Im Mai 1907 ist diese Anzeige zur Suche eines Arztes für Neuweiler im Calwer Wochenblatt erschienen. Fotos: Schabert Foto: Schwarzwälder-Bote

Ausgeschrieben durch Oberamtmann Voelter / Bezirk entsprach fast heutiger Gemeinde / Stellenbesetzung war damals offenbar einfacher

Von Hans Schabert

Neuweiler. Seit Monaten sucht die Gemeinde Neuweiler einen Arzt. Sogar eine eingerichtete Praxis wartet auf ihn (wir berichteten). Fast das gleiche Ansinnen bestand für den Oberen Wald vor 107 Jahren, wie dem Calwer Wochenblatt vom Mai 1907 zu entnehmen ist. Betrachtet man die kurze Frist der Ausschreibung sowie die strammen Bedingungen, war ein Mediziner damals allerdings offenbar besser zu finden.

Zum 1. Juli sollte die vom Oberamt ausgeschriebene Bezirksarztstelle mit Sitz in Neuweiler für Hofstett und die damals selbstständigen Gemeinden Agenbach, Breitenberg, Oberkollwangen Schmieh und Zwerenberg – sowie natürlich auch für Neuweiler – besetzt werden. Mit Ausnahme von Schmieh und dem bei der Gemeindereform 1975 – zusammen mit den anderen Kommunen – zum neuen Neuweiler vereinigten Gaugenwald bildet der ehemalige Distrikt-Arztbezirk heute die Kommune. Das Sternenblumendorf zählte bis 1938 zum Oberamt Nagold und wäre sonst vielleicht auch einbezogen gewesen.

Der Arztdistrikt wies 2008 Einwohner auf. Die Interessenten mussten sich binnen zehn Tagen bei Regierungsrat Voelter im Oberamt Calw bewerben. Das Angebot war die Zahlung eines Wartegelds von 2000 Mark pro Jahr und die Bereitstellung einer "Wohnung mit fünf beziehungsweise neun Zimmern, Wasserleitung und Kelleranteil zu 330 Mark beziehungsweise 500 Mark Miete pro Jahr".

Dafür gab es laut Anzeige aber auch folgende Bringschuld: "Der Distriktarzt hat hiefür die Verpflichtung zu übernehmen, die Orts- und Landarmen im Distrikte, in ärztlicher, wund- und hebärztlicher Beziehung unentgeltlich zu behandeln, jede Gemeinde des Distrikts wöchentlich zweimal ohne besondere Reise-Entschädigung zu besuchen, auch gegen besondere Entschädigung die im Distrikt befindlichen Mitglieder der Bezirkskrankenkasse und Bezirkskrankenpflege-Versicherung zu behandeln."

Bestimmt ist dem tüchtigen Oberamtmann, der die Anzeige als "Regierungsrat Voelter" unterzeichnete, die Besetzung der Arztstelle in Neuweiler plangemäß gelungen.

Der Oberamtmann war von Aufgaben und Stellung her mit dem Landrat vergleichbar. So war er ab 1928 auch benannt. Gottlieb Voelter gilt als besonders tüchtiger Amtsinhaber. Zuvor acht Jahre Oberamtmann in Herrenberg, war er ab 1894 bis 1910 Chef des Oberamts Calw und damit in jener Zeit auch der Leiter des königlichen Oberamtsgerichts.

Auf seinen vorherigen Posten hatte sich der 1847 in Geradstetten als Pfarrersohn geborene Finanz- und Verwaltungsfachmann offensichtlich bewährt; 1895 wurde ihm das Ritterkreuz erster Klasse des Friedrichsordens verliehen. Studiert hatte er in Tübingen. Berufliche Stationen waren Wangen, Gaildorf und Stuttgart, ehe er in Herrenberg erstmals Behördenchef wurde. Im Raum Calw gilt er als Wegbereiter der sogenannten Gruppen-Wasserversorgung, die sich bis heute im Zweckverband Schwarzwaldwasserversorgung fortsetzt.