Rücksicht? Fehlanzeige. Vor allem viele Motorrad- und Lastwagenfahrer verwechseln die Ortsdurchfahrt von Nusplingen gerne mit der Autobahn. Die Schilder mit dem Baby, die seit September 2013 stehen, haben nichts gebracht. Künftig dürfen sich Raser deshalb fotografieren lassen. Foto: Führer Foto: Schwarzwälder-Bote

Aufruf der Nusplinger an Raser hat bisher kaum etwas gebracht / Gemeinde will nun drastischere Wege gehen

Von Karina Eyrich

Nusplingen. Ein schlafendes Baby auf großen Schildern an Ortsein- und -ausfahrten sollte Raser dazu bringen, die Nusplinger Ortsdurchfahrt nicht als Rennstrecke zu missbrauchen. Die bittere Bilanz nach zehn Monaten: Den rasenden Ruhestörern ist das egal.

Einen schweren Unfall hat ein Motorradfahrer erst am 2. Juli auf der Straße zwischen Unterdigisheim und Nusplingen gehabt. Die Strecke Richtung Tuttlingen und zurück ist bei Rasern auf zwei Rädern besonders beliebt, und wegen der Lage Nusplingens im Bäratal mit Hängen links und rechts bekommen auch fast alle Nusplinger mehr davon mit, als ihnen lieb sein kann.

Motorräder, die stark beschleunigen, aber auch der seit Einführung der Lkw-Maut wachsende Lastwagen-Verkehr und die Autofahrer steigern den Lärm und schmälern die Lebensqualität, wie Paul Butz sagt. Er ist nicht nur Anwohner, sondern auch im Turn- und Sportverein aktiv, dessen Fußballplatz nur durch das oft gefährliche Überqueren der Landesstraße 433 zu erreichen ist.

"Zunächst war Sicherheit das Hauptthema", erinnert sich Butz, der sich schon seit Jahren dafür einsetzt, dass die Geschwindigkeitsbegrenzungen eingehalten werden, die im Ort bei 50 und vor den Ortseingängen bei 70 Kilometern pro Stunde liegen. Denn eine Ampel beim Sportgelände sei nicht genehmigt worden. Doch inzwischen ist es vor allem der Lärm, der den Nusplingern an den Nerven zerrt.

Bürgermeister Alfons Kühlwein hat deshalb zusammen mit einschlägigen Partnern und der Polizei im vergangenen September eine Aktion gestartet, die Kraftfahrer für die Belastung der Anwohner sensibilisieren sollte: Ein schlafendes Baby, überdimensional groß auf dem Plakat, an den Ortsein- und -ausfahrten bittet um Ruhe: "Pssst!", steht auf dem Plakat. Doch gebracht hat es nichts, das haben sowohl Butz als auch Kühlwein, selbst Anwohner, erfahren müssen: "Am Anfang schien es eine kleine Verbesserung zu bringen, doch der Effekt ist schnell verpufft", betonen die beiden, nicht ohne Enttäuschung.

Wie jenem Motorradfahrer, der erst kürzlich mit Tempo 170 am Blitzgerät vorbeigefahren sei, soll es künftig viel mehr Rasern gehen, denn die Gemeinde sieht keine andere Wahl mehr, als zu drastischeren Mitteln zu greifen, da ein Appell an die Vernunft der Kraftfahrer offenbar nicht hilft. Außerdem wollen sie darauf dringen, dass dort, wo bisher 70 Stundenkilometer gestattet sind, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 50 Stundenkilometer reduziert wird – per Schild mit dem Zusatz "Lärmschutz".

"Der Verkehr ist mörderisch..."

Das zuständige Kreisverkehrsamt habe bereits zugesagt, sich weitere Maßnahmen zu überlegen, sollte die Baby-Schild-Aktion keinen Erfolg zeitigen, verrät Kühlwein. Außerdem will er eine Verkehrszählung veranlassen, um deutlich zu machen, wie stark die Belastung durch die Fahrzeuge und damit durch Lärm und Feinstaub gestiegen sei.

"Kürzlich hatte ich Kollegen zum Grillen eingeladen", berichtet Paul Butz, "und die haben mir gesagt: ›Das ist ja Idylle pur hier – aber der Verkehr ist mörderisch." Er und Alfons Kühlwein wollen nicht warten, bis diese Feststellung einmal wörtlich zutrifft.