SWR-Reporter Günther Schroth mit "Assistent" Lukas Seeger in der Kommentatorenkabine beim Bundesligaspiel Freiburg gegen den HSV. Fotos: Buckenmaier Foto: Schwarzwälder-Bote

Lukas Seegers Traum geht in Erfüllung: Einmal live dabei an der Seite eines Sportreporters

Von Roland Buckenmaier

Eigentlich ist Lukas Seeger ja eingefleischter VfB-Fan. Ausgerechnet dem badischen Rivalen aus Freiburg die Daumen zu drücken, der genauso wie seine Stuttgarter gegen den Abstieg spielt, würde dem 14-Jährigen aus Neubulach nicht im Traum einfallen. Wenn da nicht dieser andere Traum wäre, einmal live dabei zu sein bei einem Bundesligaspiel im Stadion. Und nicht irgendwo im Stadion, sondern mitten drin in der Kommentatorenkabine.

Ein klassischer Fall für "Wünsch dir was", die große Weihnachtsaktion des Schwarzwälder Boten mit Unterstützung der Sparkasse Pforzheim Calw. Für Lukas’ Traum setzen wir alle Hebel in Bewegung: ein Anruf beim Südwestrundfunk in Stuttgart, der wiederum bei den Bundesligaclubs im Ländle anklopft. Der SC Freiburg schließlich hat ein Herz für den Nachwuchsreporter aus dem Nordschwarzwald und stellt ihm – trotz restlos ausverkauftem Haus – eine Pressekarte für das Kellerduell gegen den Hamburger SV zur Verfügung.

Und so steht Lukas am vergangenen Samstag am Ziel seiner Träume, reckt mit einem Siegerlächeln seine Eintrittskarte in die Höhe, die ihm auch die Wege öffnet in den Raum, wo sich die Journalisten und Fotografen vor dem Spiel tummeln, und nach dem Spiel zur Pressekonferenz mit den beiden Trainern.

Okay, meint er, heute drücke er dem SC die Daumen und tippt auf ein knappes 1:0 gegen die Hanseaten, während die Fans drinnen im Stadion schon mächtig Stimmung machen. Das verspricht ein heißes Duell zu werden.

Normalerweise verfolgt Lukas – wenn er nicht gerade bei einem Heimspiel seines VfB im Stadion sitzt – die Bundesligaspiele zu Hause, Sky sei Dank, auf Opas Couch. Heute aber nimmt er ganz oben auf der Pressetribüne Platz. Hinter ihm steht ein Mann, den er gleich erkennt: "Das ist der Trainer von Düsseldorf". Tatsächlich, was macht den Lorenz-Günther Köstner hier? Seine Fortuna spielt doch in der 2. Liga. Der journalistische Spürsinn ist geweckt. Aber zu Nachfragen bleibt keine Zeit. Ein paar Meter weiter wartet nämlich Günther Schroth auf den jungen Besucher aus dem Schwarzwald. Schroth ist heute einer der wichtigsten Reporter im Stadion. Mehr als zehn Millionen Radiohörer hängen an seinen Lippen, wenn er aus dem Schwarzwald-Stadion zugeschaltet wird. Er kommentiert das Spiel für sämtliche ARD-Anstalten – nur der NDR hat ein eigenes Team geschickt.

Noch fünf Minuten bis zum Anpfiff. Normalerweise würde heute Lennert Brinkhoff an der Seite des 55-jährigen Reporters sitzen, aber für Lukas macht man eine Ausnahme. Der 14-Jährige bekommt den Kopfhörer samt Mikro aufgesetzt und darf assistieren. Schnell gehen die drei noch die Aufstellungen durch. Und natürlich die Faktensammlung zu diesem Spiel und zu den beiden Kadern. Schroth nennt sie Spickzettel. "Das ist wie in der Schule", sagt er, "wenn du einen Spickzettel hast, weißt du alles. Hast du keinen, weißt du nichts."

Aber im Zweifel hat er ja immer noch Lukas Seeger und seinen Volontär Lennert Brinkhoff zur Seite, die ihm während der nächsten anderthalb Stunden einflüstern werden, wenn auf den ersten Blick nicht erkennbar war, welcher Spieler in dem allgemeinen Tohuwabohu auf dem Spielfeld gefoult wurde oder wer den Ball gegen die Latte geknallt hat.

Wenn heute der VfB zu Gast wäre, bekennt Schroth, "wüsste ich nicht, für wen ich wäre", aber so ist’s natürlich klar. Für Freiburg, logisch. Und Lukas, dem bekennenden VfB-Fan, klopft er noch schnell auf die Schulter: "VfB-Fan – das ist mutig. Das formt den Charakter." Aber fürs Philosophieren über den Fußball bleibt jetzt keine Zeit mehr. Fast jede Minute wird Günther Schroth gleich live zugeschaltet. Vorneweg ein so genannter Flash, also eine kurze Spieleinschätzung, dann fast jede Minute eine Einblendung, dann in die Konferenzschaltung, die Königsdisziplin eines Reporters.

Ja, genau so hat sich Lukas das spannende Leben eines Sportreporters vorgestellt. "Seit meiner frühen Kindheit liebe ich alles, was mit Fußball zusammenhängt", hat uns der 14-Jährige auf seinem Wunschzettel geschrieben. Der Neuntklässler kickt selbst, ist mit seiner Schönbronner C-Jugendmannschaft vergangene Saison sogar Meister geworden. Lukas hält hinten als Abwehrchef die Schotten dicht.

Die beiden Abwehrreihen stehen auch auf dem Spielfeld im Mittelpunkt. Nach dem kläglich verschossenen Elfmeter, den die Freiburger in der 3. Minute geschenkt bekommen, sind es nur noch die Fans, die Stimmung machen. Und SWR-Reporter Günther Schroth, von dem spektakulären Spielbeginn anfangs enthusiastisch getragen, kommentiert später ironisch ins Mikro: "Schönes Spiel. Hier wird richtig was geboten. Hier steht’s 0:0".

Der 55-Jährige lebt den Fußball. In der zwei mal zwei Meter großen Reportkabine reckt er sich in die Höhe, wenn die SC-Stürmer aufs Tor zumarschieren, hebt seine Stentorstimme, rauft sich die Stoppelhaare, wenn eine hundertprozentige Chance vergeigt wird, langt sich theatralisch ans Herz. Alles vergebens. Es bleibt beim torlosen Unentschieden.

Ein schneller Flash noch, Konferenzschaltung, Interviews. Dann nimmt der 55-Jährige den Kopfhörer runter und lächelt zufrieden. Er ist, wie er selbst sagt, "aus Leib und Seele" Sportreporter. Lukas hätte an diesem Nachmittag kein besseres Vorbild für seinen Traumberuf finden können.