Angeblich riesige Seeschlange in Südengland gesichtet -Foto lässt Raum zur Interpretation.

Devon - Nur ein Zyniker würde Gill Pearce unterstellen, sie könnte an jenem Nachmittag vergangene Woche zu tief in ihr Glas mit Pimm's geguckt haben, eine heimtückische Mixtur aus Gin und Kräuterlikör, die zum englischen Sommer gehört. 20 Meter vom Ufer der Saltern Cove, einer Bucht in Südengland, erspähte sie eine riesige Seeschlange und griff zur Kamera.

Auf dem unscharfen Foto bahnt sich ein langes, schwarzes Etwas den Weg durchs Wasser, das im Prinzip alles und nichts sein könnte. Furchterregend soll die Begegnung gewesen sein - vor allem für flüchtende Fische, die nach Pearces Beobachtung freiwillig an Land gesprungen seien. Nun sucht die Gesellschaft zum Schutz der Meere weitere Zeugen für die Erscheinung; die britische Presse indes jubiliert: Es ist mal wieder August - und das Land hat Nessie Nummer zwei.

Im Zweifel für das Monster

Für die meisten rationalen Menschen wäre die Geschichte an dieser Stelle zu Ende: Verwackelte Fotos, mystische Begegnungen, aber kein gefangenes Fabelwesen - über 1000-mal hat es in der Geschichte schon solche Sichtungen gegeben. Wer soll daran glauben, dass ein gigantisches Lebewesen Loch Ness sein Zuhause nennt? Doch das Verhältnis der Briten zu Nessie war immer ein tolerantes - ganz nach dem Motto: Im Zweifel für das Monster.

Kolumban von Iona, ein irischer Wandermönch und Heiliger, hatte im Jahr 565 das Vergnügen, Nessie als Erster kennenzulernen, nachdem das Monster gerade "unter lautem Gebrüll" einen schwimmenden Highlander verspeist hatte. Er schickte einen weiteren Mann als Köder in die Fluten und knöpfte sich der Überlieferung nach den glitschigen Angreifer vor. Kolumban bekreuzigte sich bei Nessies Anblick und rief: "Halt. Wage es nicht, diesen Mann anzurühren und verschwinde für immer." Kein Wunder, dass Nessie danach scheu wurde: Dem Heiligen wird nachgesagt, mit seiner Stimme Bierfässer zerstören zu können.

Dass Nessie lebt, steht außer Frage!

Heute, über 1400 Jahre später, glaubt der Geologe Luigi Piccardi in Nessies lautem "Grollen" ein Beben am Grund des Sees und turbulent aufsteigende Gase erkennen zu können. Viele "Sichtungen" könnten seine Theorie bestätigen: Immer wieder ist rund um Nessies Tauchgänge von aufbrausenden Wogen die Rede - "als würde ein Jet-Ski durchs Wasser ziehen", so ein Zeuge. Zu den seismischen Veränderungen und dem vulkanischen Sprudeln kommen fehlgedeutete Fische, Baumstämme, Otter oder Seehunde - und schon löst das Monster sich in Luft auf. In den trägen Sommermonaten nehmen sich sachliche Erklärungen freilich schnöde aus gegen die schillernden Pseudofakten der selbst ernannten Monsterologen. Dass Nessie lebt, steht für sie außer Frage.

Ungeklärt ist nur: Hat Nessue einen Buckel oder vier? Ist das Monster ein Überbleibsel aus der Dinosaurierzeit? Von diamantenförmigen Flossen geht man bei Nessie bereits aus, weshalb sie im respektablen Wissenschaftsmagazin "Nature" auf "Nessiteras Rhombopteryx" getauft wurde. Eine gewisse Intelligenz kann man dem Ungeheuer jedenfalls nicht absprechen: Außer ein paar Indizien und verwackelten Fotos hat es bisher keinerlei Spuren hinterlassen.