Mit dem HK433 soll es bei der Treffsicherheit keine Probleme mehr geben – auch nicht bei Hitze oder Kälte.  Foto: Heckler & Koch

Heckler & Koch preist sein HK433 an. Oberndorfer Waffenhersteller hat gute Chancen.

Oberndorf - Gewicht 3,5 Kilogramm, Kaliber 5,56 mm x 45, Profil: indirekter Gasdrucklader mit Kurzhub-Gaskolbensystem und verriegeltem Drehwarzenverschluss. Auf dem Lindenhof in Oberndorf weiß man mit Daten und Fakten wie diesen etwas anzufangen. Am Stammsitz des Waffenproduzenten Heckler & Koch (HK) im Kreis Rottweil wird schnell verstanden. Die Rede dürfte von einer Waffe, einem Gewehr sein. Genauer: dem HK433, einer Neuentwicklung, die Kenner durchaus spektakulär nennen. Bei einer Waffenschau in Las Vegas hat das schwäbische Rüstungsunternehmen sein Produkt kürzlich vorgestellt.

Überzeugen soll das Gewehr indes Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr Heer von Waffenexperten. Die CDU-Politikerin nämlich ist auf der Suche nach einem Sturmgewehr für die Bundeswehr. In diese missliche Lage hat sich von der Leyen selbst gebracht. Das G36 aus dem Hause HK war ihr nicht mehr gut genug – die 167.000 Exemplare der Standardwaffe werden aussortiert. Aber das ist im Grunde eine andere Geschichte. Vor Gericht ließen sich jedenfalls letztlich die Vorwürfe der Ministerin, das G36 erfülle insbesondere bei Hitze seinen Zweck nicht, nicht halten. Ausgemustert wird es gleichwohl. Und deshalb bewegen Militärs und Verteidigungspolitiker inzwischen andere Fragen: Welches Gewehr soll dem G36 folgen? Wer wird künftiger Lieferant der deutschen Streitkräfte?

Die Antwort gibt eine europaweite Ausschreibung. Die nun in der ersten Jahreshälfte 2017 veröffentlicht werden soll. Früher ging es wohl nicht – die Gründe dafür bleiben unklar.

Wie auch immer: HK geht jedenfalls nicht chancenlos in dieses Rennen. Manche sehen die Oberndorfer sogar in einer Favoritenrolle. Auf dem Lindenhof attestiert man sich nicht unbescheiden "wegweisende Waffentechnologien", deren Grundlage "unzählige Ideen, jahrzehntelanges Know-how und ausgereifte, in härtester weltweiter Praxis erprobte Lösungen" seien. Viele Experten stimmen dem zu.

Zudem spricht man in Oberndorf von einer neuen "Sturmgewehrfamilie", wenn man jetzt punktgenau das HK433 präsentiert. Es soll laut HK-Pressemitteilung "robust und unempfindlich" auch bei "extrem kalten und warmen Temperaturen" sein. In manchen Passagen liest sich die Beschreibung wie eine späte Antwort auf die Anwürfe rund um das G36. Dem waren bei hohen Temperaturen und Dauerfeuer Präzisionsprobleme nachgesagt wurden. Nur: Soldaten im Einsatz lobten ihr Gewehr. Und mit der Schadenersatzforderung scheiterte das Ministerium sang- und klanglos. HK habe geliefert, was vertraglich vereinbart wurde, so das Koblenzer Landgericht.

Beim HK433 spricht das Unternehmen von einer "völlig neuartigen Entwicklung". Laut HK ist das Sturmgewehr unter anderem individuell verstellbar: Es biete unterschiedliche Rohrlängen sowie zwei Bedienkonzepte. In dem Gewehr soll auch ein Schusszähler verbaut sein – die Waffendaten ließen sich dann kabellos übermitteln und archivieren. HK verspricht zudem "intuitive Handhabung" und "Präzision".

Durch die Vorgeschichte jedenfalls sehen sich die Oberndorfer nicht im Nachteil. "Das wird ein objektives Vergabeverfahren sein", sagt HK-Vorstandsvorsitzender Norbert Scheuch. "Das Beschaffungswesen der Bundeswehr ist groß, vielfältig und professionell organisiert – Nachteile durch persönliche Meinungen Einzelner, die involviert sind, drohen da nicht." Juristen stimmen ihm zu. "Das ist kein Zweckoptimismus von HK", sagt Vergaberechtler Jan Byok von der internationalen Kanzlei Bird & Bird. Es werde "nicht den Hauch einer Benachteiligung" geben. Bei einer europaweiten Ausschreibung hätten alle Teilnehmer gleiche Chancen.

Wolf-Christian Paes vom Internationalen Konversionszentrum Bonn sieht es ähnlich: Aus der Bundeswehr habe er gehört, dass man durchaus Verständnis für HK habe – die Firma habe geliefert, was bestellt worden sei. Paes fügt an, es sei "erklärtes industriepolitisches Ziel der Bundesregierung, Fertigungskompetenz im Land zu halten." Passenderweise heißt es in der Notiz von HK, der deutsche Wertschöpfungsanteil liege beim Traditionsunternehmen seit der Gründung 1949 "bei 100 Prozent: High-Tech made in Germany!"

Das Oberndorfer Unternehmen, nicht selten im Visier von Rüstungsgegnern, beliefert Armeen und Spezialkräfte weltweit. 2016 hat man einen Großauftrag der französischen Armee bekommen – und die belgische Waffenschmiede SN ausgestochen. Auch das beflügelt HK bezüglich der Bundeswehr-Ausschreibung. Man nehme jedes konkurrierende Unternehmen ernst, sagen die Oberndorfer. Aber auch: "Der Sturmgewehrsauftrag hat durchaus Signalwirkung."

Das meint auch Anwalt Byok: "Am Ende kommt es zwar allein auf die Wirtschaftlichkeit an, aber bei der Vorfilterung werden auch Referenzen berücksichtigt." Für einen Großauftrag sieht sich das 850 Mitarbeiter zählende Unternehmen gerüstet. Nachsatz: "Unabhängig vom Ausgang der Vergabe ist das Unternehmen wirtschaftlich stabil und finanziell gut aufgestellt."