In der größten Messehalle 1 (oben links an der Autobahn) sollen vorübergehend bei laufendem Messebetrieb bis zu 2500 Asylbewerber unterkommen. Foto: Messe Stuttgart/Wulf Architekten

In den nächsten Tagen werden Messebesucher auf der Stuttgarter Landesmesse auf bis zu 2500 Flüchtlinge treffen. Die sollen in ein Notquartier in der größten Halle ziehen, während nebenan der Messebetrieb weitergeht.

Stuttgart - Die Vorstellung hat etwas Bizarres: Auf der einen Seite der Landesmesse am Stuttgarter Flughafen ziehen bis zu 2500 Flüchtlinge ein – das entspricht mehr als 50 Reisebussen. Auf der anderen Seite strömen die Fachbesucher zu den Messen Motek und Bondexpo, die dort noch bis Donnerstag laufen. In der Halle 1, der größten Messehalle, entsteht ein Notquartier, direkt angrenzend in den Hallen 3 bis 9 informieren sich die Leute über Klebtechnologie, Produktions- und Montageautomatisierung.

Am Montagnachmittag hat das Land kurzfristig bekannt gegeben, dass die Messe Stuttgart „aufgrund der weiterhin hohen Zugangszahlen an Flüchtlingen nach Baden-Württemberg“ bereits im Laufe dieses Dienstags zum Notquartier wird. Das ist bereits das zweite Mal in der Landeshauptstadt nach der vorübergehenden Nutzung von Nebenräumen der Schleyerhalle vor einigen Wochen. Diesmal sollen allerdings mit bis zu 2500 Menschen rund fünf Mal so viele Asylbewerber unterkommen wie damals. Genutzt wird dafür die Hälfte der Halle 1.

Auch diese Nutzung ist befristet – und zwar extrem. Die Flüchtlinge sollen nach Angaben des Landes an diesem Dienstag ein- und möglicherweise bereits am Donnerstag wieder ausziehen. Befristet ist das Notquartier bis längstens 15. Oktober, danach wird die Halle benötigt. Neben den beiden Messen, die derzeit in den angrenzenden Hallen laufen, ist vom 12. bis zum 14. Oktober zudem im benachbarten Internationalen Congresscenter ICS eine internationale Fachmesse und Konferenz zu den Themen neue Energie und neue Mobilität geplant. Die Besucher dieser World of Energy Solutions genannten Veranstaltung könnten ebenfalls direkt auf mehrere Tausend Flüchtlinge in den Nachbarräumen treffen.

Feldbetten, wo einst Angela Merkel sprach

In der Halle 1, dem sogenannten L-Bank-Forum, finden sonst prestigeträchtigere Veranstaltungen statt. So war dort beispielsweise schon der CDU-Bundesparteitag zu Gast. Wo einst Angela Merkel sprach, sollen jetzt also Asylbewerber nächtigen.

Wie die Trennung von Flüchtlingen und bis zu 10 000 Messebesuchern pro Tag vonstatten gehen soll, war am Montagabend noch nicht abschließend geklärt. „Es hat sich erst im Lauf des Tages herauskristallisiert, dass wir die Halle zur Verfügung stellen“, sagt Messe-Sprecher Markus Vogt.

Auch bei der Landesregierung blieb diese Frage zunächst ungeklärt. Nur so viel war klar: Ein Sicherheitsdienst soll gegenseitige Störungen verhindern. Ein Aufbau etwa von Betten erfolgte am Montag noch nicht. Unklar war zunächst auch, ob auf die Schnelle genug Material beschafft werden kann. Auch wer das Notquartier betreiben soll stand am Montagabend noch nicht fest.

1300 Asylbewerber pro Tag kommen nach Baden-Württemberg

„Wir leben von der Hand in den Mund und brauchen ständig neue Unterkünfte“, sagt Michael Brandt. Der Sprecher der Lenkungsgruppe Flüchtlingsunterbringung betont, man wolle im Südwesten möglichst auf die Nutzung von Zelten verzichten: „Wir sind der Meinung, dass Asylbewerber ein festes Dach über dem Kopf brauchen.“ Zurzeit kämen im Schnitt 1300 Flüchtlinge pro Tag nach Baden-Württemberg. Diese Zahl setzt sich zusammen aus den Direktankünften von Asylbewerbern einerseits sowie dem Überlauf aus dem besonders stark belasteten Bayern andererseits. Die Flüchtlinge werden wohl mit Bussen zur Landesmesse gebracht und später in die neue Registrierungseinrichtung nach Heidelberg oder in eine andere Notunterkunft umziehen.

Das Land hat zudem die ehemalige Japanische Schule in Bad Saulgau als Reserve für die Flüchtlingsunterbringung eingeplant. Die Lenkungsgruppe beschloss, die Liegenschaft für die Aufnahme von mindestens 500 Menschen vorzubereiten. Insbesondere geht es darum, einen Zaun um die Einrichtung zu ziehen. Die Japanische Schule soll allerdings nur dann belegt werden, wenn es keinerlei andere Unterbringungsmöglichkeiten mehr gibt. Bis dahin wird das Land nach Möglichkeit die von den Gemeinderatsfraktionen angekündigte Petition abwarten. Die von der Stadt angebotene Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen wird hingegen nicht kurzfristig zu verwirklichen sein.