Wird Bochingen gegenüber Boll bevorzugt? Zumindest die Boller sind dieser Meinung. Foto: Holzer-Rohrer

Boller Ortschaftsräte machen ihrem Ärger Luft. Kopf muss hochgekochte Emotionen einordnen.

Oberndorf-Boll - Die Boller Ortschaftsräte nutzten die Anwesenheit des Ersten Beigeordneten Lothar Kopf, um ihrem Unmut – ja teilweise auch ihrer Wut – Luft zu verschaffen. Denn Bochingen, so die These, werde gegenüber Boll bevorzugt.

Eigentlich war Lothar Kopf zur jüngsten Sitzung gekommen, um sein Arbeitsgebiet zu umreißen und Stellung zu kontrovers diskutierten gesamtstädtischen Themen zu nehmen. Vor allen Dingen aber suche er den persönlichen Kontakt, der ihm für die Zusammenarbeit wichtig sei.

Obwohl er – seit gerade mal einem Jahr im Amt – mit massiven Vorwürfen konfrontiert wurde, sei diese Begegnung für beide Seiten gut und notwendig, um auf die Sachebene als Gesprächsbasis zurückzukommen, meint Kopf.

"Bochingen bekommt alles, Boll bekommt nichts" – so die "gefühlte Einschätzung" der Ratsmitglieder, aus welcher vorwiegend die Enttäuschung über die Themen wie Sanierung und Erweiterung Mehrzweckhalle und angestrebter Boller Kreisverkehr sprach.

Kopf fiel dabei die Aufgabe zu, die hochgekochten Emotionen angesichts der "vermeintlichen" Bevorzugung Bochingens auf die kommunalpolitische Realitätsebene herunterzuholen und sie einzuordnen – in Vorgaben, Regelungen, prozessbegleitende Maßnahmen und Finanzierungsmodalitäten.

So sei Bochingen bestimmte Maßnahmen betreffend einfach stärker im Gespräch, bedingt durch Alleinstellungsmerkmale wie Autobahnnähe und Gewerbegebiet, was diesen Stadtteil zum Entwicklungsschwerpunkt gemacht habe, dem nun auch Rechnung getragen werde. Nicht umhin konnte der Erste Beigeordnete auch die Erweiterung der Firma Bippus anzusprechen, mit der sich ja auch ein Boller Wunsch erfüllt habe.

Extrem moniert – von Armin Hug als Hinhaltetaktik eingestuft – wurde die ins Stocken geratene Planung der Erweiterungs- und Renovierungsmaßnahme Mehrzweckhalle.

Fakt sei, dass die ursprünglich angedachte Westerweiterung schon einen langen Vorlauf hatte, da in den Vorüberlegungen ein Umschichten der innerörtlichen Raumkapazitäten für Jugendclub und Musikverein sowie die Anpassung der Hallenküche eine wichtige Rolle spielten.

Variante der Ost-Erweiterung kam ins Spiel

Als diese Angelegenheit in trockenen Tüchern gewesen sei, sei die Bochinger Spielvereinigung mit der Bitte um Umkleide- und Sanitärräume in der städtischen Halle für den Betrieb des Albecksportplatzes vorstellig geworden, so Kopf. Somit sei die Variante der Ost-Erweiterung ins Spiel gekommen.

Dass sich der Boller Ortschaftsrat in "Bochinger Abhängigkeit" fühle, ließe sich nachvollziehen, da der Vorstand der SpVgg Bochingen nun erwäge, den zweiten Sportplatz nicht mehr kostspielig instand zu setzen, sondern einen neuen auf dem Albeckgelände anzulegen und mit dem Neubau des Sportheims ganz umzusiedeln.

Sollte der Bochinger Verein diese Maßnahme finanziell stemmen können – was momentan überprüft werde –, dann sei für Boll wieder eine unabhängige Planung möglich. Das koste Geduld – und diese ist zwischenzeitlich geschwunden. Lothar Kopf geht davon aus, dass eine Entscheidung nach der Sommerpause zu erwarten ist.

Der Forderung nach einer Einstellung der Schätzkosten im Haushalt 2018 begegnet er mit der Aussage, dass folgende Kriterien erfüllt sein müssen: Das Vorliegen eines fundierten Zahlenwerks als Entscheidungsgrundlage, die Absicherung der Finanzierung und die Abstimmung des Gemeinderats, dem Projekt Priorität zuzuordnen.

Auch in Sachen Kreisverkehr – ein Anliegen, welches "nie auf den Ratstisch gekommen sei" – fühlt sich das kommunalpolitische Gremium im Wettstreit mit Bochingen. Kopf verwies auf die vorgeschalteten Instanzen, in diesem Falle auf das Straßenbauamt, welches keine primäre Notwendigkeit einer Umsetzung gegeben sehe.

Somit fließen keine Geldmittel und die Stadt Oberndorf wäre bei einer Umsetzung gefordert.

Das sei nicht vergleichbar mit dem angedachten Kreisverkehr am Bochinger Ortseingang, der "verkehrstechnisch sinnvoll und kostenneutral für die Stadt" sei, da die Finanzierung über den Investor des Lebensmittelmarktes und die Umlegung auf die Erschließungskosten der Bauplätze geregelt werde. Bauplätze sind ein weiterer Punkt, der in Boll Brisanz besitzt, stehe doch nur noch einer zur Verfügung, da ein Stagnieren der Grundstücksverhandlungen das Gebiet "Brühlwiesen III" nicht voranbringe.

Kopf rät den Bollern, Eigenmittel einzubringen

Thema war zudem die Finanzierung der Aussichtsplattform auf der stillgelegten Boller Erddeponie.

Da viele Punkte eben in direktem Vergleich mit Bochingen angesprochen wurden, schlug Lothar Kopf vor, über einen Leader-Antrag, Eigenmittel und Eigenleistung nachzudenken.

Leider werde in der Argumentation allzu oft vergessen, dass es der Gemeinderat sei, der die Entscheidungen treffe, und nicht die Verwaltung. Anhand einiger aktueller Beispiele machte Kopf deutlich, wie gering oft der Spielraum für die gewählten Vertreter sei, und wie immens die gesetzliche Regulierung.