Für einen Nationalpark im Nordschwarzwald gibt es Befürworter und Gegner: Gestern hat die Opposition die Debatte im Landtag für heftige Angriffe auf die Landesregierung genutzt. Foto: Deck

CDU und FDP werfen der grün-roten Koalition vor, beim geplanten Nationalpark die Bürger getäuscht zu haben.

Stuttgart/Nordschwarzwald - Es ging um den geplanten Nationalpark im Nordschwarzwald, aber in Wahrheit ging es um mehr. Der Landtag hat gestern heftig über die "Politik des Gehörtwerdens" von Grün-Rot gestritten.

Es gehört zu den Gepflogenheiten des Landtags, dass die Fraktionen aktuelle Debatten beantragen dürfen. Gestern hatte die FDP eine Aussprache zum geplanten Nationalpark Nordschwarzwald beantragt. Und schnell wird klar, dass die Thematik nicht nur aktuell, sondern auch so brisant ist, dass der Zeitplan des Parlaments völlig aus dem Ruder läuft.

Und wen wundert’s: Vor allem CDU und FDP geben sich an diesem Tag kampfeslustig, weil sie längst gemerkt haben, dass die grün-rote Koalition bei diesem Thema schwer in Bedrängnis ist. Bekanntlich hatten sich die Bürger in sieben Kommunen im Nordschwarzwald am vergangenen Sonntag gegen das Projekt ausgesprochen. Und war es nicht so, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), aber auch sein Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) stets betont hatten, man werde den Nationalpark nicht gegen den Willen der Bürger durchsetzen? Das Problem: Bonde hatte am Montag, nicht mal 24 Stunden nach dem Bürgervotum, fast trotzig klargemacht, man halte trotzdem an dem Projekt fest.

Der FDP-Abgeordnete Friedrich Bullinger zitiert denn auch genüsslich den grün-roten Koalitionsvertrag, wo es heißt: "Die Zeit des Durchregierens ist zu Ende." Mit dem Vorgehen vom Montag, wo Bonde die Bürgerumfrage als "unverbindliches Meinungsbild" bezeichnet hatte, mache die Regierung das Gegenteil.

Bullinger nutzt für seinen Appell, das Projekt zu beerdigen, eine Weisheit der Dakota-Indianer: "Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab." FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wird noch grundsätzlicher. "Sie regieren das Land despotisch und treten den Bürgerwillen mit Füßen", schimpft er über Grün-Rot.

Wie grundsätzlich es in dieser Debatte zugeht, wird deutlich, als Rülke mit Aussagen wie "Für die Zukunft des Landes brauchen wir keinen Nationalpark. Wir haben auch ohne den 60 Jahre geblüht" und "Sie tragen Verantwortung dafür, wenn sich der Protest radikalisiert" bei Grünen und SPD einen regelrechten Sturm der Entrüstung auslöst. "Sie Brandstifter", brüllt Grünen-Naturschutzexperte Markus Rösler zu Rülke. "Sie spielen mit dem Feuer", schiebt SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hinterher.

Doch auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk geht mit Grün-Rot hart ins Gericht. "Die Leute haben das getan, wozu Sie sie immer auffordern: Die haben ihre Meinung gesagt." Aber statt das Ergebnis in Ruhe zu analysieren und die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen, "regieren Sie durch", sagt er an die Adresse von Bonde. Offenbar habe es Grün-Rot zwei Jahre lang nicht geschafft, die Menschen von dem Projekt zu überzeugen. Grün-Rot habe "eine Befürworterbeteiligung statt Bürgerbeteiligung" gemacht.

Und wie reagiert die Koalition? Sie wirkt an diesem Tag merkwürdig defensiv. Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann beteuert zwar, man werde "die Bedenken der Bürger ernst nehmen", aber sie fühlt sich sichtlich unwohl bei dem Thema. Auch SPD-Mann Schmiedel verspricht, man werde "mit den Bürgern vor Ort weiter sprechen". Aber kann man die Menschen überhaupt noch umstimmen?

Als Ministerpräsident Kretschmann spürt, wie sehr seine Koalition unter Druck ist, bittet er ums Rederecht. Ja, räumt er ein, seine Politik des Gehörtwerdens erlebe "gerade einen enormen Härte- und Stresstest". Aber dass Grün- Rot die Bürgerbeteiligung nur auf dem Papier gelten lasse, macht ihn fuchsig: "Die Politik des Gehörtwerdens hat umfänglich und ernsthaft stattgefunden", verteidigt er die Regierungslinie. "Wir haben keine Zweifel gelassen, dass wir den Nationalpark wollen." Man habe aber auch stets klargemacht, "dass nicht die örtliche Bürgerbeteiligung entscheidet, ob wir das Projekt machen, sondern der Landtag". Doch der Widerstand vor Ort hat bei der Landesregierung offenbar Wirkung gezeigt. Man werde die Ergebnisse der Bürgerbefragung beim Zuschnitt des Nationalparkgebiets "berücksichtigen", verspricht er. Soll heißen: Grün-Rot will Kommunen wie Baiersbronn, Bad Wildbad, Enzklösterle und Freudenstadt, die sich gegen das Prestigeprojekt ausgesprochen hatten, beim Zuschnitt des Nationalparks offenbar aussparen. Aber das geht in dieser impulsiven Debatte am Donnerstag unter.