Dieses Haus in Agenbach hat sich der von 1933 bis 1945 als Stuttgarter OB wirkende Karl Strölin in der Straße Sonnenhalde erbauen lassen. Foto: Schabert Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Ehemaliges Stuttgarter Stadtoberhaupt Karl Strölin war zunächst hoher NSDAP-Funktionär, dann im Widerstand

Ältere Agenbacher erinnern sich noch an Karl Strölin. Der Stuttgarter Oberbürgermeister der Jahre 1933 bis 1945 baute sich nämlich in dem 1975 zur Teilgemeinde Neuweilers gewordenen Dorf ein oft genutztes Wochenendhaus.

Neuweiler-Agenbach/Oberreichenbach/Stuttgart. Heute gehört das Gebäude mit der Anschrift Sonnenhalde 70 Eigentümern, die nichts mit ihm zu tun haben.

Die Baupläne des Stuttgarter Baumeisters Binder hat der Oberreichenbacher Architekt und Bürgermeister Georg Hammann teils umgestaltet und – von Anfang an als örtlicher Bauleiter vorgesehen – nach Genehmigung vom Dezember 1958 umgesetzt. Strölin hatte den Platz am Waldrand von Michael Gall erworben. Dessen Tochter, Gertrud Dieball, erinnert sich noch an den "eher strengen" Nachbarn.

Wahl gegen Karl Lautenschlager haushoch verloren

"Stuttgart im Endstadium des Krieges", heißt ein Buch von Strölin. Ein Exemplar mit der handschriftlichen Widmung, "Herrn Bürgermeister Schumacher überreicht vom Verfasser, Weihnachten 1959", ist im Besitz von Rudolf Kugele. Er ist ein Neffe des Bedachten, der von 1945 bis 1966 Agenbachs Ortsoberhaupt war.

Strölin war NSDAP-Politiker, wollte 1931 Stuttgarter Oberbürgermeister werden und trat gegen den seit 1911 amtierenden Karl Lautenschlager an, der aber die Wahl haushoch gewann.

Bei der nachfolgenden Kommunalwahl zog Strölin jedoch als Stadtrat ins Rathaus ein. Nach der Machtergreifung wurde er im März 1933 vom Stuttgarter Reichsstatthalter Wilhelm Murr als Stadtkommissar eingesetzt, der dem OB sagte, was zu tun und lassen ist. Zum 1. Juli 1933 wurde Strölin zum Stuttgarter OB auf Lebenszeit ernannt.

Er setzte die Politik der NSDAP um, indem er dafür sorgte, dass bei der Stadtverwaltung politische Gegner und jüdische Mitarbeiter ihre Arbeitsstellen verloren. In wichtigen Funktionen wirkte er bis in die Reichsleitung der Partei. Allerdings schwand seine Überzeugung zunehmend mit dem Kriegsbeginn, und er hatte 1943 den Mut, eine Denkschrift gegen die Rassen- und Religionsverfolgung mit zu unterzeichnen. Er stand 1944 dem Kreis der Hitler-Verschwörung um Rommel nahe, was sich bei Untersuchungen aber damals nicht beweisen ließ. Aus der NSDAP-Reichsleitung wurde er trotzdem entlassen, blieb aber OB.

Strölin und einem Funker wird zugeschrieben, dass Stuttgart Tausende Tote und die totale Zerstörung erspart blieben. Der OB widersetzte sich am Kriegsende dem Nazi-Befehl, die Stadt bis zuletzt zu verteidigen. Dies führte zu einem Haftbefehl der Gestapo. Der Funker in Stuttgart ließ den telegrafisch übermittelten Auftrag zur Festnahme verschwinden. Wäre dieser umgesetzt worden, hätte er mit Sicherheit zur standrechtlichen Erschießung Strölins geführt, der an Franzosen und Amerikaner kampflos übergab.

Von den Alliierten 1945 festgenommen, wurde er nach verschiedenen Internierungs-Stationen von der letzten, dem Hohenasperg, 1948 als "minder belastet" entlassen. Strölin ist 72-jährig im Januar 1963 in Stuttgart einem Herzinfarkt erlegen. Auf dem Waldfriedhof der Landeshauptstadt fand er seine letzte Ruhestätte.

Georg Hammann wurde 1949 zum Bürgermeister Oberreichenbachs gewählt, wo er parallel ein Architekturbüro betrieb. Gerade noch vor einer gesetzlichen Regelung erreichte er im Dezember 1974 mit einer freiwilligen Vereinbarung den – Sonderzuwendungen des Landes erbringenden – Zusammenschluss mit Igelsloch und Oberkollbach. Würzbach kam im Dezember 1976 dazu, als der Staatsgerichtshof die eigentlich auf 1. Januar 1975 getroffene Zuordnung des Gesetzgebers bestätigte. Hammann blieb bis März 1976 Rathauschef. Zum 1. April übergab er die Geschäfte an Dietmar Greif, den am 29. Februar 1976 gewählten und danach noch dreimal im Amt bestätigten Vorgänger des heutigen Bürgermeisters Karlheinz Kistner.