Frieda Essel, umgeben von den Fotos ihrer Lieben, feiert heute in Bochingen ihren 100. Geburtstag. Foto: Holzer-Rohrer Foto: Schwarzwälder-Bote

Jubilarin: Frieda Essel kann heute in Bochingen ihren 100. Geburtstag feiern / Familie unterstützt sie

Oberndorf-Bochingen. Nun hat Bochingen eine dritte Einwohnerin, die ihren 100. Geburtstag feiern kann. Frieda Essel blickt am heutigen Donnerstag auf ein bewegtes Leben mit prägenden Jahren zurück. "Wie das Leben eben so ist, man muss es annehmen und das Beste daraus machen." Diese Worte mag man der Jubilarin gerne glauben, haben sie doch Frieda Essel stets die Richtung vorgegeben.

Seit einem Unfall kann sie sich zwar nur langsam und mit Mühe im Haus bewegen, doch sie weiß sich umsorgt von ihrem Sohn Helmut und kann auf die Verlässlichkeit des Enkels Edgar Holzer und dessen Frau Martina, die in Bochingen wohnen, bauen. Auch Lukas und Elena schauen immer wieder bei der Ur-Oma vorbei.

Das lässt die Jubilarin zuversichtlich in die Zukunft blicken und gibt ihr die Gelassenheit im Alltag, den sie aktiv gestaltet, und den sie strukturiert hat. Die Mahlzeiten bereitet sich Frieda Essel immer noch selbst zu, und auch das Backen hat seinen Stellenwert nie verloren.

Voller Energie steckt sie in diesem hohen Alter. Es sei ihr starker Wille, der sie vorantreibe, der sie mit Schmerz und Entbehrungen umgehen ließe. Im Glauben verhaftet, habe sie dankbar alles Schöne und Gute in ihrem Leben angenommen und gelernt, sich mit dem Schicksal zu versöhnen, wenn es denn zuschlägt.

"Ein Kind zu verlieren, ist das Schlimmste, was passieren kann", sagt Frieda Essel und weiß, wovon sie spricht. Vor 25 Jahren hat sie ihre Tochter Rosmarie durch Krankheit verloren. Das hat sie und ihren Ehemann Adolf die ganze Kraft gekostet.

Wie schwer beide zu kämpfen hatten wird ersichtlich in der Tatsache, dass sie ihr so innig geliebtes Hobby, den Gesang, aufgegeben haben. "Es ging nicht mehr", sagt das Geburtstagskind, das geradewegs von der Schule weg vom Kirchenchor von Sankt Mauritius angeworben wurde, wo sie zur Ehre Gottes 61 Jahre lang gesungen hat. Das Singen bereitete ihr große Freude, und so trat sie auch in den Bochinger Gesangverein ein, in welchem ihr Ehemann Adolf engagiert war.

Mit ihm trat sie 1989 – am Fest der Goldenen Hochzeit – nochmals zum Altar. Zwei Jahre später musste das Ehepaar von der Tochter Abschied nehmen. 1996 verstarb Adolf Essel.

Frieda Essel stellte sich dem Schicksal, half im Haushalt von Schwiegersohn und Enkel mit, arbeitete, um den Schmerz zu überwinden. Lebhaft erzählt sie aus Jugendtagen, vom Kochen und täglichem "Essentragen" nach Oberndorf zur Firma Mauser – im Winter mit dem Schlitten. Mithelfen musste sie in der häuslichen Landwirtschaft, und natürlich blieb auch ihr die "Stellung" nicht erspart, als sie in fremden Haushalten arbeiten musste. In Horb entfachte der Neckar eine solche Sehnsucht in ihr, dass sie flugs wieder zu Hause war. An eine Ausbildung war damals nicht zu denken. Doch in den Wintermonaten bot sich ihr die Gelegenheit, das Nähen zu lernen. Beim Tanz lernte sie Adolf Essel kennen, 1939 wurde in der Benediktiner-Abtei Beuron geheiratet. Das Datum deutet die entbehrungsreichen Jahre von Frauen und Kindern schon an, die auch vor Frieda Essel keinen Halt machten. Der Ehemann musste 1943, zehn Tage vor Weihnachten, in den Krieg ziehen. Da war der Sohn noch keine zwei Jahre alt und die Jubilarin schwanger mit der Tochter. Als Adolf Essel aus der Gefangenschaft zurückkam, war die kleine Rosmarie schon fast zwei.

Unter der Kirche 1 ist zeitlebens ihr Zuhause

"Unter der Kirche 1" ist bis heute ihr Zuhause geblieben. Hier fühlt sie sich wohl, und hier hängen und stehen unzählige Bilder der Menschen, die ihre Vergangenheit mitbestimmt haben, ihre Gegenwart teilen und Perspektive für die Zukunft bieten.

"Ich bin so froh und dankbar, dass ich jeden Tag aufstehen kann, dass ich große Unterstützung habe bei dem, was schwerfällt." Daraus spricht nicht die Last, sondern Freude am Leben. "Es ist schön, wenn man auf diese Weise alt werden darf", fügt Martina Holzer, die Frau des Enkels, an.

Frieda Essel freut sich heute auf Enkel Thilo, seine Frau Katrin und die Ur-Enkel Maximilian und Paul, die aus Stuttgart kommen. Ihr Sohn Helmut, der jeden Tag bei ihr vorbeischaut, komplettiert mit Sohn Oliver und dessen Freundin Julia den Familienkreis. "Und selbstverständlich habe ich den Kirchenchor eingeladen."