Die menschliche Art und fachliche Kompetenz von Helmut Kapp wird von seinen Patienten sehr geschätzt. Foto: Danner

Einer der dienstältesten Ärzte Oberndorfs verabschiedet sich. 65-Stunden-Wochen keine Seltenheit.

Oberndorf - Um einen Doktor Kapp zu ersetzen, braucht es wohl zwei Ärzte, sagten seine Patienten immer im Scherz. Doch nun ist es soweit. Die Nachfolge ist geregelt. Helmut Kapp geht in den Ruhestand.

Mit dem Allgemeinmediziner geht einer der Letzten der "alten Ärztegarde" der Neckarstadt. Mit 68 Jahren habe er sich das auch verdient, sind sich seine Patienten einig. Und doch schwingt Wehmut mit, wenn sich Helmut Kapp zum 1. April aus Oberndorf verabschiedet. Es gab auch schon Tränen, berichtet er im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn der Allgemeinmediziner ist ein Arzt "vom alten Schlag". Für seine Patienten war er quasi rund um die Uhr zu erreichen. 65-Stunden-Wochen waren für ihn keine Seltenheit.

"Ich wollte einen Beruf ergreifen, der mit Menschen zu tun hat, und der anspruchsvoll ist", erinnert sich Kapp an die Wahl seines Studiums. Dass der Arztberuf für ihn zur 100-prozentigen Berufung geworden ist, hat vielleicht auch mit seinem christlichen Glauben zu tun. "Für mich ist es der schönste Beruf auf Gottes Erdboden", sagt er. Er habe stets den Eindruck gehabt, am für ihn richtigen Platz zu sein. Das habe ihm Energie gegeben. Schlussendlich habe er nur versucht, seine Arbeit gut zu machen, erklärt er mit der ihm eigenen Bescheidenheit. Einen Zeitungsartikel über seinen Weggang wollte er eigentlich gar nicht haben. Wie schön, dass er sich von seinem Praxis-Kollegen Gottfried Widmann doch davon überzeugen ließ.

Widmann führt seit 20 Jahren gemeinsam mit und im Sinne von Helmut Kapp die Praxis in der Neckarvorstadt. Er wird sie nun ganz übernehmen. Später stießen Gabriele Sucker und zuletzt Thorsten Heckele zum Praxisteam – zwei Ärzte, die einen Helmut Kapp ersetzten.

Er wohnt über der Praxis

Studiert hat der Tübinger in seiner Heimatstadt und im englischen Leeds. Nach Oberndorf kam er 1977, um bei Walter Vöhringer seine Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner zu machen – mit der Option, dessen Praxis in der Talstraße dann zu übernehmen.

Später zog Helmut Kapp ins Dachau. Noch heute wohnt er dort über seiner Arztpraxis. Das gibt es nur noch selten in seinem Berufsstand. Für ihn und seine Frau Lotte war es aber die ideale Lösung, berichtet er. So konnte sie die Kinder großziehen und ihren Mann dennoch bestmöglich unterstützen. Der Telefondienst – damals natürlich noch ohne schnurlose Apparate oder gar Handys – war stets gewährleistet. Vier Generationen an Patienten hat Kapp im Laufe seines Berufslebens betreut. In dieser Zeit hat sich allerhand geändert. Heute komme es schon mal vor, dass er einem Patienten ein Fremdwort aufschreibe, das dieser dann bei "Dr. Google" im Internet eingeben soll. Und wenn das Ergebnis der Recherche ihm dann Angst mache, ist Helmut Kapp mit seinem fachlichen Rat wieder zur Stelle. "Ich muss nicht alle Fragen beantworten können, aber ich muss wissen, wen ich fragen kann", sagt er völlig uneitel. Das gute Miteinander der vielen verschiedenen Ärzte in Oberndorf schätzt er deshalb sehr.

Ab dem 1. April will sich Kapp also ans "Experiment" Ruhestand wagen. Er verlässt nicht nur die Praxis, er zieht auch aus Oberndorf weg. Nach Kayh, einen Stadtteil Herrenbergs, aus dem seine Frau kommt. Dort besitzt er ein "Häuschen", in das er sich mit seiner Familie auch in den vergangenen Jahren immer mal wieder zurückgezogen hat. Bisher habe er gemeinsam mit seiner Frau noch jede Umstellung gemeistert, ist er optimistisch. Er werde jetzt mal Dinge tun, die er seinen Patienten immer empfohlen hat – Sport treiben zum Beispiel, sagt er lächelnd. Außerdem will er seine frisch gewonnene freie Zeit mit Fotografieren und Musikhören verbringen. Darauf freut er sich schon.

Und doch kann er nicht verhehlen, dass ihm der Abschied nicht leichtfallen wird. Das gilt übrigens auch für seine Mitarbeiterinnen im Praxis-Team. Zwei sind gar schon seit weit über 30 Jahren bei ihm angestellt, und die übrigen können auf eine lange Zeit im Arzthause Kapp zurückblicken. Sie wünschen ihrem Chef alles Gute für den Ruhestand und bedanken sich für die "tollen Jahre".

Und um aufs Thema Berufung zurückzukommen: Einige seiner langjährigen Patienten, die das Haus nicht mehr verlassen können, wird Helmut Kapp auch weiterhin betreuen.