Ein Fall von Körperverletzung war Thema vor dem Oberndorfer Amtsgericht. Foto: Danner

43-jährige Mieterin und ihr Bruder sollen Vermieterin geschlagen haben. Zeugenaussagen unterscheiden sich.

Oberndorf - Wochenlange Schmerzen nach heftigen Faustschlägen in den Rücken – diese Schilderung einer vermeintlich Geschädigten kam Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer sehr unglaubwürdig vor. Das der Tat bezichtigte Geschwisterpaar verließ den Gerichtssaal mit einem Freispruch. Für einen jungen Polizeibeamten geriet die Verhandlung vorm Oberndorfer Amtsgericht zudem zu einer Lehrstunde in Sachen Vernehmungstechnik und sauberer Protokollierung.

Im Raum stand der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung. Eine 47-Jährige Mieterin und ihr 43-jähriger Bruder, der zu Besuch war, sollen die 35-jährige Vermieterin vor dem Haus in Oberndorf mit Schlägen traktiert haben. Die Angeklagte schilderte den Vorfall allerdings ganz anders. Vielmehr habe sie lediglich die Haustüre aufhalten wollen, da sie keinen Schlüssel dabei hatte. Die Vermieterin habe sie daraufhin geschubst, und sie habe zurückgeschubst. Ihr Bruder habe sich zwischen die beiden Frauen gestellt, als er gesehen habe, wie die 35-Jährige zu einer Ohrfeige gegen seine Schwester ausgeholte. Berührt habe er die Vermieterin nicht. Auf einmal habe die Frau laut zu schreien angefangen. "Dann kamen Nachbarn, Polizei und Krankenwagen."

Die Aussagen der beiden Angeklagten stimmten überein. Anders sah es hingegen bei den Zeugen aus. Die vermeintlich Geschädigte berichtete von einem Angriff von hinten mit Faustschlägen im Schulterbereich. Ein Zeuge, der das Ganze von einem höher gelegenen Grillplatz beobachtet haben wollte, sprach hingegen von einer Ohrfeige und Schlägen von vorne.

Schon seit Längerem schwelte zwischen den beiden Parteien ein Streit. Die Vermieter hatten ihrer Mieterin gekündigt. Diese wollte jedoch zunächst dort wohnen bleiben, sodass man sich deshalb bereits vor Gericht wiedersah. Der Amtsgerichtsdirektor kam zu dem Schluss, dass man sich der unliebsamen Mieterin schließlich mit falschen Beschuldigungen entledigen wollte.

Indikator war für ihn die Unglaubwürdigkeit der 35-Jährigen und der Zeugen. Es kam ihm komisch vor, dass im Bericht des Krankenhauses von nicht sichtbaren äußeren Verletzungen die Rede war, während das Attest des Arztes, den die Frau allerdings erst am nächsten, oder übernächsten Tag aufgesucht hatte, Schwellungen und Rötungen belegte.

Der Polizeibeamte, der die Ermittlungen übernommen hatte, bekam von Heuer ordentlich den Kopf gewaschen. Denn dieser hatte die Geschädigte und ihren Mann, der als Zeuge auftrat, bei dem Ehepaar zu Hause gleichzeitig vernommen. Zudem ließ er die Frau teilweise als Übersetzerin fungieren, weil deren Mann schlecht Deutsch sprach. Staatsanwältin Bettina Körber-Renz gab dem Beamten für die Zukunft mit auf den Weg: "Das geht gar nicht". Mit einer so entstandenen Aussage konnten Richter und Staatsanwältin nichts anfangen. Zudem hatte der Polizist vergessen zu erwähnen, dass er am Tag des Vorfalls selbst zunächst versucht hatte, die Vermieterin im Krankenhaus zu vernehmen. Eine Aussage habe er zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht bekommen. Die Frau sei zu aufgelöst gewesen – daher der Besuch zu Hause tags drauf.

Für Richter Heuer lag hier ganz klar der Verdacht vor, dass die 35-Jährige und die Zeugen die gewonnene Zeit zur Absprache für abgekartete Aussagen genutzt haben. Geklappt hatte es allerdings nicht. Denn in der Verhandlung waren sie so widersprüchlich, dass Heuer von falschen Beschuldigungen ausging: "Das ist doch alles gelogen." Die Erinnerungslücken der Vermieterin vor Gericht taten ein Übriges, diesen Verdacht zu untermauern.

"Wir nehmen es hier mit der Wahrheit sehr genau", erklärte er dem kroatischen Nachbarn der Frau, dem er ebenfalls falsche Angaben unterstellte. Denn der Wortlaut im Polizeiprotokoll unterschied sich doch sehr von der Aussage vor Gericht. Auf die Frage des Richters, was er denn nun glauben solle, antwortete der junge Kroate: "Das, was Sie denken, was richtig ist." Für Heuer schlicht eine Unverschämtheit. Die Staatsanwältin plädierte auf Freispruch. Dem kam der Amtsgerichtsdirektor nach. Dem recht forsch auftretenden Zeugen droht nun eine Verfahren wegen Falschaussage. "Und Straftäter", sagte Heuer, "können bei uns auch ausgewiesen werden."