Auf einem 3D-Drucker gefertigtes Fahrzeug der Fachhochschule Hildesheim. Foto: dpa

Dank neuartiger 3-D-Drucker rückt der Traum von vollkommen individuellen Produkten in greifbare Nähe.

Dank neuartiger 3-D-Drucker rückt der Traum von vollkommen individuellen Produkten in greifbare Nähe – von der Schokolade bis zum Flugzeugbauteil. Die Technologie hat aber auch das Potenzial, ganzen Industriezweigen das Wasser abzugraben.

Frankfurt - Dank neuartiger 3-D-Drucker rückt der Traum von vollkommen individuellen Produkten in greifbare Nähe. Die Technologie hat aber auch das Potenzial, ganzen Industriezweigen das Wasser abzugraben. Besonders betroffen ist der Maschinenbau.

Es ist eine einzige Botschaft, die Frank Schäflein seinen Zuhörern an diesem Nachmittag in die Frankfurter Zentrale des Maschinenbauerverbands VDMA mitgebracht hat: Bei der Herstellung von Waren – vom Spielzeugauto bis zum Flugzeugtriebwerk – gibt es in Zukunft nur einen limitierenden Faktor: „die Fantasie“.

Schäflein ist Ingenieur und Produktentwickler bei Stratasys. Der US-israelische Konzern, der hierzulande nur Kennern ein Begriff ist, ist weltweit führend bei sogenannten 3-D-Druckern. Mehr als 560 Patente hat man in den Schubladen liegen. 240 Millionen Euro Umsatz hat die 1989 gegründete Ideenschmiede allein in den ersten neun Monaten 2013 gemacht. Tendenz: stark steigend. Der Aktienkurs hat sich in den vergangenen zwei Jahren rund vervierfacht.

Dabei gründet sich das Erfolgsgeheimnis der jungen Firma auf wenig mehr als „automatisierte Heißklebepistolen“, wie Schäflein die Stratasys-Produkte in vornehmer Zurückhaltung nennt.

Tatsächlich ähneln neuartige 3-D-Drucker, denen manche Fachleute das Potenzial einräumen, die gesamte Warenwelt grundlegend umkrempeln zu können, im Grunde jenen Klebstoffspritzen, mit denen Heimwerker seit Jahrzehnten ihre Linoleum-Böden verlegen oder Bastelgruppen Ostergestecke zusammenbauen. In den Geräten schießt geschmolzenes Plastik durch eine Düse auf einen Träger. Sobald die entstehende hauchdünne Materialschicht ausgehärtet ist, folgt eine neue Schicht. Nach Tausenden Spritzvorgängen wird so aus einem Relief eine dreidimensionale Form – eine Blumenvase, eine Ventilklappe, ein künstlicher Zahn, ein Stoßdämpfer oder ein Lippenstiftgehäuse. Sogar Schusswaffen sollen mit den mitunter nur tischdruckergroßen Geräten hergestellt werden können. Die Abläufe sind voll automatisiert. Als Grundlage dient lediglich eine Computerdatei.

Immer mehr Firmen steigen in Markt ein

Auf 2,2 Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro) beziffert der Branchendienst Wohlers Report die weltweiten Umsätze mit der Technologie im Jahr 2012. Die jährlichen Wachstumsraten werden auf 25 Prozent taxiert. Und immer mehr Firmen steigen in den Markt ein und erschließen neue Anwendungen. Der italienische Lebensmittelkonzern Barilla will bald Geräte an Restaurants verkaufen, die auf Knopfdruck Nudelsorten in Wunschform erzeugen. Das US-Unternehmen Hershey kündigte jüngst Experimente mit 3-D-Schokoladendruckern an, auf denen Kunden sich ihre persönliche Lieblingssorte ausdrucken können. In Berlin öffnete Ende November 2013 ein Laden, in dem man Menschen, Tiere und Gegenstände dreidimensional einscannen und mit einem 3-D-Drucker miniaturisiert nachdrucken kann.

