Nico Pfisterer hat seinem Vater Karl posthum ein Feldkreuz geschenkt. Foto: Danner

Nicolas Pfisterer lebt für seine Arbeit und hat auf der ganzen Welt für sein Leben gearbeitet.

Oberndorf - Wenn Nicolas Pfisterer zu erzählen beginnt, ist der Schreibblock schnell an der Grenze seiner Kapazitäten angelangt. Was der 40-Jährige bereits alles erlebt hat, reicht glatt für zwei Leben. Wer ihn nicht persönlich kennt, der hat aber vielleicht schon seine Arbeiten gesehen."Seit ich 16 bin, bin ich im Holz", berichtet der Oberndorfer. Mit "im Holz sein" meint er seine Arbeit. Und die ist für ihn eine Leidenschaft geworden. Zwei Ausbildungen im Holzhandwerk hat Nicolas Pfisterer, den seine Freunde und Bekannten nur Nico nennen, absolviert.

Nach seiner Lehre als Schreiner zog es den jungen Mann in die große weite Welt. In Frankreich setzte er mit dem Zimmermann bei den Compagnons du Devoir – einer alten Handwerkervereinigung – noch eins drauf. Und Frankreich sollte nicht das einzige Land bleiben, das Pfisterer bereiste. Meist hat er auf seinen Streifzügen durch andere Länder und deren Kulturen für seinen Unterhalt gearbeitet. So "ganz nebenbei" lernte der Handwerker mehrere Sprachen, zum Teil fließend. Denn als Ausländer – nichts anderes war er schließlich außerhalb Deutschlands – musste er sich immer wieder integrieren. Da sei es einfach wichtig, sich ordentlich verständigen zu können.

In Rom gab's eine Audienz beim Papst

19 Jahre alt war Nico Pfisterer, als er seine Heimat verließ. Zwischendurch kam er zwar immer mal wieder nach Hause, um auch hier sein Geld zu verdienen. Die meiste Zeit aber verbrachte er im Ausland. Pfisterer arbeitete unter anderem auf der "Lady Lulworth" – einem legendären Rennschoner aus den 1920er-Jahren. In Italien ließ ein wohlhabender Holländer das Schiff restaurieren.

Mit einem Handwerksbruder, den er im Frankreich kennengelernt hatte, machte sich Pfisterer von Oberndorf aus auf gen Santiago de Compostela – seine ganz eigene Art, den Jakobsweg zu gehen. In Rom gab’s sogar eine Audienz bei Papst Johannes Paul II. In den Jahren 2001 bis 2002 legten die beiden Freunde so 4000 Kilometer "auf eigenen Sohlen" zurück. Nico Pfisterer sanierte ein altes Haus auf Sizilien, war in der Karibik unterwegs, bereiste Südamerika, arbeitete in Kanada. Er baute Möbel, schnitzte Fasnetsmasken, gestaltete Fassaden neu. Zwischendurch verdingte sich der Globetrotter bei Ärzte ohne Grenzen. Als Entwicklungshelfer war er etwa für Logistik und Holzarbeiten in Guinea zuständig.

Die Vielfältigkeit seines Berufs weiß er zu schätzen, und er pflegt sie auch. Wenn er etwa jemandem ein Holzterrasse oder eine schöne Treppe baue, so verbessere er ein Stück weit dessen Lebensqualität, davon ist er überzeugt.

In Italien hat der Oberndorfer seine heutige Frau Julia von Troschke – eine Künstlerin – kennengelernt. Gemeinsam zogen die beiden nach Palermo. Ihre Vermieterin war Letizia Battaglia, eine bekannte italienische Fotografin und Fotojournalistin, die für ihre Bilder über die Mafia weltbekannt geworden ist. Diese Begegnung alleine würde schon ein Buch füllen.

Zur Geburt der Tochter kam das Paar wieder in die Heimat. Nach einem Abstecher in die Normandie ist die kleine Familie, mittlerweile haben die beiden auch einen Sohn, in Oberndorf sesshaft geworden.

Die Hochzeit von Nico Pfisterer und Julia von Troschke erlebte der Papa des Handwerkers nicht mehr mit. Deshalb machte Nico Pfisterer seinem Vater Karl posthum ein ganz besonderes Geschenk. Er stellte auf einem Familiengrundstück beim Wasserturm zwischen dem Lindenhof und Beffendorf ein Feldkreuz für ihn auf. "Karlskreuz" hat er es benannt und mit allerhand kunstvollen Schnitzerein verziert. Sehr persönliche Botschaften an den zu früh verstorbenen Vater hat Pfisterer hier verewigt – zum Teil in Runenschrift. Aber es sind auch Erkenntnisse, die eigentlich für alle Menschen gelten, erklärt er. Deshalb steht das Kreuz für Jeden sichtbar direkt am Weg an einer Ruhebank.

Aus Eichenholz hat er im keltischen Stil eine Art Litfaßfläche, wie er es nennt, geschaffen. Das Rad des Lebens mit allen Unwägbarkeiten stellt es dar. Mahnt zu Frieden, erhofft Zufriedenheit, verneint Konventionen und bezieht sich doch aufs Althergebrachte. Und seinem Papa vergönnt es den geliebten Blick auf den Albtrauf.

Wer am kommenden Fasnetsdienstag vom Lindenhof ins Städtle läuft, der kann ein anderes Werk Pfisterers bewundern. Am Haus von Udo Deeg in der Schützensteige hat er nicht nur sämtliche Holzarbeiten ausgeführt, er hat dem Gebäude auch eine Besonderheit gegeben: Holzstehlen, an den vorderen Ecken der Fassade angebracht, hat er mit Schnitzereien versehen. Sowohl Deeg wie auch Pfisterer sind der Oberndorfer Fasnet sehr verbunden. Eine Stehle beschäftigt sich also genau mit diesem Thema.

Einen Fünf-Jahres-Plan, so nennt er es scherzhaft, haben er und seine Frau aufgestellt. So lange wollen sie in der Neckarstadt wohnen bleiben. Die Kinder kommen in die Grundschule, Pfisterer ist im Mai im ersten Anlauf mit knapp 2000 Stimmen in den Gemeinderat gewählt worden. Dieses Mandat will er gewissenhaft ausfüllen. Was danach kommt, lässt sich die Familie offen. Nico Pfisterer denkt aber, dass ihr Fernweh noch lange nicht gestillt ist.