Das schlechte Wetter hielt Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht von einer Wanderung im Bannwald-Gebiet Wilder See ab, um im Nebel zu sehen, wie ein Nationalpark aussehen könnte. Foto: Fritsch

Winfried Kretschmann macht sich ein Bild vom Suchraum am Ruhestein. Bonde kündigt Gutachten an.

Nordschwarzwald - Die Worte sind deutlich: "Der heutige Tag bestätigt mich darin, dieses Projekt zielstrebig voranzutreiben", sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) über einen Nationalpark im Nordschwarzwald. Zwei Stunden lang war er zuvor bei nasser Witterung gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne), Naturschutz- und Forstfachleuten sowie Bürgermeistern und Landräten aus den betroffenen Gemeinden im Suchraum für den Nationalpark auf Wanderung gewesen.

Im Nebelloch unterhalb des schmalen Waldpfads, auf dem der Ministerpräsident steht, lässt sich der romantische Wildsee nur erahnen, und auch die sonst so grandiose Aussicht auf die Waldgipfel des Nordschwarzwalds ist diesmal nur ein Blick ins Trübe.

Sie präsentiert sich nicht gerade von ihrer Schokoladenseite, die Region, in der schon bald der erste Nationalpark Baden-Württembergs entstehen könnte. Als Winfried Kretschmann am Sonntag mit Ehefrau Gerlinde am Ruhestein ankommt, regnet es zwar Bindfäden, aber der befürchtete Protesthagel bleibt aus. Von Nationalparkgegnern ist an diesem nasskalten Sonntag nichts zu sehen. Die, so macht es unter den rund 200 anwesenden Parkbefürwortern und Gästen die Runde, seien derzeit wohl mehr mit sich selbst als mit dem Nationalpark beschäftigt.

Ein Projekt von nationaler Bedeutung?

"Man muss den Nebel immer durchdringen", sagt Kretschmann und spielt damit nicht nur auf die Witterung, sondern auch auf die kontrovers geführten Diskussionen rund um das Parkprojekt an. Informationen wolle er sammeln und sich vor Ort ein Bild vom Stand der Dinge machen, ein Nationalpark sei schließlich ein Projekt von nationaler Bedeutung.

Deshalb lässt sich der Ministerpräsident auch bei Dauerregen nicht von der Wanderung abhalten: Im flotten Wanderschritt geht es vom Naturschutzzentrum aufwärts zum Bannwald Wilder See, einem Mini-Nationalpark, in dem die Natur bereits seit 100 Jahren sich selbst überlassen ist. So, wie es künftig auch in der Kernzone des geplanten, 10.000 Hektar großen Nationalparks sein könnte.

Zwischendurch gibt es Informationen aus erster Hand: Der Leiter des Naturschutzzentrums, Wolfgang Schlund, und der Mitarbeiter der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg, Thomas Waldenspuhl, erläutern an verschiedenen Wegstationen die wichtigsten Themen rund um das Nationalparkprojekt. Die Grindenflächen beispielsweise, die als Kulturlandschaft in der sogenannten Managementzone eines Nationalparks weiter gepflegt werden sollen, den Waldumbau, der mehr Buche und Tanne im derzeit von Fichten dominierten Wald ansiedeln soll, oder die Auswirkung des Parks auf die Holzindustrie.

Die, so stellt Thomas Waldenspuhl anhand eines "Betroffenheitsindex" fest, ist eher gering. Lediglich sechs kleinere Sägewerksunternehmen wären geringfügig tangiert, wenn der Nationalparkwald aus der Nutzung genommen wird. Der Branche, sagt er, stehe durch den Verdrängungswettbewerb ohnehin ein Strukturwandel bevor - auch ohne Nationalpark. Und Kretschmann bestätigt: "Das Argument zieht bei mir ohnehin nicht. Wir wollen Holz aus der Nutzung nehmen, das ist unser Ziel, um den Naturschutz voranzubringen. Wer das nicht will, muss anders wählen." Beim Waldumbau gibt er den Experten recht: "Der Schwarzwald ist ohnehin viel zu schwarz", scherzt der grüne Ministerpräsident.

Entschieden wird die Sache im Landtag

Bei der Frage, wer über den Nationalpark letztlich entscheidet, setzt Kretschmann mit Blick auf die geplanten Bürgerbefragungen in betroffenen Gemeinden Pflöcke: "Wir diskutieren mit der Bevölkerung vor Ort auf Augenhöhe, binden sie in den regionalen Arbeitskreisen zum Projekt ein und lassen ein Gutachten erstellen. Aber entschieden wird die Sache im Landtag, da muss man nicht lange rummachen, das ist klar sortiert."

Den Projektgegnern gibt der Landesvater den Rat, die Größenordnungen nicht aus dem Blick zu verlieren: "Wir wollen ja nicht den gesamten Schwarzwald zum Nationalpark erklären, sondern nur 0,7 Prozent der Waldfläche im Südwesten."

"Wenn das Gutachten da ist, komme ich wieder"

Mit Blick auf die heftigen Kontroversen, die es bei Gegnern und Befürwortern vor Ort gab, mahnt Kretschmann zur Sachlichkeit: "Wir müssen über dieses Projekt in einer zivilisierten Art diskutieren, und da sind mir Argumente lieber als Trillerpfeifen." Im Frühjahr, kündigt Bonde an, wird das Gutachten zum Nationalpark erwartet, und dann wird auch die Entscheidung fallen. Doch vorher will Kretschmann sich noch mal vor Ort informieren: "Wenn das Gutachten da ist, komme ich wieder."

Unterstützung bekommt das Nationalpark-Projekt unterdessen auch aus den Reihen der CDU: Am 16. November wollen der ehemalige Landesumweltminister Erwin Vetter und Ex-Staatssekretär Hans-Jochen Henke sowie zahlreiche CDU-Politiker aus dem Schwarzwald gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft die Erklärung "Christdemokraten pro Nationalpark Schwarzwald" vorstellen. Sie wollen zeigen, dass die Nationalpark-Idee zutiefst konservativ sei und die CDU in Baden-Württemberg einen Nationalpark Schwarzwald deshalb unterstützen sollte.