Wo möglich, versuchte Fotograf Thomas Fritsch seine modernen Schwarz-Weiß-Aufnahmen historischen Vorlagen gegenüberzustellen - wie hier bei der Familie Waidelich, einmal circa 1905 und einmal 2014. Fotos: Waidelich/Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Thomas Fritsch will Nachbarn ein bisschen Unsterblichkeit schenken / Ausstellung "Wald-Hufen-Dorf-Kinder" im Alten Rathaus zu sehen

Von Axel H. Kunert

Neuweiler-Gaugenwald. Fotografieren und Fotos sind das Leben von Thomas Fritsch. Und dieses Leben lebt er seit dem Jahr 2000 zu einem großen Teil im Neuweiler Ortsteil Gaugenwald.

Und so lange Fritsch mit den Gaugenwaldern sein Leben schon teilt, "so lange gab es schon diese Idee, die Bewohner, ihre Häuser, ihre Tiere – eben alles, was sie ausmacht – auch einmal zu fotografieren." Aber eben "nicht nur so", sondern "mit dem gewissen Etwas". Was dieses "Etwas" ist, davon kann sich seit der Eröffnung zur Ausstellung "Wald-Hufen-Dorf-Kinder" jeder selbst im Alten Rathaus des Ortsteils ein Bild machen.

Auf den ersten Blick sind Fritschs Bilder Fotos von Familien vor ihren Häusern. 47 großformatige Schwarz-Weiß-Schnapschüsse. Klug komponiert, aber doch sichtbare Gegenwart. Aufgenommen während zahlloser Sessions in den vergangenen sechs Monaten. Aber genau darin liegt für Fritsch auch der Zauber, ein Teil der Magie seiner Arbeit. "Mit diesen Bildern packe ich die Motive mit den Menschen, die sie zeigen, wie in eine Zeitkapsel ein." Für Fritsch werden die Bilder so zu Dokumenten der Zeitgeschichte. Die Momentaufnahmen eines Dorfes. Nicht nur für das Jetzt, um sie in einer Ausstellung zu zeigen, "sondern für die Ewigkeit".

Was der Foto-Künstler damit meint: "Ich bin mit einem Foto meiner Urgroßeltern aufgewachsen. Mein Urgroßvater war Kohlenhändler" – in Görlitz, wo auch Thomas Fritsch herstammt. "Das Bild zeigt ihn und meine Urgroßmutter hoch auf der Kutsche, vor der zwei prächtige Pferde angespannt sind, vor ihrem Haus." Dieses eine bestimmte Bild war für Fritsch sein ganzes Leben präsent. Er nahm es in seinen Gedanken mit, als er noch in der damaligen DDR in Potsdam die Fachhochschule für Fotografie besuchte. Er fotografierte es im Wohnzimmer seiner Mutter ab, wo es hing, um es 1989, als er als einer der letzten DDR-Bürger noch offiziell ausgebürgert wurde, mit nach Stuttgart und später in den Nordschwarzwald nehmen zu können.

Als es ihn schließlich nach Gaugenwald verschlug, war dieses "kernige, erdige, ehrliche, authentische Landleben", wie es das Bild der Urgroßeltern für ihn immer widergespiegelt hatte, auch etwas, "dass ich hier wohl zu finden suchte". Daher hatte er von Anfang an die Idee, solche "Fotos für die Ewigkeit" auch von seinen neuen Nachbarn zu machen. Um sie so alle kennenzulernen. Um sich und seine Arbeit vorzustellen. Und den Gaugenwaldern somit das, wie er findet, wertvollste Geschenk zu machen.

Das Schwarz-Weiß führt dabei übrigens dazu, dass Fotografien tatsächlich auf einmal zeitlos werden. Dass man die schwarz-weißen Aufnahmen aus dem Jetzt neben solche von vor hundert Jahren legen kann. Und beide Aufnahmen Antworten darauf, was sich in einem solchen Jahrhundert im Wald-Hufen-Dorf Gaugenwald tatsächlich verändert hat.

Und auf einmal lässt sich dann erahnen, mit welchen Augen in vielleicht noch einmal hundert Jahren die dann lebenden Nachkommen der Gaugenwalder die Aufnahmen von Fritsch betrachten werden. Wahrscheinlich mit der selben Nostalgie, mit der auch Fritsch sich das Bild seiner Urgroßeltern anschaut.