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Mahnmale: "Buch der Erinnerung" um weitere Opfer-Gruppen erweitern?

Von Karin Zeger

Die Mahnmale in und um Oberndorf liegen Diakon Ulrich Pfaff am Herzen. Alle vier seien "wohlgepflegt und können sich sehen lassen".

Oberndorf. Der Vater von Ulrich Pfaff hat Ende der 1970er-Jahre ein Mahnmal für Zwangsarbeiter im heimischen Garten errichtet. "Es ist bis heute das einzige Mahnmal in Deutschland, das von privater Hand auf privaten Grund und Boden zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter errichtet wurde", erläutert Pfaff. Dieses Mahnmal, später zu einem Gedenkort gegen Krieg und Faschischmus erweitert, liegt direkt am Neckartal-Radweg. "An dieser Stelle wird viel diskutiert und ich mische mich dann gerne ein. Das Mahnmal ist zu einem richtigen Lern-Denkmal geworden", sagt der Alt-oberndorfer.

Insgesamt, so formuliert es Pfaff in einem Schreiben an Bürgermeister Hermann Acker, seien "alle vier Mahnmale wohlgepflegt und können sich sehen lassen. Die Oberndorfer Initiative ›27. Januar‹, die SPD und die Stadtgärtnerei arbeiten hier sehr gut zusammen." Seit zehn Jahren informiert Pfaff das Stadtoberhaupt einmal im Jahr über den Stand der Dinge. Im vergangenen Monat bekam Acker diesbezüglich zum letzten Mal Post von Pfaff. "Zehn Berichte genügen."

Die SPD-Ortsgruppe setzt sich mittlerweile tatkräftig für die AEL-Gedenkstätte (Arbeitserziehungslager) in Aistaig ein. Im vergangenen Jahr fand dort erstmals auch eine öffentliche Informationsveranstaltung statt (wir berichteten). "Bis heute ist allerdings nicht zu erkennen, was für ein Lager da stand und welche Sträflinge hier gequält, gefoltert und exekutiert wurden."

Gedenkfeier wird aufmerksam wahrgenommen

70 Jahre "danach" hat Pfaff übrigens unter den 4500 Insassen von damals ein Mitglied der evangelischen Kirchenleitung in Württemberg entdeckt: Oberkirchenrat Pfarrer Reinhold Sautter. Dieser hatte bis Mitte 1944 bei der evangelischen Kirchenleitung in Stuttgart das Referat der christlichen Unterweisung inne. Aufgrund einer Bemerkung zu dem zu erwartenden Ausgangs des Zweiten Weltkriegs wurde er der "Wehrkraftzersetzung" bezichtigt und im AEL Aistaig inhaftiert. Von dort wurde er ins KZ Weilheim deportiert, wo er vermutlich im April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, entlassen wurde.

Ein weiteres Mahnmal ist das Zwangsarbeiter-Massengrab auf dem Friedhof. Dieses wecke auch dadurch Interesse, so Pfaff, weil mitten in der Waffenstadt historisch sehr früh der Friedensappell "Wir mahnen zum Frieden" in Stein gemeißelt wurde.

Anfangs nur als Zwangsarbeiter-Thema konzipiert, ist das "Buch der Erinnerung" um zwei weitere Oberndorfer Opfer-Gruppen (Euthanasie-Morde und Juden) ergänzt worden. "Ich könnte mir vorstellen, dass es nach weiteren Recherchen noch mehr Kategorien von Opfern des Nationalsozialismus in Oberndorf geben wird, beispielsweise Sinti und Roma, Homosexuelle oder Jehovas Zeugen", so Pfaff. Er stellt fest: "Die schon traditionelle Gedenkfeier am 27. Januar vor dem ›Buch‹ wird von der Öffentlichkeit aufmerksam wahrgenommen, die Teilnehmerzahl wächst von Jahr zu Jahr". Dies ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Der Diakon erzählt, dass noch immer Angehörige von ehemaligen Zwangsarbeitern nach Oberndorf kommen und die Gedenkstätten besuchen. So auch im vergangenen Jahr, als die betagte Schwester des Holländers T. H. Kraajenbrink anreiste. Sein Name findet sich auch im "Buch der Erinnerung". Sie habe von den Umständen berichtet, wie ihr Bruder umkam und hinterließ Blumen an der Gedenkstätte. "Das ganze Arrangement war am nächsten Tag von Vandalen in der Umgebung des ›Buches‹ verstreut", erzählt Pfaff. Der Todestag von Kraajenbrink jährt sich am 16. April.

"Unter den ausländischen Gästen, die im Zusammenhang mit der Zwangsarbeit im Dritten Reich heute Oberndorf besuchen, hat sich herumgesprochen, dass wir uns von drei berüchtigten Ehrenbürgerschaften bis heute nicht distanziert haben. Tausende von Städten in Deutschland haben diesen Schritt längst vollzogen." Es handele sich um die formell fortbestehende Verehrung der längst verstorbenen Oberndorfer Ehrenbürger Adolf Hitler, Wilhelm Murr und Paul von Hindenburg.

Aber Pfaff hat noch weiteres Unerledigtes auf seiner Liste. So hätte seiner Meinung nach auch der Deserteur, der es zwei Jahre lang in einer Höhle ausgehalten hat, einen Gedenkstein am Straßenrand des Kapellenwegs verdient. Die Oberndorfer Autorin Elfriede Suhr berichtet in ihrem Buch "Die Höhle" darüber. Pfaff: "Es ist anzunehmen, dass diese schier unglaubliche Geschichte eines Tages verfilmt wird."