Eine Geschichtsstunde der besonderen Art bekamen die Berufsfachschüler von Werner Kessl auf dem jüdischen Friedhof in Rottweil vermittelt. Foto: Schmidt Foto: Schwarzwälder-Bote

Oberndorfer Berufsfachschüler besuchen den jüdischen Friedhof in Rottweil

Oberndorf. Es war für die Berufsfachschüler zum einen eine außergewöhnlich anschauliche und berührende Geschichtsstunde, zum anderen aber auch ein eindrucksvoller Ausflug in eine andere Kultur: der Besuch des israelitischen Friedhofs und des jüdischen Gebetshauses in Rottweil.

In der Klasse I der zweijährigen hauswirtschaftlichen Berufsfachschule der Robert-Gleichauf-Schule in Oberndorf steht derzeit das Thema "Judenverfolgung" auf dem Unterrichtsplan. In Rottweil hatten die Schüler in dem Vorsitzenden des Arbeitskreises der ehemaligen Jüdischen Synagoge, Werner Kessl, einen profunden Kenner der Geschichte der Juden in der ältesten Stadt des Landes, als Führer. Kessl erläuterte, dass das Tor zum jüdischen Friedhof grundsätzlich verschlossen bleibt und Interessenten nur auf Anfrage zu den Gräbern gelangen können. Anhand eines auf einem Grabstein abgebildeten, aus zwei Dreiecken bestehenden Judensterns erklärte Kessl den Schülern, dass die Juden selbst diesen Stern entweder als "Davidstern" oder "Magen David" bezeichnen. Kessl zeigte den Jugendlichen den ältesten Grabstein des Friedhofs, der aus dem Jahr 1856 stammt. Ein Jude werde, falls dies möglich sei, noch am selben Tag seines Tods begraben. Wie Kessl darstellte, gibt es in Rottweil die Besonderheit, dass eine Grabstelle vorher eigentlich noch archäologisch auf römische Fundstücke hin untersucht werden müsse.

Von Kessl erfuhren die Schüler aber noch andere Unterschiede zwischen jüdischen und christlichen Gräbern: Statt eines Blumenschmucks legen die Juden viele kleinere Steine auf die Grabplatten, nicht zuletzt zur Erinnerung an die Wüste. Jüdische Gräber werden auch nicht nach einem gewissen Zeitraum eingeebnet, sondern bleiben bestehen. Kessl schilderte die Geschichte der in Rottweil lebenden Juden. Die Namen von acht jüdischen Mitbürgern, die von den Nazischergen in den Konzentrationslagern umgebracht worden seien, seien bekannt.

Im jüdischen Gebetshaus empfing die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Rottweil, Tatjana Malafay, die Schüler. Sie erzählte, dass die jüdische Gemeinde in Rottweil derzeit 230 Mitglieder zähle und eine sehr junge Gemeinde sei. Die jüdische Gemeinde treffe sich jeden Freitagabend zum Sabbat – der Sabbat beginnt am Freitag mit dem Einbruch der Dämmerung und dauert bis Samstagabend. Dabei werde gemeinsam gegessen und gebetet. Zwischen 30 bis 50 Mitglieder der Gemeinde nähmen jeweils daran teil.

Malafay erläuterte, was koschere Lebensmittel seien, nämlich reine Lebensmittel, die den religiösen Speisegesetzen entsprächen. Koscheres Obst und Gemüse könnten sie in Rottweil kaufen, koscheres Fleisch und Traubensaft zum Beispiel erhielten sie aus Straßburg. Besonders erwähnte Malafay, dass am Leibniz-Gymnasium ab diesem Schuljahr sogar jüdischer Religionsunterricht angeboten werde.