Aber die Technologie, deren wissenschaftliche Grundlagen in den 1990er Jahren gelegt wurden, könnte nicht nur Endverbrauchern den Weg zu vollständig individualisierten Produkten der Marke Eigenbau öffnen. Auch für die Industrie deutet sich ein Paradigmenwechsel an. Denn längst können 3-D-Drucker nicht nur Kunststoffe verarbeiten. Auch Metalle, von weichem Kupfer und Edelmetallen bis hin zu Titan und harten Stählen, lassen sich zu komplexen Werkstücken drucken. Das macht die Verfahren für die Industrie interessant. Von den Heimwerker-3-D-Druckern unterscheiden sich die Fertigungsroboter der Industrie aber erheblich.

Maschinen von Herstellern wie SLM aus Lübeck oder Conceptlaser aus dem bayrischen Lichtenfels arbeiten mit Lasern. Diese schmelzen ausgestreutes Metallpulver, Schicht für Schicht auf. Beim Erkalten verbinden sich die einzelnen Lagen zu einem einzigen Bauteil. „Eigentlich handelt es sich beim 3-D-Drucken um das ständige Auftragen von zweidimensionalen Schichten“, sagt Eric Klemp, Direktor des DMRC, eines bei der Uni Paderborn angesiedelten Forschungsverbunds aus Industrie und Wissenschaft. Mittlerweile seien die Verfahren so ausgereift, dass nicht nur die Produktion von Konsum-Produkten interessant werde. Nach Ansicht des Maschinenbauerverbands VDMA eignet sich das Verfahren auch für Industrieanwendungen. Bestimmte Bauteile in Langstreckenjets des Herstellers Boeing würden heute bereits über 3-D-Druck hergestellt, sagt Klemp. Bei Siemens würden Turbinenteile mit dem neuartigen Verfahren gefertigt.

Manchen Branchen drohen Einbußen

Der Grund: Die Produktion wird durch das 3-D-Drucken schlanker, besonders wenn es sich um komplexe Bauteile handelt. Diese müssen bisher einzeln gegossen oder gestanzt und dann aufwendig zusammengesetzt werden. Die neuartigen Fertigungsroboter drucken das komplette Bauteil dagegen einfach Schicht für Schicht aus. Der Charme des Verfahrens ist, dass Komplexität keine Rolle mehr spielt“, sagt Klemp. Dazu kommt, dass man die Teile mit vollkommen neuen Eigenschaften ausstatten kann. In Zukunft sei es etwa möglich, Turbinenschaufeln mit eingelassenen Lüftungskanälen zu erzeugen, um Hitze besser abzutransportieren. Durch herkömmliches Gießen ist dies bislang nicht möglich.

Außerdem werden die Teile leichter. Weil Hohlräume in die Baugruppen eingebracht werden können, ist beim Gewicht ein Einsparpotenzial von 50 Prozent in vielen Fällen möglich. Der Stuttgarter Anlagenbauer Robomotion nutzt beispielsweise gewichtsoptimierte Greifer für seine Verpackungsmaschinen.

Wie bei jeder technischen Revolution gibt es aber nicht nur Gewinner. Manchen Branchen drohen Einbußen. So könnten die Aufträge für Werkzeug- oder Prototypenbauer bald weniger werden. Hochwertige Fräs-, Biege- oder Stanzinstrumente – eine Domäne vieler Unternehmen in Baden-Württemberg – könnten überflüssig werden. Zum Bearbeiten von Werkstücken wären sie in Zeiten des 3-D-Drucks nicht mehr nötig.

Auch beim Prototypenbau könnte man sich in Zukunft teure Spezial-Maschinen sparen – auch hier könnten die Einzelstücke relativ kostengünstig ausgedruckt werden. Kein Wunder, dass das Thema bei den großen Automobilbauern mittlerweile recht hochgehängt wird. Zentralabteilungen kümmern sich mittlerweile um den 3-D-Druck.