Auf dem Killesberg entsteht im Frühjahr 2016 ein Containerdorf für Flüchtlinge: Die Betreuung hier und in anderen Flüchtlingsunterkünften ist unterschiedlich personalintensiv. Jetzt wird sie ein wenig angepasst. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In der Landeshauptstadt hat bisher ein Betreuer 136 anerkannte Flüchtlinge betreut. Das ändert sich. Die Stadträte haben soeben einen neuen Betreuungsschlüssel für die Menschen in der sogenannten Anschlussunterbringung beschlossen: 1:120.

Stuttgart - Bei der sozialen Betreuung von dauerhaft untergebrachten Flüchtlingen wird von der Stadt ab sofort ein Schlüssel von einer Betreuerstelle pro 120 betreuten Menschen angewandt. Am Mittwoch beschloss der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats bei sechs Gegenstimmen der CDU und der rechtspopulistischen AfD, den bisher geltenden Schlüssel von 1:136 außer Kraft zu setzen und den freien Trägern der Flüchtlingsarbeit mehr Personaleinsatz zu erstatten.

Es geht um die Flüchtlinge in der sogenannten Anschlussunterbringung. Das heißt, um Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung oder Asylbewerber, die mindestens schon 24 Monate darauf warten.

Für ihre Betreuung hätte die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus sogar einen Schlüssel von 1:110 beschlossen, wie er vom Land für die Betreuung der Asylbewerber in den Flüchtlingsunterkünften eingeführt wurde. Doch mit den Grünen, der SPD, den Freien Wählern und der FDP im Rathaus war wie berichtet nur ein Kompromiss auf der Basis von 1:120 zustande gekommen.

Grünen wird „Geschmeidigkeit“ bescheinigt

Der war überhaupt erst möglich geworden, weil die Grünen umdachten. Noch im Dezember bei den Haushaltsberatungen hatten sie mit der CDU zusammen entschieden, den Betreuungsschlüssel von 1:136 nicht zu ändern. Stattdessen hatte die Gemeinderatsmehrheit damals je 200 000 Euro für die beiden Haushaltsjahre bereitgestellt, mit denen freie Träger und Flüchtlingsfreundeskreise Projekte an den jeweiligen Standorten umsetzen sollten.

Dass die Grünen sich jetzt eines anderen besannen, brachte ihnen vergiftetes Lob von den Freien Wählern ein. Rose von Stein attestierte den Grünen „Geschmeidigkeit“. Grünen-Fraktionssprecherin Anna Deparnay-Grunenberg wehrte sich. Man habe schon im Dezember etwas Sorge gehabt, die Bereitstellung der Sondermittel sei aber in der damaligen Situation am sinnvollsten erschienen. Grünen-Stadtrat Jochen Stopper räumte ein, dass einfachere und übersichtlicher Regelungen für die freien Träger jetzt sinnvoller seien.

CDU verteidigt Etatbeschluss

Die Sondermittel seien gut gedacht gewesen, meinte Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne), die Sache habe aber nicht funktioniert. Die Träger und die Freundeskreise riefen die Gelder kaum ab. Mit dem veränderten Betreuungsschlüssel könnten sie den Personaleinsatz verlässlicher und „ohne Projektitis“ planen, meinte Maria Hackl (SPD). Mehr Betreuung sei notwendig, denn das Trauma, das Flüchtlinge in ihrem Herkunftsland erlitten hätten, „macht sich nicht plötzlich vom Acker“, wenn Flüchtlinge in die Anschlussunterbringung wechselten.

Die CDU wiederum verteidigte im Ausschuss den damaligen Beschluss. Die Sondermittel würden auch mehr Betreuung ermöglichen. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz bedauerte, dass die Grünen nicht die Kraft hätten, die damals eingenommene Position zu verteidigen.

Mehrkosten von 750 000 Euro

Die bisher nicht abgerufenen Sondermittel werden nach Auffassung von Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) ungefähr ausreichen, um bis zum Jahresende 2017 den zusätzlichen Personaleinsatz in den 15 Monaten zu finanzieren. Von 2018 an müsse man aber zusätzlich rund 750 000 Euro bereitstellen. Der Grund: Bei der Finanzplanung der Stadt für die Jahre ab 2018 war mit einem Betreuungsschlüssel von 1:136 und ohne Sondermittel kalkuliert worden.