Foto: Strittmatter

Mit Wolfgang Strittmatter auf Entdeckungstour. Teilnehmerin erzählt spannende Geschichte.

Oberndorf - Das Geheimnis unbekannter Höhlenfortsetzungen lockt immer wieder Forscher aus der Region nach Oberndorf, um in der Umgebung in den vielen Muschelkalkhöhlen Neuland zu entdecken.

So waren in den vergangenen Wochen mehrere Gruppen zu Besuch bei Höhlenforscher Wolfgang Strittmatter, um ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen. Im Mai kam eine Forschungsgruppe aus Grabenstetten bei Urach nach Oberndorf, im Juni tagte die Forschungsgruppe "Höhle und Karst" aus Stuttgart ein Wochenende lang im Gasthaus Stockbrunnen und startete von hier aus Höhlentouren.

Im Juli erkundete eine Gruppe aus Tübingen unter Strittmatters Führung die abenteuerlichen Kletterstrecken der Haugenlochhöhle. Und im August wagten sich wieder zwei junge Höhlenforscher aus Grabenstetten in die engste Felsenröhre der Haugenlochhöhle.

Der folgende Bericht von Katharina Bitzer lässt einen so eine Höhlentour regelrecht miterleben: "In manchen Höhlen gibt es enge Schlufe und dreckige Schlufe. Und manchmal gibt es Halbsiphone, in denen man, möchte man noch atmen können, besser keine Wellen macht. Wenn man aber alles auf einmal haben möchte, geht man in die Haugenlochhöhle, und zwar in den Windschluf.

Unter normalen Umständen, glaube ich, würde sich niemand so einen Schluf antun. Allerdings ist der Luftzug dort so enorm, dass er einem eigentlich keine Wahl lässt. So treffen Jürgen Hilzinger und ich uns bei Wolfgang Strittmatter, der diese Höhle wohl besser kennt, als sein Wohnzimmer. Zu unserer Freude kommt Wolfgang selbst mit, und wir steigen am frühen Mittag in die Höhle ein, um dem Schluf zu Leibe zu rücken.

Gemeinsam gehen wir bis zu der kleinen Halle, in der sich der Abstieg zum Windschluf befindet. Wolfgang richtet sich dort ein, um Fotos zu machen, während Jürgen und ich in den kleinen Raum absteigen, in dem der Schluf ansetzt. Da an unserer Grabungsstelle höchstens eine einzelne Person Platz hat, gehe ich vor, während Jürgen wartet und Sprechkontakt hält.

Mit den Füßen voran geht’s weiter abwärts

Die ersten wenigen Meter des Schlufs sind noch trocken, bis er sich nach unten neigt und ein kleiner See den Boden bedeckt. Das Wasser ist nicht tief, vielleicht 20 Zentimeter. Das Problem ist eher die Ganghöhe mit circa 30 Zentimetern. Da der Gang abfällt, ist es empfehlenswert, sich mit den Füßen voraus fortzubewegen.

Mit dem Helm in der Hand und einem Gesicht, das die Decke nur fast streift, geht es weiter Richtung Grabungsstelle. Nicht zu eilig, da bei zu heftigen Bewegungen das Wasser sehr schnell zur Decke hoch schwappt. Mein Gesicht will ich dabei aber nicht mehr dazwischen haben. Bald ist der Gang wieder eben und die Fortbewegung im Wasser zwar erfrischend, aber problemlos. Der Abstand zur Decke hat sich wieder vergrößert, sodass man immerhin wieder mit paralleler Atmung zur Seite blicken kann.

Nach wenigen Metern, wo der Gang inzwischen auch etwas breiter ist, will ich mich drehen, um mit dem Kopf voraus an der Grabungsstelle anzukommen. Jürgen sagt mir, der Wendeplatz wäre noch ein Stück weiter. Ich aber weiß von der vorausgegangenen Tour vollkommen zweifellos, dass ich an der richtigen Stelle bin. Und so stecke ich meinen Kopf in eine kleine Nische, um mit den Füßen auf die andere Seite zu wechseln. Meine Bewegungen hierbei wären für Zuschauer sicherlich unterhaltsam, allerdings leider nicht zielführend.

Froh darüber, dass ich zumindest die Ausgangsposition wieder erreichen kann und mich nicht auf ewig in der Stelle verkeile, erkenne ich, dass Jürgen durchaus recht hat. Nach einem weiteren kurzen Stück wird der Gang deutlich breiter, und ich kann vollkommen ohne Probleme drehen. Vor mir ist jetzt die Stelle, an der Jürgen zuletzt aufgehört hat, zu graben. Das Wasser hört hier auf und der Schluf, dessen Boden aus Lehm besteht, setzt sich fort – eng – aber vielleicht machbar.

