Kommentar: Nährboden

Von Marcella Danner

Asylpolitik spielt sich nicht nur in Brüssel oder Berlin ab. Sie muss in den betroffenen Dörfern beginnen. Wenn in Hochmössingen an die 120 Flüchtlinge untergebracht werden, entspricht das etwa einem Anteil von zehn Prozent der Bevölkerung. Das löst bei den Einwohnern Ängste, Unzufriedenheit und Wut aus. Die Anlieger der Gewerbehalle erfuhren davon durch ein Schreiben, in denen ihnen eine Nutzungsänderung des Nachbargebäudes angekündigt wurde. Sie fühlen sich von den Stadtoberen alleine gelassen. Der Versuch, die Verwaltung zu einem Gespräch zu bewegen, scheiterte. Es geht auch anders: Als in Glatt vor ein paar Monaten 30 Flüchtlinge in einer ehemaligen Pension einquartiert werden sollten, gab es im Dorf eine offizielle Bürgerversammlung. Denn auch, wenn die Stadt bei der Belegung kein Mitspracherecht hat – gefühltes Desinteresse schafft Nährboden für Tendenzen, die wohl die wenigsten wollen.