Angelika Holweger präsentiert beim Konzert in der Klosterkirche in Oberndorf ihre Collagen. Foto: Holweger Foto: Schwarzwälder-Bote

Stücke des ausgehenden Mittelalters erklingen in der ehemaligen Klosterkirche

Oberndorf. In der ehemaligen Klosterkirche wird am Sonntag, 4. Oktober, um 20 Uhr ein Konzert mit geistlicher Musik aus dem Zeitraum des zwölften bis 16. Jahrhunderts zu hören sein.

Besonders im 15. Jahrhundert hat sich Lebensgefühl und Kunstauffassung in Europa stark gewandelt, sowohl in der Malerei, als auch in der Tonkunst liegen Werke zeitlich nahe beieinander, die sich aber völlig in Technik und Ausdruck unterscheiden. Angelika Holweger hat mit zwei Collagen, die beim Konzert der Öffentlichkeit präsentiert werden, versucht, dies einzufangen. Zitiert wird die "Maria im Rosenhag" von Martin Schongauer und der sogenannte Isenheimer Altar von Matthias genannt Neidhart Grünewald. Das dritte Bild, eine Acrylmalerei, verweist mit der Darstellung der sogenannten Rosengalaxie auf Offenbarung 21.

Beide Werke sind in Colmar im Unterlindenmuseum nebeneinander zu sehen: Schongauer malt seine Jungfrau durchaus realistisch – aber umgeben von Engeln und der Welt entrückt – vor brokatgeprägtem Goldhintergrund. Leid, Schmerz, Trauer und die Schatten der irdischen Welt sind aufgehoben in der himmlischen Welt. Diese Bilder der späten Gotik atmen die Luft der Erlösung: Vor dem vielleicht monotonen Gold des Hintergrundes gibt es das weltferne Spiel der Engel und Pflanzen.

Ähnlich gestaltet sich auch die Musik dieser Zeit: Der alte Kirchengesang, das ist der gregorianische Choral, liefert einen "ewig gültigen" und buchstäblich "mono-tonen" Hintergrund, über dem sich Töne erheben, die aller Welt entrückt sind, ein freies Spiel aus purer Lust an der Erlösung. So zu hören bei den Organa aus dem Codex Faenza, impulsive und fremdartig klingende Musikstücke, die in der Melodie den geistlichen Text der Messe und in der Oberstimme einen furiosen, vom Tempo geprägten, Tonverlauf darbieten.

Grünewald dagegen malt keine idealisierte und verklärte Welt, sondern streicht die irdischen Details heraus; es finden sich im Hintergrund heimische Landschaften, aber auch Überzeichnungen der Bedrohungen und Schrecken dieser Welt. In seiner Kreuzigungsdarstellung allerdings kapituliert er fast vor der Grausamkeit und gibt den Hintergrund mit einem tiefen verzweifelten und vom Himmel fallenden Schwarz wieder. Im Vordergrund aber ist Christus zu sehen, mit denselben Wundmalen und Krankheitszeichen, die auch die ersten Betrachter des Bildes im Isenheimer Antoniusspital an ihren Leibern sehen konnten. Entsprechend ist auch die Musik des beginnenden Humanismus mehr der Welt zugewandt. Aus den natürlichen Tonverhältnissen werden die uns heute noch vertrauten tonalen Beziehungen betont, die Musik wird sozusagen auf weltliche Weise harmonisch.

Das geht nicht ohne Kämpfe und Übergänge ab: Im Konzert werden darum neben dem einstimmigen gregorianischen Choral und den Organa der Hochgotik auf der einen Seite, und den kurzen Sätzen der Renaissancemeister Schütz (1585 bis 1672), Palestrina (1514 bis 1594 ) und Desprez (zirka 1450 bis 1521), die schon von tonaler Harmonik geprägt sind, auf der anderen Seite, auch Hymnen aus der Feder von Guillaume Dufay (zirka 1400 bis 1474) zu hören sein, der im Laufe seines Lebens alle diese Veränderungen erlebt hat.

Die einzelnen Stücke sind entsprechend einem Messablauf angeordnet, es singen Elke Meinardus aus Erlangen, Alexandra Gühring aus Rosenfeld und Alexander Beck aus Trichtingen, Walter Holweger – in Trichtingen und Erlangen zuhause – spielt die Orgel. Alle Musizierenden sind nicht professionelle Musiker, sondern gehen anderen Berufen nach. Mit diesem Konzert wollen sie aber ein Stück der Geschichte der abendländischen Kultur anschaulich machen und so sich und anderen Horizonte des Musikerlebens eröffnen, die in einer professionalisierten, kommerzialisierten und auf elektronische Speicherung angelegten Musikwelt nicht mehr ohne Weiteres zugänglich sind.

Der Eintritt ist frei, um Spenden zur Deckung der Kosten wird gebeten und zum Hören und Mitdiskutieren eingeladen.