Direkt an der Grabungsstelle ist es besonders eng, danach scheint man wieder etwas mehr Platz zu haben. So versuche ich mich mit aller Kraft und ausgeatmet durch die besonders enge Engstelle hindurchzuzwängen. Es funktioniert. Zwei bis drei Meter komme ich weiter, bis mich die nächste Enge erwartet. Dahinter kann man aber Befahrungsspuren erahnen und ein kleines Räumchen, das einem vermutlich eine Drehung erlauben würde.

Also gebe ich alles, atme aus, schiebe – erfolglos. Ok, dann eben nicht, denke ich und schlufe wieder zurück. Dann muss ich halt von vorne anfangen zu graben, etwas mehr Komfort kann hier eh nicht schaden. Ich rutsche in die erste Engstelle zurück – und bleibe stecken. Wieder ein Stück vor, nächster Versuch, es geht nicht.

Ich vermute, dass sich das Loch am Hintern meines Overalls an der Decke verhängt und ich deshalb scheitere – na klasse. Kurz überlegen: Der Luftzug ist nach wie vor unglaublich stark, die Luft wird also nicht schlecht. Warm ist mir auch noch. Könnte also noch schlimmer sein. Wenn ich es schaffe, bis in das Räumchen zu kommen, könnte ich mich dort drehen, würde dann vorwärts zurückkommen und mich wieder frei graben. Das probier ich.

Mit dabei habe ich den von Wolfgang entwickelten Lehmhobel, mit dem ich jetzt wieder zu der anderen Engstelle vor robbe. Das Gerät ist genial und ich kann dem Boden dachplattengroße Lehmstücke entreißen. Schließlich ist genug erweitert, um die Stelle zu passieren.

Kleiner Raum eignet sich zum Drehen

Tatsächlich komme ich bis in das Räumchen, das sich auch wirklich zum Drehen eignet. Und ich sehe dort eindeutige Grabungsspuren. Hier hat also tatsächlich schon jemand ohne Erweiterung durchgepasst, vielleicht Andreas Hoydem und Rainer Straub? Ihr habt auf jeden Fall meinen größten Respekt!

Ich schaue mich noch kurz um und krieche den weiterführenden Schluf ein kurzes Stück, bis wieder eine sehr enge Stelle kommt, hinter der es etwas größer ist. Hier könnte die ehemalige Grabungsstelle sein. Nachdem ich allerdings doch schon eine Weile gebraucht habe, und der Sprechkontakt hier hinten eher ein Geräuschkontakt ist, zwänge ich mich nicht mehr durch, und mache mich auf den Rückweg.

Außerdem fängt mein Licht an zu spinnen, und ich hab grad keine Lust auf ›Blinde Kuh‹. Wieder an der Stelle angekommen, an der ich vorhin stecken geblieben bin, denke ich, dass das doch gar nicht so eng aussieht und probiere es doch noch mal, ohne aufzugraben. Und siehe da, diesmal funktioniert es wieder hervorragend. Wahrscheinlich habe ich rückwärts irgendwie die falsche Stelle erwischt.

Mit dem Maßband wird die Länge des Schlufs bestimmt

So schlufe ich zurück zu Jürgen, der inzwischen fast eingefroren ist. Trotzdem begibt auch er sich jetzt ins Wellnessbad. Wolfgang hat uns gebeten, die ungefähre Länge des Schlufs in Erfahrung zu bringen. So ist Jürgen bewaffnet mit dem Anfang eines Maßbands, dessen anderes Ende ich halte. Auf dem Weg nach hinten erweitert er die kritische Stelle. Deutlich schneller als ich, schafft er es bis zu dem Räumchen.

Wegen der Kälte fängt er heute auch nicht mehr an, dort weiterzugraben und kommt zurück. Der Schluf ist laut Maßband circa 33 Meter lang. Zusammen treffen wir in der kleinen Halle wieder auf Wolfgang, der inzwischen auch recht ausgekühlt ist.

So machen wir uns auf den Rückweg, und Wolfgang erzählt uns eine Menge wirklich spannender Tatsachen über die Haugenlochhöhle. Zum Beispiel, dass darin am Ende des Zweiten Weltkrieges ein Arzt seinen jugendlichen Sohn versteckte, um ihn vor dem Kriegseinsatz zu bewahren. Wieder draußen angekommen waschen wir im nahegelegenen Bach unsere Sachen.

Nächstes Mal stehen dann wohl eine richtige Vermessung des Windschlufs und die Grabung an dessen Ende auf dem Programm. Obwohl wir kein Neuland entdeckt haben, war es eine schöne, und wie wir uns einig sind, nicht die letzte Tour."