Nach dem Wahlsieg gratulierte die Bevölkerung, hier Ehrenbürger Siegfried Luz, ihrer künftigen Bürgermeisterin Petra Schupp. Viele waren über das klare Votum allerdings überrascht. Foto: Stocker Foto: Schwarzwälder-Bote

Freude und Leid liegen nahe beieinander / Reaktionen auf Art des Stimmenkampfes

Von Steffi Stocker

Neubulach. Noch über Stunden hinweg herrschte auf dem Marktplatz in Neubulach am Sonntagabend Feierstimmung. Der Sieg von Petra Schupp bei der Bürgermeisterwahl in der Bergwerksstadt bestimmte die Atmosphäre eindeutig, allerdings zeigte sich auch große Überraschung über den deutlichen Ausgang.

Unmittelbar nachdem Alois Jerges das vorläufige Wahlergebnis offiziell bekannt gegeben hatte, sind die Glückwünsche immer auch mit Erstaunen verbunden gewesen. Diese Eindeutigkeit im Wahlausgang, knapp 40 Prozent Stimmenunterschied, hatte wohl kaum jemand erwartet. Selbst Stadträte, die den Wechsel herbeigesehnt hatten, wunderten sich darüber. Wie berichtet, hatte Petra Schupp schon im ersten Wahlgang 69,5 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht.

"Ich habe eigentlich mit einem zweiten Wahlgang gerechnet", sagte beispielsweise Nicole Bornkessel völlig überrascht noch im Bürgersaal. "Politik ist ein schwieriger Bereich, in dem immer wieder die Schwächen von Menschen in den Fokus geraten", bedauert sie die Hackerei im Vorfeld der Wahl. Traurig war Sabrina Mayer über den Wahlausgang, hätte sie doch gerne Walter Beuerle als Bürgermeister behalten.

"Er hat sicher nicht immer alles richtig angepackt, aber die Art und Weise, wie hier mit ihm umgegangen wurde, ist nicht akzeptabel", stellte ein Geschäftsmann am Montag fest. Er monierte zudem das Verhalten des Vorsitzenden des Gemeindewahlausschusses, Alois Jerges, der seiner Meinung nach neutral hätte sein sollen. "Es ist schon verwunderlich, dass sich ausgerechnet jene Gemeinderäte äußern, die man sonst nicht im Städtle sieht", sagte Richard Claus. Er sei froh, dass es jetzt vorbei sei und sich nicht alles in die Länge ziehe.

"Es ist bombastisch, und ich bin glücklich und froh um den Zuspruch", freute sich Marlies Schöttle. Sie verwies auf einige Tritte ins Fettnäpfchen, die sich Beuerle in jüngster Vergangenheit geleistet ha. Sie räumte aber ein, dass auch auf der anderen Seite nicht immer sachlich agiert wurde. "Als Mensch ist er nett, aber ich halte ihn im Amt des Bürgermeisters für überfordert", resümierte sie die Arbeit Beuerles.

Keine negativen Erfahrungen mit dem Bürgermeister hatte Susanne Schulz. "Allerdings war sehr viel Unzufriedenheit zu spüren und zu hören", erinnerte sie sich an die Stimmung vor der Wahl. Dennoch sei sie überrascht von dem so klaren Votum, hatte sie doch eher ein Kopf-an-Kopf-Rennen befürchtet.

Unisono hoffen die Neubulacher jetzt, dass wieder Ruhe einkehrt und eine vernünftige Arbeit geleistet wird.

Es war "nur" eine Bürgermeisterwahl, die Neubulach die letzten Wochen beschäftigt hat. Und am vergangenen Sonntag seinen finalen Abschluss fand. Aber was für eine Wahl das war! Über 73 Prozent Beteiligung. Volksfeststimmung nach der Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses im großen Sitzungssaal. Und anschließend auf dem Platz vor dem neuen Rathaus sowie in der ganzen Innenstadt von Neubulach.

Die Wähler feierten geradezu euphorisch ihre neue Bürgermeisterin, die allein von ihnen in ihr Amt gehoben wurde. Kein anderer Spruch ist heute mit einem 9. November so sehr verbunden wie "Wir sind das Volk!", mit dem vor exakt 25 Jahren die Bürger in den neuen Bundesländern ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen und die Mauer einrissen, die Deutschland über 40 Jahre lang geteilt hatte. Nun haben auch die Neubulacher sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Sie sind das Volk! Auch sie haben damit echte Mauern eingerissen, die in den vergangenen Wochen und Monaten die Bürgerschaft tief entzweit und gespalten haben.

Für die neue Bürgermeisterin Petra Schupp wird es eine große Herausforderung und eine noch größere Verantwortung werden, die von ihr nun erwartete "Neubulacher Wiedervereinigung" mit ihrer ruhigen und kommunikativen Art auch tatsächlich zu vollziehen und zum Erfolg zu führen. Für die Neubulacher ist nach ihrem eindeutigen Wählervotum klar: Wenn, dann kann diese auf jeden Fall auch schwierige Aufgabe nur von genau dieser Bürgermeisterin geleistet werden. Den beiden anderen ernst zu nehmenden Bewerbern, Noch-Amtsinhaber Walter Beuerle und dem selbst ernannten Bürgerrechts-Kandidaten Michael Reichenberg, trauten sie die Bewältigung dieser Probleme offensichtlich nicht zu. Das erfordert nämlich sehr viel Fingerspitzengefühl, insbesondere im Neubulacher Gemeinderat.

Vielleicht – und auch das darf an dieser Stelle einmal gesagt werden – weil Beuerle und Reichenberg in ihren Selbstdarstellungen im Wahlkampf sich stets sehr ego-zentriert zeigten. Eben sehr "männlich", um nicht zu sagen "selbst-Herr-lich". Mit Petra Schupp hat in Neubulach eben auch eine Frau den männlichen Bewerbern gezeigt, was alle Bürger heute von einem Inhaber exponierter öffentlicher Ämter vor allem erwarten: sehr viel fachliche Kompetenz, gepaart auch mit menschlichen und sozialen Fähigkeiten. Weniger Testosteron – mehr kooperative Diplomatie. In Neubulach haben die leisen Töne den Radau geschlagen. Auch das ist ein Sieg – ein Sieg der politischen Kultiviertheit über die männliche Hemdsärmeligkeit im Amt, die nur allzu leicht die Grenzen des guten Geschmacks und der guten Sitten überschreitet, wie das Beispiel Neubulach gerade im Wahlkampf gezeigt hat.

Es ist zu vermuten, dass ähnlich wie einst die "große" Wiedervereinigung am 9. November 1989, auch die kleine Wiedervereinigung der Bürgerschaft in Neubulach eine ganz eigene Strahlkraft entwickeln wird.

Möglicherweise über Neubulach hinaus, denn in den nächsten Wochen und Monaten werden in der Region noch eine ganze Reihe weiterer Bürgermeister neu gewählt werden. All den Kandidaten bei diesen anderen Wahlen sei gesagt: Schaut nach Neubulach; und erkennt, wer euch wählen wird. Und aus welchen Gründen.

Der Stadt Neubulach selbst ist zu wünschen, dass sie nun wirklich wieder von ihrer neuen Bürgermeisterin in ruhigeres Fahrwasser manövriert wird. Und wieder allein Inhalte und Sachthemen auf die politische Agenda gehoben werden.