Flüchtlinge: Gelungene Integration. Vier Jahre lang im Kirchenasyl. Kosovo gilt als sicheres Herkunftsland.

Oberndorf - Mit Menschen in schwierigen, oft ausweglosen Situationen hat sie tagtäglich bei ihrem Engagement für Flüchtlinge zu tun. Der Fall der Familie K. geht Eva Scherer allerdings besonders unter die Haut. Und nicht nur ihr.

Denis K. stammt aus dem Kosovo, er lebt mit seiner Frau und den drei Kindern seit Februar in einer kleinen Wohnung auf dem Lindenhof, arbeitet als Produktionshelfer bei einer Aistaiger Firma, zwei Kinder besuchen den Kindergarten. "Hier hat die Integration hervorragend geklappt", erzählt Eva Scherer. Und doch hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschieden, die Roma-Familie, die im Januar 2015 nach Oberndorf kam, in den Kosovo, er gilt als sicheres Herkunftsland, abzuschieben. Ihr Antrag auf Asyl sei "offensichtlich unbegründet", heißt es im Schreiben vom 21. April. Es sei eine "freiwillig gezwungene Ausreise" formuliert es Eva Scherer, die auch bei den "Offenen Händen" engagiert ist.

2010 sei der heute 26-jährige Denis K. mit seiner Frau aus dem Kosovo geflohen. Sein Haus war im Bürgerkrieg zerbombt worden, er verlor seine Familie. Albaner haben ihn und seine Frau bedroht, misshandelt, schildert er. Sie sei damals schwanger gewesen, verlor das Kind. Noch heute ist das Paar traumatisiert, nimmt Medikamente, ist in ärztlicher Behandlung.

Kirchenasyl in Schweden

Denis und Tanja schlagen sich nach Schweden durch, sie leben über vier Jahre lang im Kirchenasyl. Zwei ihrer Kinder werden dort geboren, das dritte kommt auf deutschem Boden zur Welt. Gerade mal zwei Tage sind sie 2014 im Lager in Karlsruhe, als die Wehen einsetzen und ihre Tochter geboren wird.

Von dort geht die Reise dann weiter nach Oberndorf. In der Wasserfallstraße kehrt ein wenig Ruhe in ihr Leben ein. Die Kinder finden Anschluss, die Erwachsenen Freunde, sie engagieren sich in der Kirchengemeinde, Denis kann arbeiten und seine junge Familie selbst ernähren. Die Fünf ziehen in eine eigene Wohnung.

Im Januar muss das Paar zur Anhörung ins Bundesamt nach Nürnberg. Die Beiden erzählen von der Verfolgung, von dem Hass gegen Romas, von den Schlägen, die sie aus Angst aber nicht der Polizei meldeten, von ihrem kranken Sohn.

"Die Antragsteller haben ihre Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht", heißt es in dem Ablehnungsbescheid. "Die Taten sind wenig anschaulich, farblos und arm an Details." Eva Scherer: "Die Menschen sind traumatisiert. Ist es da nicht verständlich, dass man versucht, zu verdrängen, sich gar nicht mehr an alles erinnern möchte?" Für sie steht fest: "Sie wurden nicht angehört, sondern verhört. Die Familie reagierte ängstlich." Dass sie die Misshandlungen nicht zur Anzeige brachten, sei für die Mitarbeiter des Bundesamts "unverständlich". Dem Staat sei somit erst gar nicht die Möglichkeit gegeben worden, den Antragsstellern vor den Übergriffen zu schützen, heißt es. Denis erläutert, dass es damals kein Schutz von der Polizei zu erwarten gewesen wäre.

Keine Papiere

Eva Scherer könnte die Ablehnung mittragen, wenn die Flüchtlinge in ihrer Heimat ein soziales Gefüge vorfänden. "Aber sie haben weder Familie noch Freunde im Kosovo, sie haben keine Ahnung, was sie erwartet. Die einzigen Verwandten leben in Deutschland. Dies ist ein besonders harter Fall, da kann man doch nicht einfach die Augen zu machen."

Eva Scherer ist mit ihrem Latein am Ende, und mit den Nerven auch. Alle Möglichkeiten, dem Paar zu helfen, sind bislang gescheitert. Selbst an ein Kirchenasyl in Oberndorf habe man gedacht, aber ein zweiter "goldener Käfig", wie damals in Schweden, sei keine Lösung.

Ein schwaches Licht am Ende des Tunnels brachte die Information, dass die Familie auch nach Serbien einreisen dürfe. Dies stellte sich allerdings als falsch heraus, da Serbien den Kosovo immer noch nicht als Staat anerkannt habe.

Das Bundesamt hat nun veranlasst, dass Papiere gedruckt werden. Die Familie besitzt nämlich kein einziges Dokument, weder Ausweise noch Geburtsurkunden. Wenn diese vorliegen, werden unmittelbar danach die Reisetickets folgen, schätzt Scherer. Dann geht es mit dem Flugzeug ins Kosovo.

Eva Scherer will als Pate auch weiterhin von Deutschland aus für die Familie da sein. Und sie hofft, in den nächsten Tagen ein Handy oder einen Fotoapparat aufzutreiben, damit Denis und Tanja ihr Bilder schicken können. Von einer Heimat, die keine ist.