Die "CP 920 Gregoretti" sucht nach Opfern des Flüchtlingsunglücks vor Lampedusa. Foto: ITALIAN COAST GUARD/dpa

Ein mit bis zu 700 Flüchtlingen besetztes Boot ist am Sonntag zwischen der libyschen Küste und Lampedusa gekentert. Offenbar überlebten nur 28 Menschen das Unglück. Die Politik sucht nach einer Antwort.

Rom - Bei einer der schlimmsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer sind möglicherweise 700 Menschen ums Leben gekommen. Ihr Boot kenterte nach Angaben der italienischen Küstenwache etwa 70 Seemeilen (130 Kilometer) vor der libyschen Küste.

Bis zum Sonntagmittag konnten 28 Menschen gerettet und 24 Leichen geborgen werden. An Bord des etwa 20 Meter langen Schiffes sollen jedoch Hunderte Menschen gewesen sein. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) könnte es sich um die schlimmste Tragödie der jüngsten Vergangenheit in der Region handeln.

EU-Außenminster wollen Konsequenzen ziehen

Die EU-Außenminister wollen am Montag bei ihrem Treffen in Luxemburg über Konsequenzen aus der neuen Flüchtlingstragödie beraten. "Solch grausame Verbrechen erfordern eine europäische Antwort", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin.

Die italienische Küstenwache und Marine, Einsatzkräfte aus Malta und der EU-Grenzschutzmission Triton waren am Sonntag mit Dutzenden Schiffen und Flugzeugen im Einsatz. Sie suchten rund um die Unglücksstelle südlich der Insel Lampedusa nach Überlebenden. Das Wasser im Mittelmeer hat jedoch nur rund 16 Grad, zudem konnten viele der Migranten vermutlich nicht schwimmen.

Ersten Erkenntnissen zufolge brachten die Flüchtlinge das überladene Boot in der Nacht zum Sonntag vermutlich selbst zum Kentern. Sie hatten einen Notruf abgesetzt, woraufhin der portugiesische Frachter "King Jacob" zur Hilfe eilte. Als dieser sich näherte, stürmten die Migranten alle auf eine Seite des Bootes. "Wahrscheinlich ist der Frachter in die Nähe des Bootes gefahren. Die Bewegung der Flüchtlinge hat das Boot dann zum Kentern gebracht", sagte Carlotta Sami, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.

Papst spricht von "tiefem Schmerz"

Papst Franziskus appellierte an die internationale Gemeinschaft, "mit Entschlossenheit und Schnelligkeit" zu handeln, um ähnliche Tragödien zu verhindern. Er brachte seinen "tiefen Schmerz" zum Ausdruck und versprach, für die Opfer zu beten. Italiens Regierungschef Matteo Renzi sagte alle Termine ab und reiste nach Rom zurück, wo er für den späten Nachmittag ein Ministertreffen einberief.

"Wenn sich die Bilanz dieser erneuten Tragödie bestätigen sollte, sind in den vergangenen zehn Tagen mehr als 1000 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen", sagte die UNHCR-Sprecherin dem italienischen TV-Sender Rai. Bereits Anfang der Woche hatten Überlebende nach einem Unglück von etwa 400 Vermissten berichtet. Die Bilanz der Toten seit Anfang des Jahres im Mittelmeer würde damit auf mehr als 1500 steigen.

Bundesinnenminister de Maizière bezeichnete die Bekämpfung der Schlepperbanden als zentralen Punkt. "Wir dürfen und werden es nicht dulden, dass diese Verbrecher aus bloßer Profitgier massenhaft Menschenleben opfern", erklärte der CDU-Politiker in Berlin. Zugleich stellte er fest: "Einfache Antworten gibt es nicht."

Die EU-Kommission zeigte sich erschüttert über die Flüchtlingstragödie: "Die Europäische Union als Ganze hat eine moralische und menschliche Pflicht zu handeln." Solange es Krieg und Armut in der europäischen Nachbarschaft gebe, würden Menschen einen sicheren Zufluchtsort in Europa suchen. Deshalb sei es wichtig, mit den Herkunfts- und Transitländern zusammenarbeiten. Mitte Mai werde die Kommission ein Strategiepapier zur Migrationspolitik vorlegen. Europa brauche rasche Antworten, um weitere Todesopfer zu vermeiden.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande forderte mehr Überwachungsboote im Rahmen von "Triton", einer EU-Mission zur Seenotrettung von Flüchtlingen und zum Grenzschutz auf dem Mittelmeer. Die Menschenschmuggler verglich er mit Terroristen.