Blick auf die Empore der evangelischen Stadtkirche. Die Orgelpfeifen im Hintergrund sind nur Attrappen. In den dunklen Kästen auf beiden Seiten sind die Lautsprecher für die derzeitige elektronische Orgel untergebracht; links davor ist der Spieltisch für dieses Instrument zu sehen. Foto: Almut Berchtold/Bildarchiv Foto Marburg Foto: Schwarzwälder-Bote

Förderverein Stadtkirche schaut sich den Markt an / Auch ein digitales Instrument wäre denkbar

Von Michael Frädrich

Oberndorf. Ein Thema treibt den Förderverein Evangelische Stadtkirche schon seit geraumer Zeit um: Soll das Gotteshaus eine neue Orgel erhalten, sozusagen als Tüpfelchen auf dem "i" der von Grund auf renovierten Kirche?

Lange sah es so aus, als sei dies eine Utopie, rein schon aus Kostengründen. Nun aber könnte es sein, dass dieser Traum sich der Verwirklichung nähert. Und der Förderverein neue Klientel rekrutieren kann. Darauf jedenfalls hofft der Vorsitzende Günter Niethammer.

Sein eigentliches Ziel, die Renovierung der Stadtkirche, sieht der Verein als erreicht an. Jetzt ist die Orgel die neue Herausforderung. Ein entsprechendes Angebot des Vereins hatte der Kirchengemeinderat Ende 2014 angenommen. Derzeit wird auf einer elektronischen Orgel gespielt, sie gilt als "ausgeleiert" und manchmal klingt es so, als ob sie "scheppert". Die Pfeifen sind nur Attrappe, nämlich Überbleibsel der im September 1953 bei einem Brand in Mitleidenschaft gezogenen Orgel aus dem renommierten Haus Walcker. Die Kosten für eine neue Pfeifenorgel liegen bei annähernd 500 000 Euro. "Davon träumen ein paar Leute, die sich keine Gedanken über die Finanzierung machen", sagt Johannes Missel, Vize-Vorsitzender des Fördervereins.

Wind von der Sache bekam ein Orgel-Makler in der Schweiz. Er führte die Oberndorfer in den Schwarzwald. In der Christkönigskirche in Titisee stand eine ausgediente Orgel zum Verkauf, ein 1936 in der nicht mehr existenten Freiburger Orgel-Werkstatt Willy Dold gebautes Instrument. Diese Orgel war im Zuge der damals herrschenden allgemeinen Materialkontingentierung in sehr minderwertigem Material und unter einfachsten Bedingungen erstellt worden. Der erzbischöfliche Orgel-Inspektor Hans Musch bezeichnete den Zustand des Instruments als "abgängig", mit anderen Worten, als nicht mehr reparabel und riet zum Neubau.

Ganz so schlecht ist diese Orgel dann aber doch nicht. Sie wurde dem Förderverein für 5000 Euro angeboten, Ab- und Wiederaufbau auf dessen Rechnung. Inklusive Generalüberholung käme diese Orgel auf rund 100 000 Euro – ein Schnäppchen sozusagen.

Die Spitze des Fördervereins, dazu Pfarrer Gerhard Romppel, der Rosenfelder Orgelbauer Wolfgang Braun und Bezirkskantor Stephen Blaich aus Metzingen, zugleich Orgel-Experte des Oberkirchenrats in Stuttgart, nahmen das Instrument unter die Lupe und mussten am Ende erkennen, dass man sich ein bisschen zu früh gefreut hatte: Würde man sie in der Stadtkirche einbauen, wäre das große Altarfenster weitgehend verdeckt worden. Ein solch ästhetischer Frevel kam nicht in Frage. Ein Einbau auf der Gegenempore fand weder das Plazet des Kirchengemeinderats noch der Denkmalbehörde.

Eine Erkenntnis aber blieb dem Förderverein. Es gibt einen Orgel-Markt in einer Zeit, in der landauf, landab Kirchen geschlossen werden. Folglich reifte der Entschluss, aus Kostengründen von einer neuen Orgel abzusehen und sich stattdessen nach einem gebrauchten Instrument umzuschauen. Dies soll jetzt ohne Termindruck geschehen, die Zeit kann fürs Spendensammeln genutzt werden.

Und dann gibt es da noch eine ganz andere Alternative, die heißt "digitale Orgel". Für einen "echten Orgelliebhaber ist das ein Affront hoch drei", merkt Missel dazu an. Aber bei entsprechender präziser, intelligenter Beschallungsanlage im gesamten Kirchenraum sei diese Lösung durchaus überlegenswert. Solch ein Instrument liefert zwar keine "echte" Orgelmusik, ist aber deutlich günstiger zu haben. Das Risiko, dass die digitale Technik sich fortentwickelt und es in vielleicht 20 Jahren keine Ersatzteile mehr gibt, könnte als überschaubar eingestuft werden. "Man müsste es sich einmal anhören", stimmen Niethammer und Missel überein.

In der Anfang Mai anstehenden Mitgliederversammlung des Fördervereins wollen sie die Vereinsbasis über die neuen Aspekte informieren. Auf die Frage, ob sich denn der Traum von der neuen Orgel vielleicht schon bis zur 100-Jahr-Feier der Stadtkirche im Dezember 2016 verwirklichen ließe, antwortet Niethammer mit einem vielsagenden "Vielleicht".